Aussiedeln mit Kinderaugen
Aussiedeln mit Kinderaugen
Polen, vor allem Oberschlesien, Ende der 1980er Jahre, also nach Tschernobyl ist trist und grau - im Wunderland BRD gibt es Süßigkeiten, Farben ... und vor allem Quelle-Kataloge! ...
Aussiedeln mit Kinderaugen
Polen, vor allem Oberschlesien, Ende der 1980er Jahre, also nach Tschernobyl ist trist und grau - im Wunderland BRD gibt es Süßigkeiten, Farben ... und vor allem Quelle-Kataloge! Das ist zumindest der Eindruck der achtjährigen Ola, der sich nur allzu deutlich beim ersten Heimatbesuch des bereits ausgesiedelten Onkels Marek bestätigt, der nicht nur massenweise Weihnachtsgeschenke, sondern auch Südfrüchte der köstlichsten Art mit sich führt. Da kann das triste, graue Polen nicht mehr mithalten, finden auch Olas Eltern und wandeln einen Besuch im Westen kurzenhand in einen dauerhaften Aufenthalt um.
Ein Weg voller Dornen, der jedoch aus der Sicht von Ola mit so viel Humor beschrieben wird, dass dem Leser auf mindestens jeder zweiten Seite Lachtränen in den Augen stehen. Es gibt massenweise schräge Charaktere, allen voran Olas Oma, eine Lebenskünstlerin, die Wert auf ihr Äußeres legt und in jeder Situation ihre Interessen zu wahren weiß. Doch auch Leidensgefährten wie die ebenfalls ausgesiedelte Familie Ogórek tragen zur Heiterkeit bei, wenn auch nur aus Sicht des Lesers - Ola und ihrer Familie machen sie das Leben häufig eher schwer.
Überhaupt legt die 1981 geborene Autorin ihr Hauptaugenmerk auf soziale Mißstände - nicht jedoch anklagend oder gar mit erhobenem Zeigefinger. Nein, eher beiläufig und aus Olas subjektiver Sicht wird das beileibe nicht einfache Leben der polnischen Aussiedler in Deutschland dargestellt, die oft ablehnende Haltung der Deutschen und vor allem auch der bereits länger hier lebenden Polen aufgezeigt. Von Zeit zu Zeit treibt die gelungene Darstellung der Gegebenheiten - natürlich ebenfalls aus kindlicher Perspektive - dem Leser Tränen der Betroffenheit in die Augen.
Doch das allergrößte Plus: Alexandra Tobor kann über sich selbst lachen - sowohl im kleinen als auch im großen, also das gesamte polnische Volk umfassend. Sätze wie "Eine Polin ließ sich nicht einmal von wurmdicken Krampfadern davon abhalten, in der Öffentlichkeit Bein zu zeigen." (S. 77) zeigen uns die Nachbarn im Osten von einer neuen Seite. Ein absolutes Lesevergnügen und ein Kleinod der Gesellschaftskritik, das quasi beiläufig zur Völkerverständigung beitragen kann. Ich lege dieses im allerbesten Sinne emotionale Buch jedem ans Herz, der Ausländer und fremd ist irgendwo auf der Welt - also eigentlich ausnahmslos allen!