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Venatrix

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Veröffentlicht am 01.05.2018

Eine Hommage an die Liebe

Wofür es lohnte, das Leben zu wagen
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Als im Morgengrauen des 22. Juni 1941 mehr als drei Millionen deutsche Soldaten unter dem Codenamen „Unternehmen Barbarossa“ ohne Kriegserklärung in der Sowjetunion einfallen, ist der Augenarzt Dr. Helmut ...

Als im Morgengrauen des 22. Juni 1941 mehr als drei Millionen deutsche Soldaten unter dem Codenamen „Unternehmen Barbarossa“ ohne Kriegserklärung in der Sowjetunion einfallen, ist der Augenarzt Dr. Helmut Machemer darunter. Was ihn so besonders macht?

Er bräuchte aus Grund seines Alters und eines Standes (noch) gar nicht dabei sein. Helmut Machemer hat sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, obwohl er dem Regime sehr reserviert gegenübersteht. Seine Frau Erna und die gemeinsamen Söhne gelten aufgrund der Nürnberger Gesetze als jüdische Mischlinge, da Erna, ohne dies jahrelang zu wissen, jüdischer Herkunft ist.
Machemer hat herausgefunden, dass ein arischer Reichsbürger auf den (durchaus seltenen) Gnadenakt von Adolf Hitler, eine jüdische Herkunft zu „arisieren“, hoffen darf, wenn entsprechende Gegenleistung vorhanden ist. In Machemers Fall wäre dies besondere Tapferkeit vor dem Feind und das „Eiserne Kreuz Erster Klasse (EK I)“.

Aus Liebe zu seiner Familie befindet er sich nun in der Aufklärungsabteilung der 16. Panzer-Division, fest entschlossen die entsprechenden Auszeichnungen zu erringen, um so seine Familie zu retten.


Meine Meinung:

Aus den zahlreichen Briefen, die in der Familie Machemer aufbewahrt worden sind, hat Hans Machemer, eine der drei Söhne, mit Unterstützung von Historiker Christian Hardinghaus ein beeindruckendes Dokument des deutschen Vorstoßes durch die Ukraine geschaffen.

Nach einer erklärenden Einleitung der beiden Autoren können die Leser gleich in das Leben von Dr. Helmut Machemer eintauchen. Die Briefe sind chronologisch geordnet und zu einigen sind Fotos erhalten, die das Leben im Feld dokumentieren.

Helmut Machemer schreibt in schnörkellosen, oft langen Sätzen (für die ihn seine Frau Erna, manchmal rügt) über den Alltag an der Front. Es sind Berichte über das Leben und Sterben in Russland. Machemer hat auch mit seinen Vorgesetzten ein wenig Glück. Sie wissen um seine Familiengeschichte und warum er als Arzt direkt an der Front und nicht dahinter in der Etappe arbeitet.

Hin und wieder kommt der Stolz, ein Deutscher zu sein, durch, wenn er die Logistik und/oder die Waffen lobt. Denn es ist schon eine logistische Herausforderung tausende Fahrzeuge über teils unbefestigte Wege zu bewegen. Immer wieder treffen sie auf russische Truppen, werden beschossen oder finden kaum Unterschlupf, da die Russen sie immer weiter in das Land hineinlocken, dabei aber die Taktik „der verbrannten Erde“ anwenden, d.h. Helmut und seine Truppen treffen nur auf zerstörte Dörfer.
Eine Zeit lang kommen sie recht gut vorwärts, doch als der Winter 1941 früh einsetzt und die Temperaturen auf minus 30 Grad fallen, fragt er sich, wo denn der Nachschub an Material oder die Winterkleidung bleibt. Hier spürt der geneigte und in diesem schrecklichen Kapitel der Geschichte bewanderte Leser, dass sich zwischen den Zeilen der eine oder andere berechtigte Zweifel am Vormarsch der deutschen Truppen in die Sowjetunion breitmacht.

Da er Angst haben muss, dass die Briefe abgefangen und gelesen werden, nennt er die Einsatzorte und Personen nicht mit vollem Namen. Außerdem ist er in seiner Ausdrucksweise sehr, sehr sachlich.
Im Gegensatz zu den Propagandafilmtrupps, die Kriegsszenen für die Wochenschau nachstellen, fotografiert und filmt Helmut auch zerstörtes deutsches Kriegsgerät bzw. tote und verwundete deutsche Soldaten. Oftmals sind die Fotos der Grabstellen die letzten Erinnerungen an einen geliebten Menschen fernab der Heimat. Brisantes Material, vor allem für seine Brüder, gibt er besonders vertrauenswürdigen Kameraden mit. Denn, sollten diese ungeschönten Aufnahmen des schrecklichen Krieges in falsche Hände geraten, wäre es sowohl um Helmut als auch um seine Familie geschehen.

Großes Augenmerk schenkt Helmut Machemer den vielen Päckchen und Briefen, die aus der Heimat an die Front kommen. Das ist schon erstaunlich, wie lange das Feldpostwesen noch funktioniert hat.

Durch seinen unermüdlichen Einsatz bekommt Helmut Machemer alle Auszeichnungen, die ihm als Unteroffizier zugänglich sind.
Am 15. Mai 1942, wenige Tage nach seinem 40. Geburtstag, erhält Helmut Machemer endlich das EK I.

Am 18. Mai 1942 wird er durch einen Granatsplitter am Kopf tödlich getroffen.

Am 17. März 1943 hat Adolf Hitler persönlich entschieden, dass Erna Machemer und ihre Kinder als „deutschblütig“ gelten. So ist Helmut Machemers sinnloser Tod nicht gänzlich umsonst gewesen.

Eine sehr eindrucksvolle Ergänzung ist auch die Begleit-DVD, in der Historiker Christian Hardinghaus einige der ausgesuchten Filmaufnahmen Helmut Machemers zeigt und kommentiert. Im Gegensatz zu den gestochen scharfen und teils farbigen Wochenschauaufnahmen des Goebbel‘schen Propagandaministeriums, sind Helmut Machemers Aufnahmen schwarz/weiß und grobkörnig. Sie scheinen nicht nachbearbeitet zu sein.

Fazit:

Ein bewegendes Dokument, das eindrucksvoll zeigt, wofür es wirklich lohnte, sein Leben zu wagen. Nicht um den Größenwahn eines Einzelnen zu unterstützen, sondern um die eigene Familie zu retten.
Ich gebe dieser Dokumentation 5 Sterne und eine ausdrückliche Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 26.04.2018

Es war einmal in Königsberg

Letzte Fahrt nach Königsberg
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Ulrich Trebbin entführt uns in seinem Debütroman nach Königsberg.
In mehreren Zeitebenen verfolgen wir die Geschichte der Ella Aschmoneit. Sie wächst als Tochter eines gut situierten Weinhändlers und ihrer ...

Ulrich Trebbin entführt uns in seinem Debütroman nach Königsberg.
In mehreren Zeitebenen verfolgen wir die Geschichte der Ella Aschmoneit. Sie wächst als Tochter eines gut situierten Weinhändlers und ihrer abergläubischen Mutter Alice auf. Bis zum plötzlichen Tod des Vaters fehlt es Ella und ihren Geschwistern an nichts. Doch dann ist es plötzlich mit Beschaulichkeit und dem Wohlstand vorbei. Spekulanten nehmen der unbedarften Witwe die gut gehende Weinhandlung ab. Die Familie zieht in ein kleines Haus um, die Mädchen müssen die Schule und die Universität verlassen. Alice verfällt in depressive Trauer und misst dem aufkeimenden Nationalsozialismus keine Bedeutung bei.

Während die beiden älteren Schwestern bereits verheiratet sind und der einzige Sohn Hans beim Militär eine Fliegerausbildung macht, bleibt Ella sich ein wenig selbst überlassen. Geschickt umgeht sie Vorhaltungen der nach wie vor trauernden Mutter und übersiedelt zu ihrer Schwester nach Potsdam.
Man ist schon mitten im Krieg als sich zwischen Victor Jacoby und Ella so etwas wie eine Romanze entspinnt. Heiraten wird Ella allerdings den etwas älteren Hinrich, einen angehenden Historiker.
Um ihre eigene Familie, Ella und Hinrich haben inzwischen zwei Kinder, und die ihrer Schwester mit Nahrungsmitteln zu versorgen, entschließt sich Ella eine letzte Fahrt nach Königsberg zu machen. Denn, in ihrem alten Haus sind wahre Schätze versteckt: Eingerexte Köstlichkeiten, Mahlzeiten von denen die Menschen nur noch träumen können.

Meine Meinung:

Die Grundidee zu diesem Roman enthält einen wahren Kern und ist Teil der Familiengeschichte des Autors. Geschickt vermengt Ulrich Trebbin Wahrheit und Fiktion. Durch den häufigen Perspektivenwechsel, der auch mit mehreren Zeitebenen einhergeht, kann man sich diese bewegende und teilweise entbehrungsreiche Zeit sehr gut vorstellen.

Wir erhalten Einblick in den Alltag der Frauen, die ihre Kinder ohne Väter aufziehen müssen, die teilweise in Ruinen hausen und um jedes Lebensmittel anstehen müssen. Es sind immer die Frauen und Kinder, die unter Kriegshandlungen am meisten zu leiden haben.
Einfühlsam wird die Jugend gezeigt, die außer den Führer-Kult, Durchhalteparolen und die Vereinnahmung durch BDM und HJ nichts kennt. Viele Kinder sind indoktriniert und haben lieber einen toten Vater, der für den Führer gefallen ist, als einen lebenden, der mit dem Leben davongekommen ist, weil er rechtzeitig den Kopf eingezogen hat.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen. Kriegsszenen und Gräueltaten werden mit Augenmaß und nicht sensationslüstern beschrieben.

Die Charaktere wirken authentisch und haben Ecken und Kanten. Da vor allem Ella, die zwar mit beiden Beinen im Leben steht, aber auch manchmal ein wenig naiv zur Sache geht. Allerdings muss man ihr zugutehalten, dass sie natürlich auch auf die Propaganda der Regierung hereingefallen ist. Ella hat ihre lebensuntüchtige Mutter vor Augen und will eben anders sein. Dafür geht sie, z. B. mit der Fahrt nach Königsberg ein enormes Risiko ein. Dass es Alice letztendlich auch gelingt aus Königsberg vor der Ankunft der Roten Armee zu verlassen, grenzt schon an ein Wunder.

Gut gefällt mir, dass die Leser völlig unaufgeregt und unterschwellig historische Tatsachen und Details erfahren, ohne dass hier ein „oberlehrerhafter“ Ton herrscht.

Die Beschreibung der Städte, der alltäglichen Probleme und die sehr facettenreiche und immer wieder überraschende Ella machen den Charme dieses Buches aus.

Fazit:

Ein Autor, den man sich merken wird müssen, denn ich hoffe, in Zukunft wieder von Ulrich Trebbin lesen zu dürfen. Gerne gebe ich diesem Debüt 5 Sterne.

Veröffentlicht am 26.04.2018

Wie aus einem örtlich begrenzten Konflikt der 30-jähirge Krieg wurde

Die Reiter der Apokalypse
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Historiker Georg Schmidt hat mit diesem ausführlichen Buch über den Dreißigjährigen Krieg ein umfassendes Werk zu Papier gebracht.
Auf 800 Seiten (davon 695 Seiten reiner Text, danach Anhang, Literaturverzeichnis ...

Historiker Georg Schmidt hat mit diesem ausführlichen Buch über den Dreißigjährigen Krieg ein umfassendes Werk zu Papier gebracht.
Auf 800 Seiten (davon 695 Seiten reiner Text, danach Anhang, Literaturverzeichnis und Personenregister) wird dem interessierten Leser erklärt, wie es zu diesem mehr als 30-jährigen Konflikt kommen konnte.

• Prolog
• Spuren
• Dreißig Jahre
• Der Frieden
• Epilog
• Anhang

Das Buch ist gut gegliedert und umfasst neben Prolog und Epilog drei große Kapitel, die jeweils noch unterteilt sind, sodass man diese komplexen Vorgänge in kleinen Happen lesen kann. Hin und wieder wird der aufmerksame Leser das eine oder andere nachschlagen müssen, da der Autor doch einiges an Wissen voraussetzt.

Die ersten 107 Seiten befassen sich mit der politischen Vorgeschichte. Nicht verschwiegen werden die gesellschaftlichen Auf- und Umbrüche, die ebenfalls den Ausbruch des Krieges förderten. So nimmt Georg Schmidt den Aberglauben der Menschen, die in einem Kometen Unheil sahen, und die damit verbundenen Hexenverfolgungen in seinen Bericht auf. Auch die „Kleine Eiszeit“, die zu Ernteausfällen und Hungersnöten führte, werden beschrieben. Das 17. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Bedrohung Europas durch die Osmanen.

Was als örtlich begrenzter Konflikt zwischen dem Wahlkönigreich Böhmen und der Erbmonarchie des Hauses Habsburg beginnt, endet im Flächenbrand über ganz Europa. Mit dem berühmten Prager Fenstersturz im Mai 1618 beginnt ein gewaltiger Krieg, der bis 1648 Millionen Menschenleben fordern.

Mehrmals haben es die beteiligten Herrscher in der Hand den Krieg zu beenden und Frieden zu schließen. Aus Ignoranz und auch mit falschen (oft geistlichen) Ratgebern unterlassen sie dies und so dauert der Konflikt eben die bekannten 30 Jahre.

Detailliert legt der Autor dar, warum der Krieg nicht zu beenden war.

Meine Meinung:

Auffallend ist, dass im letzten Jahr noch zwei Bücher zum Dreißigjährigen Krieg erschienen sind: „Der Dreißigjährige Krieg: Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648“ (Herfried Münkler, 20.10.2017) und „Der Dreißigjährige Krieg: Eine europäische Tragödie“ (Peter Wilson, 09.10.2017).
Bis heute ist diese bis dahin beispiellose historische Katastrophe von Mythen und Schauermärchen überwuchert. Georg Schmidt gelingt es, als großem Kenner dieser Epoche, aus Anlass des 400. Jahrestages des Beginns dieser Auseinandersetzung eine, auf dem neuesten Stand der Forschung basierende Gesamtdarstellung des Dreißigjährigen Krieges, darzustellen.

Georg Schmidt legt eine übersichtliche, auch für den interessierten Laien gut lesbare Gesamtdarstellung vor. Immer wieder gelingt es ihm auch, Brücken in die Gegenwart zu schlagen.

Neben der Darstellung der Ursachen, werden auch die oft wechselnden Bündnisse, Bewaffnung und Taktikausführlich erörtert und dargelegt.

So findet das Nichteingreifen des englischen Königs zugunsten seines kurpfälzischen Schwiegersohns Friedrich V., der als „Winterkönig“ die böhmische Krone annimmt und sich damit gegen Kaiser und Reich stellt, Niederschlag. Wir erfahren von Schlachten und Kämpfen, in deren bekannteste Gestalt wohl Albrecht von Wallenstein (auf Seiten des Kaisers und der Katholischen Liga) war. Auf der Gegenseite sind der Schwedenkönig Gustav II. Adolf und die Könige Christian III. und IV. von Dänemark zu finden.

Der Schreibstil ist einem Sachbuch angemessen. Manchmal scheint der Autor ein wenig detailverliebt, was aber verzeihlich ist. Dennoch ist das Werk nicht populärwissenschaftlich und bedarf einer gewissen Aufmerksamkeit beim Lesen. Er Beschreibt eben sehr genau Ursachen und Verlauf des Krieges. Manches hat Auswirkungen bis heute.

Besonders anspruchsvoll ist das Cover: Es zeigt einen Ausschnitt aus dem Bild „Triumph des Todes“ Pieter Bruegel d. Ä. (um 1560/62). Überhaupt ist die Aufmachung und Ausstattung des Buchs gediegen: gebunden und mit Lesebändchen. Die Schriftgröße des Anhangs ist ein wenig zu klein geraten, doch das ist Jammern auf allerhöchstem Niveau.

Das Buch endet mit folgenden Worten: "Wer sich hingegen mit den scheinbar bewährten historischen Einschätzungen zufriedengibt, für den bleiben die alten Mythen wie die Urkatastrophe und das Trauma des deutschen Volkes unvergängliche Wahrheiten." (S. 695)
Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

Fazit:

Mit diesem Werk entzaubert Georg Schmidt den Dreißigjährigen Krieg von Mythen und Verklärung. Er liefert hier eine solide Gesamtdarstellung des Dreißigjährigen Krieges. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.04.2018

Eine beeindruckende Biografie

Theoderich der Große
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Historiker Hans-Ulrich Wiemer wagt sich nach Alexander dem Großen (erschienen 2015) an den nächsten antiken Herrscher: Theoderich dem Großen, Herrscher über das (West)Römische Reich von ca. 471 – 526 n. ...

Historiker Hans-Ulrich Wiemer wagt sich nach Alexander dem Großen (erschienen 2015) an den nächsten antiken Herrscher: Theoderich dem Großen, Herrscher über das (West)Römische Reich von ca. 471 – 526 n. Chr..

In vierzehn schön gegliederten Kapiteln erfahren wir vom wechselvollen Schicksal der (Ost)Goten vom späten 4. Jh. Bis zum Untergang ihres Reiches um 552 n. Chr..

Zu Beginn wird versucht die Herkunft der West- und Ostgoten anhand von Zuwandererströmen und Landkarten herzuleiten.
Kein einfaches Unterfangen, da die Anfänge nicht wirklich schriftlich dokumentiert sein. Die meisten bekannten Tatsachen (?) sind aus zweiter, manchmal auch aus dritter Hand. Nicht zu vergessen, dass die Goten kein Volk im genetischen Sinne sind. Sie gehören unterschiedliche Clans an, die sich im Bedarfsfall zu einer Kriegergemeinschaft zusammenschlossen.

Obwohl es recht spannend ist, wie sich Theoderich der Große (Es gab mehrere gotische Fürsten dieses Namens, was leicht zur Verwirrung beitragen kann.) vom Anführer einer, nun sagen wir es deutlich, reitenden Räuberbande bis zum König über das Weströmische Reich entwickelt, wirkt die Person recht farblos auf mich. Ja, er erschlägt Odovaker (Wiemer wählt den latinisierten Namen) eigenhändig und beendet die duale Herrschaft.

Was Theoderichs Herrschaft so interessant macht, ist eine Art „Gewaltenteilung“. Die Goten sind für die Sicherung der Grenzen und die Außenpolitik zuständig, die besiegten Römer für die Verwaltung inkl. Steuereinhebung und den wirtschaftlichen Wohlstand. Er akzeptiert die Römischen Lebensart und fordert dies auch von seinen Kriegern.

„Denn euch nützt es, wenn die Römer in Ruhe leben: Während sie unsere Kassen füllen, vervielfachen sie eure Donative“ (S. 226).

Mit diesem Balanceakt verschaffte er dem Weströmischen Teil des Imperiums noch einmal eine Zeit der politischen und ökonomischen Stabilität.

Theoderich gewährt die im weitesten Sinne Religionsfreiheit (ausgenommen hiervon sind nur heidnische Kulte), die auch die Juden miteinschließt denn,
„Wir können das Bekenntnis (religio) nicht befehlen, weil niemand sich zwingen lässt, gegen seinen Willen zu glauben.“ (S. 509)

Welch eine Einsicht! Allerdings darf dies nicht als „Toleranzpatent“ oder ähnliches gesehen werden. Theoderich wollte keinen Glaubenskrieg in seinem Reich.

Seine kluge Politik erstreckt sich auch auf eine, auf Hochzeiten basierende Bündnispolitik. Lange vor den Habsburgern und ihrer „Tu Felix Austria Nube“-Politik, weiß Theoderich um die Stärke familiärer Bindungen zu anderen Germanenreiche, vor allem im westlichen Mittelmeer. Auch mit dem Oströmischen Reich und seinem Basileus verbindet ihn, ein, wenn auch nicht ein rechtlich klares, zumindest friedliches Verhältnis. Fast dreißig Jahre herrscht besonnener Friede.

In den letzten Jahren seiner Herrschaft beginnen die Probleme, die letztlich zum Untergang seines Reiches in Italien führen: Da sind zum einen recht willkürliche Todesurteile gegen Römische Senatoren wie Boethius (524 n. Chr.) und Symmachus (526 n. Chr.), die die Oberschicht gegen ihn aufbringen. Auch der Tod des Papstes Johannes I. in seiner Gefangenschaft, stößt die katholische Kirche vor den Kopf.
Einige seiner, durch Heiraten zustande gekommenen, Bündnisse mit anderen Germanenstämmen, scheitern Das Unvermögen, rechtzeitig einen Nachfolger zu benennen und den aufzubauen tut ein Übriges dazu, dass das komplexe Machtgefüge – das Reich erstreckt sich immerhin auch auf Südfrankreich und Spanien – in zwei Jahrzehnten nach Theoderichs Tod wieder zerfällt.

Was bleibt also von Theoderich dem Großen?

1. Das Papsttum wird unter Theoderichs Herrschaft vom Ostrom unabhängig. Er gewährt Religionsfreiheit, wahrscheinlich deswegen, weil er und seine Goten im Sinne der Katholische Kirche eigentlich als Ketzer gelten.
2. Er ist einer der wenigen, deren Leben in die Sagenwelt eingeht. Als „Dietrich von Bern“ ist er vielen ein Begriff. Die deutsche Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts adoptierte ihn quasi als „Vorläufer“ eines deutschen Herrschers, ähnlich wie Arminius.

3. Seine Bautätigkeit nicht nur in Ravenna, aber besonders dort. Millionen von Touristen bestaunen jedes Jahr Theoderichs Grabmal und die von ihm errichteten Sakralbauten wie Sant’Apollinare Nuovo.

Meine Meinung:

Der Autor beschreibt das wechselvolle Schicksal der (Ost)Goten vom späten 4. Jh. bis zum Untergang ihres Reiches in Italien 552 n.Chr. detailliert und gekonnt und bleibt sehr nahe an den überlieferten Texten der Quellen, wie z. B. die Schriften von Cassiodor.

Der Schreibstil ist einem Sachbuch angemessen – nüchtern und schnörkellos. Auf Basis der für Theoderichs Zeit gut überlieferten Schriftzeugnisse, präsentiert der Autor eine Vielzahl von Fakten. Das geht natürlich zu Lasten der Lebendigkeit. Ein Ereignis nach dem anderen wird aufgezählt, die Dramatik, die dahintersteckt, ist nur ansatzweise zu ahnen.

Fachleute dieser Epoche werden ihre Freude mit diesem Werk haben, der interessierte Laie könnte unter Umständen ein wenig Mühe mit dem Detailreichtum haben. Gut gefällt mir, dass viele Fotos, Abbildungen und Karten das Buch ergänzen.
Ein ausführliches Literaturverzeichnis, Anmerkung und Stammtafeln ergänzen dieses umfangreiche Werk.

Die Biografie Theoderichs hätte sich eine weite Verbreitung verdient. Doch es ist allerdings zu befürchten, dass dies aufgrund der akribischen Detailverliebtheit des Autors nicht so einfach sein wird.

Fazit:

Ich finde das Buch sehr interessant und gebe ihm gerne fünf Sterne.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Fesselnd bis zur letzten Seite

Frankfurter Schattenjagd
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Frankfurt am Main ist die Hauptstadt der „Föderation der Europäischen Länder“, die nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 und der daraus folgenden Kettenreaktion von Explosionen ähnlicher Kernkraftwerke ...

Frankfurt am Main ist die Hauptstadt der „Föderation der Europäischen Länder“, die nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 und der daraus folgenden Kettenreaktion von Explosionen ähnlicher Kernkraftwerke in Asien, Millionen von Flüchtlingen beherbergen muss. So ist Frankfurt von rund 750.000 Einwohnern auf 8 Millionen angewachsen, was zu logistischen Problemen sondergleichen führt. Wohnraum ist extrem knapp und die Menschen leben in Containern, Kojen und beengten Wohnungen. Und dort, wo Mangel und viele Menschen auf einem Fleck konzentriert sind, ist das organisierte Verbrechen nicht weit. Rivalisierende Banden unterschiedlicher Herkunft machen der Polizei das Leben schwer. Das ist so das Umfeld, in das uns der Autor entführt.

Der junge, deutsch-chinesische Kommissar Xaver Xiang, genannt Dex, muss sich mit einer grausamen Mordserie an Mitgliedern der mongolischen und russischen Mafia beschäftigen. Handelt es sich um einen ganz normalen Bandenkrieg zwischen rivalisierenden Mafiafamilien? Dex und sein Team, das wie die Bevölkerung allgemein aus unterschiedlichen Ethnien zusammengesetzt ist, ermitteln fieberhaft. Doch kaum scheinen sie der Lösung des Rätsels nähergekommen zu sein, finden sie die nächste zerstückelte Leiche.

Dann erhält Dex Unterstützung von einer gänzlich unerwarteten Seite, die auch sein Leben ziemlich durcheinanderbringt. Ist diese Hilfe wirklich so selbstlos oder verfolgt diese Person eigene Ziele?

Meine Meinung:

Autor Dieter Aurass bietet in seinem neuesten Werk einen Krimi der Extra-Klasse. Angesiedelt in der Kategorie „Alternative Geschichtsschreibung“ kann er seiner Fantasie freien Lauf lassen. Dabei flicht er gekonnt aktuelle Themen wie Flucht, unterschiedliche Glaubensbekenntnisse und Ethnien sowie deren Konflikte ein. Allerdings keimt auch die Hoffnung auf, dass die eine oder andere Ursache von Kontroversen durch ein wenig Toleranz von allen Seiten beigelegt werden könnte.

Die Vorstellung, zwecks Identifikation, einen Barcode auf dem Handrücken eintätowiert zu haben, erinnert an die Nummern in den Konzentrationslagern der Nazis. Da ist es mir ein wenig kalt über den Rücken gelaufen, obwohl die Aussicht, die aktuelle Passwortmisere und Zutrittskontrollen mittels implantierten Mikrochip zu beenden, einen gewissen Reiz hätte. Allerdings wären wir dann wirklich die „gläsernen Menschen“. „Big brother is watching you“ schrieb schon George Orwell.

Der Autor stellt uns der Reihe nach die Mitglieder des Ermittlerteams vor. Jede/Jeder hat ein Spezialgebiet, das die Mannschaft zu einem kompakten und effizienten Team vereint. Nicht alle haben eine friktionsfreie Vergangenheit und diese bestimmt nach wie vor ihre Persönlichkeiten und Handlungen.

Der Schreibstil ist, wie wir es vom Autor gewöhnt sind, fesselnd und flüssig. Die Spannung wächst von Seite zu Seite.
Das plötzliche Auftauchen von Lilith lässt die Leser überrascht in eine falsche Richtung denken. Ja, das ist schon ein meisterlicher Griff in die Trickkiste.

Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen und habe es nahezu in einem Stück gelesen. Faszinierend finde ich, dass die Szenarien so echt und lebendig dargestellt sind, dass ich nachdenken musste, ob 1987 wirklich eine „Große Hungersnot“ auf Grund der Atomkatastrophen stattgefunden hat.

Fazit:

Ein neuer Krimi-Stil, ein neues Team – bitte unbedingt mehr davon. Ich kann Dieter Aurass im Allgemeinen und dieses Buch im Besonderen nur ausdrücklich empfehlen. 5 wohlverdiente Sterne.