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Veröffentlicht am 12.11.2018

Das Spiel ist eröffnet

Warcross (Band 1) - Das Spiel ist eröffnet
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Zu Beginn meiner Bloggertätigkeit bin ich an keinem futuristischen Jugendbuch vorbeigekommen. Ich habe die manchmal etwas gruseligen Zukunftsvisionen buchstäblich inhaliert – von der ersten bis zur letzten ...

Zu Beginn meiner Bloggertätigkeit bin ich an keinem futuristischen Jugendbuch vorbeigekommen. Ich habe die manchmal etwas gruseligen Zukunftsvisionen buchstäblich inhaliert – von der ersten bis zur letzten Seite. Doch irgendwann fingen sie an, mich zu langweilen. Die Ideen aus den Geschichten tauchten immer und immer wieder auf und verloren somit ihren Reiz. Heute lese ich nur noch sehr selten Bücher aus diesem Genre. Doch hin und wieder habe ich Lust auf ein bisschen Fantasy.

Kürzlich las ich „Warcross – Das Spiel ist eröffnet“ von Marie Lu und bin heute noch froh, dass ich mich von der Beschreibung als Cyberpunk-Jugendbuch nicht habe abschrecken lassen. Alle Bücher, die ein ähnliches Thema hatten, haben mich restlos enttäuscht. Da ich jedoch die Stärken der Autorin kenne, war ich einfach neugierig, wie sie dieses Thema umgesetzt hat.

Virtuelle Welten und die Realität
Das Setting ist ziemlich extravagant, aber nicht weit hergeholt. „Warcross“ ist ein Videospiel, das man eigentlich gar nicht so bezeichnen kann. Es ist eine Lebensform, denn alles dreht sich um dieses Spiel. Sein Erfinder Hideo Tanaka hat dafür einen außergewöhnlichen NeuroLink erschaffen, der seinem Benutzer erlaubt in jede gewünschte virtuelle Welt abzutauchen und die Realität zu vergessen. Und darin lauert eine große Gefahr …

„Es gibt immer noch Leute, die Warcross für nichts als ein albernes Spiel halten. Andere behaupten, es sei revolutionär. Für Millionen von uns dagegen ist es der einzige absolut verlässliche Weg, unsere Probleme zu vergessen.“ Seite 41

Mit dem Spiel lassen sich ganze Arenen füllen, denn die Warcross-WM zählt weltweit zu den größten Events. Auch Emika Chen, die literarische Hauptfigur ist ein riesiger Warcross-Fan. Die begabte Hackerin stolpert durch einen virtuellen Zwischenfall direkt in die Weltmeisterschaft und nun beginnt für sie ein spannendes Abenteuer, das ihr gesamtes Leben verändert.

Viel mehr möchte ich von der Handlung auch gar nicht preisgeben, denn ich kann euch allen nur empfehlen, selbst in diese virtuellen Welten abzutauchen. Auch wenn man (wie ich) überhaupt nichts mit Computerspielen anfangen kann. In diesem Buch warten viele geniale Ideen und eine sehr spannende Handlung auf den Leser.

Eine spannende Handlung und schillernde Kulissen
„Warcross – Das Spiel ist eröffnet“ ist der erste Band einer Dilogie. Diese Tatsache bemerkt man zu Beginn der Geschichte sehr deutlich, denn es hat gut 60 Seiten gedauert, bis die Story an Tempo zunimmt. Hier beweist Marie Lu erneut, wie ausdrucksstark und bildhaft ihr Schreibstil sein kann. Denn die Schauplätze dieser Geschichte werden so detailreich beschrieben, dass ich sie vor meinem inneren Auge sehen konnte. Und nicht nur das. Es war fast so, als wäre ich mittendrin – quasi als stumme Begleiterin.

In den ruhigeren Passagen lernen wir Leser die Hauptprotagonistin Emika Chen kennen, bevor sich die Handlung buchstäblich überschlägt und auf dramatische Weise an Tempo zunimmt. Emika Chen ist eine facettenreiche und interessante literarische Figur, die uns Leser in diesem ersten Teil sicher noch nicht alles von ihrer Persönlichkeit präsentiert hat.

Obgleich ich von der Idee, der spannenden Handlung und den schillernden Kulissen aus „Warcross – Das Spiel ist eröffnet“ völlig fasziniert war, gab es auch ein paar Schwachstellen. Denn das eine oder andere Ereignis war doch vorhersehbar. Auch wie die kleine Romanze, die mit der Handlung verwoben wurde. Trotzdem bin ich sehr neugierig auf den Folgeband. Ich glaube fest daran, dass Marie Lu noch nicht alles aus dieser Geschichte und ihren literarischen Helden herausgeholt hat.

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Veröffentlicht am 05.09.2018

Lizzy is back!

Lizzy Carbon und die Qual der Wahl - Band 3
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Es sind einige Jahre vergangen, seit ich die hormongesteuerte und aufbrausende Lizzy Carbon durch ihre ausnahmezustandsähnliche Pubertät und ihr erstes Wunder der Liebe begleiten durfte. Meine Liebe zu ...

Es sind einige Jahre vergangen, seit ich die hormongesteuerte und aufbrausende Lizzy Carbon durch ihre ausnahmezustandsähnliche Pubertät und ihr erstes Wunder der Liebe begleiten durfte. Meine Liebe zu dieser Ausnahmeprotagonistin ist ungebrochen. Denn die Meisterin des Sarkasmus und Expertin für Fettnäpfchen jeder Art und unüberlegtes Aussprechen von Gedanken ist wie eine Seelenverwandte für mich. Und diese sind im wahren Leben schon sehr schwer zu finden. Nachdem ich einige Höhen und Tiefen mit Lizzy überstanden habe, durfte ich nun den 3. Band „Lizzy Carbon und die Qual der Wahl“ von Mario Fesler lesen.

Die Qual der Wahl
Die Qual der Wahl durchlebt Lizzy in diesem Buch am eigenen Leib. Denn irgendwer scheint es für eine furchtbar witzige Idee zu halten, dass Lizzy sich für die Wahl zur Schulsprecherin zur Verfügung stellt. Plötzlich steht sie auf der Kandidatenliste. Doch Lizzy wäre nicht Lizzy, wenn das das einzige zu lösende Problem wäre. Nebenbei stehen noch der Scheidungskrieg ihrer Eltern, eine große Liebe auf Distanz und eine beste Freundin mit mörderischen Absichten an. Wie und ob Lizzy Carbon diese Probleme löst, erfahren wir in dem 3. Band dieser Reihe.

Lizzy Carbon is back!
Wer Lizzy Carbon bereits kennenlernen durfte, weiß, dass sie eine große Begeisterung für zum Scheitern verurteilte Projekte entwickeln kann. Und da man bei solchen Aufgaben reichlich Unterstützung benötigt, heuert sie die altbekannten Mitglieder vom „Klub der Verlierer“ für den Wahlkampf an. Diese sollen Lizzy beim Schulsprechergedöns unterstützen. Denn obgleich sie anfangs auf keinen Fall die Wahl für sich bestimmen wollte, sieht sie darin auch eine wunderbare Möglichkeit. Dieser Wahlkampf soll für eine ganz bestimmte Person zur besonderen Qual werden.

In gewohntem Stil führt uns Lizzy Carbon durch ihr manchmal chaotisches Leben. Chaotisch ist vielleicht etwas untertrieben. Denn für Lizzy beginnt gefühlt eine Art Apokalypse, als sie ihren Namen auf der Kandidatenliste findet. Und wir Leser dürfen dank ihrer enthaltenen Tagebucheinträge, auch in diesem dritten – vorerst letzten Band – hautnah dabei sein. Aber nicht nur das. Wir leiden und erleben mit ihr die Qual der Wahl und die Qual ein Scheidungskind zu sein. Jedoch konnte ich in diesem Fall nicht ganz mitziehen, weil Lizzy sich oft selbst im Weg steht und manches Problem selbst heraufbeschwört. Trotzdem konnte ich es durchaus verstehen, dass sie bestimmte Ängste in Wut umwandelt, weil sie diese anders nicht filtern kann. Wahrscheinlich hatte ich aus diesem Grund etwas Anlaufschwierigkeiten mit dem Buch.

Lizzy, die im ersten Band meinem imaginären Zwilling gleicht, hat sich weiterentwickelt. Und zwar in eine Richtung, die ich selbst nie genommen hätte. Jedenfalls fühlte es sich beim Lesen so für mich an. Und doch konnte sie mich nach knapp 50 gelesenen Seiten mit ihrer kämpferischen Art wieder einfangen und für sich gewinnen. Danach entwickelte sich ein Sog, dem ich mich buchstäblich nicht mehr entziehen konnte. Auch wenn es im Vergleich zu den beiden vorherigen Bänden nicht mehr ganz so absurde Erlebnisse gibt, geschehen viele urkomische Dinge. Lizzy beweist ein weiteres Mal ihren Sinn für einen fantastischen Humor.

Vielsagend waren neben Lizzys Problemen auch bestimmte Reaktionen von Lizzys Eltern, ihren Mitschüler und die der Wahlkampfhelfer, die nebenbei beleuchtet wurden. Viele interessante Beziehungsfäden spannen sich neu oder wurden überraschend getrennt, was für mich persönlich sehr unterhaltsam war.

Alles hat ein Ende …
Das Ende kam zu schnell und mit ihm die Frage, ob Mario Fesler mit „Lizzy Carbon und die Qual der Wahl“ alles abgeschlossen hat und die großartige Protagonistin Lizzy ihr chaotisches Leben einfach ohne uns Leser weiterlebt. Für meinen Geschmack bietet ihr Leben noch reichlich Stoff, der unbedingt erzählt werden muss. Jedoch gönnen wir dem Autor Mario Fesler aber auch einfach eine Lizzy-Pause, in der er neue wunderbare literarische Figuren kreieren kann, um irgendwann zu seinen literarischen Wurzeln zurückzukehren und Lizzy Carbon ins nächste Chaos zu stürzen.

Ich glaube fest daran, dass jeder Leser gerade wegen der Mischung aus bedeutsamen jugendlichen Themen die drei Lizzy Carbon Bände anders bewerten wird. Denn jeder hat ganz unterschiedliche Erfahrungen in seinem Leben gemacht und kann sich mit Lizzy und ihren Problemen identifizieren. Mein absoluter Favorit ist „Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer“. Nicht zuletzt wegen dem herrlich erfrischenden Sarkasmus, den die literarische Hauptfigur dort an den Tag legt. Empfehlen kann ich sie dennoch alle, denn Lizzy ist einfach eine besondere Persönlichkeit, die sich auf humorvolle Art durch ihr Leben kämpft.


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Veröffentlicht am 17.06.2018

Ein schönes Vorlesebuch

Der Räuber Hotzenplotz: Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete
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Ist es besser, wenn man unvoreingenommen an Bücher herangeht?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die eine oder andere Geschichte sehr davon profitiert. Besonders Kinderbücher erleben wir Erwachsenen ja ...

Ist es besser, wenn man unvoreingenommen an Bücher herangeht?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die eine oder andere Geschichte sehr davon profitiert. Besonders Kinderbücher erleben wir Erwachsenen ja oft anders, als die eigentliche Zielgruppe. Hinzu kommt, dass die Geschichten, die die eigene Kindheit bereichert haben, oft mit den moderneren verglichen werden. Doch haben Geschichten wie „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ von Otfried Preußler überhaupt den Hauch einer Chance gegen die klassischen Vorgänger, die viele Leser ein Leben lang begleiten, weil sie die vergangene Kindheit und ein Stück weit heile Welt symbolisieren? Vermutlich nicht…

Man nehme ein Theaterstück eines bekannten Autors und wandle es in ein Vorlesebuch für Kinder um …

Was dabei herauskommt, darf man unter anderem in „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ von Otfried Preußler nachlesen. Dieses Kinderbuch hat, bezüglich der ersten Reaktionen, bereits einiges einstecken müssen. Oftmals wurde diese Geschichte – wie zu erwarten war – mit seinen Vorgängern verglichen. Wir durften jedoch ganz unvoreingenommen herangehen, denn weder mein Sohn noch ich haben jemals eine Geschichte von Räuber Hotzenplotz gelesen. Deswegen fieberten wir dem Ausbruch des Räubers entgegen.

Der berüchtigte Räuber Hotzenplotz ist aus dem Gefängnis ausgebrochen
Und da setzt die Handlung an. Wachtmeister Dimpfelmoser läuft aufgeregt umher, um den Geflohenen zu fassen. Tatkräftige Unterstützung bekommt er dabei von Seppel und Kasperl, denn diese beiden Burschen sind sehr kreativ und es scheint fast so, als würden sie sich nicht zum ersten Mal furchtlos gegen einen Räuber stellen, um ihm das Handwerk zu legen. Kurzerhand entwickeln sie einen Plan, um Hotzenplotz erneut hinter Schloss und Riegel zu befördern.

Ob und wie es Kasperl und Seppel mit einer List gelingen wird, den Räuber zu fassen, erfahren wir Leser auf den insgesamt 60 Seiten, die sich bestens zum Vorlesen, aber auch für die noch nicht allzu geübten Leser eignen. Für uns hatte diese Geschichte genau die richtige Mischung aus wortwitzigem Text und schwungvollen Illustrationen. Auch die Botschaften, die zwischen den Zeilen mitschwingen, sind klar: Das Gute siegt am Ende über das Böse. Nicht zuletzt, weil die Guten einfach schlauer und mutiger sind.

Mein 3-jähriger Sohn lauschte mit großer Neugierde, als ich ihm von dem berühmt berüchtigten Räuber vorlas, und hatte wirklich seinen Spaß daran. Eines ist mir beim Lesen jedoch etwas negativ aufgefallen. Schließlich hat ja jeder eine gewisse Vorstellung, was ein Räuber für sein Handwerk mitbringen muss. Da reicht es eben nicht aus, sich nur mit einer Pfefferpistole zu bewaffnen. Im Vorfeld hatte ich mir erhofft, dass Hotzenplotz etwas trickreicher und listiger wäre. Denn irgendwie kam mir der Prozess „Gut besiegt Böse“ viel zu einfach abgehandelt vor. Trotzdem hatte auch ich Spaß an diesem Kennenlernen.

Hat dieses Buch den Anspruch, die klassischen Geschichten fortzusetzen?
Vielleicht sollte man es doch lieber als eine eigenständige und etwas modernere Geschichte ansehen, die man gut zum Anlass nehmen kann, um die alten Geschichten des Räuber Hotzenplotz wieder hervor zu kramen. Oder wie wir – sie völlig neu zu entdecken.

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Veröffentlicht am 27.04.2018

Eine gelungene Sammlung von interessanten Themen

Was hörst du hier? - Meine Welt
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In unserem Haushalt wurden schon einige Soundbücher getestet und die Begeisterung für diese Form der Unterhaltung ist ungebrochen. Aus diesem Grund sind wir immer wieder auf der Suche nach etwas Neuem. ...

In unserem Haushalt wurden schon einige Soundbücher getestet und die Begeisterung für diese Form der Unterhaltung ist ungebrochen. Aus diesem Grund sind wir immer wieder auf der Suche nach etwas Neuem. Die „Was hörst du hier?“ Reihe begleitet uns jetzt schon eine ganze Weile und wir sind immer wieder aufs Neue gespannt, welchem Thema sich der Verlag arsEdition im nächsten Buch annimmt. Unsere Bücher aus dieser Reihe beschäftigten sich immer mit einem sehr umfangreichen Thema, wie zum Beispiel Fahrzeuge. In dem kürzlich erschienenen „Was hörst du hier? - Meine Welt“ gibt es jedoch viele Themen, die abgehandelt werden.

Schlägt man das Buch auf, wird man in das Thema Kita eingeführt. Die Doppelseiten sind wie gewohnt gestaltet: Es gibt eine Sachbuchseite, die viele qualitativ hochwertige Fotografien von verschiedenen Szenarien aus der Kita mit einem ergänzenden Text, der mit wenigen Worten präzise die unterschiedlichen Situationen erklärt. Auf der zweiten Seite befinden sich etwas größere Fotografien von Gegenständen und Kindern, die mit den passenden Sounds unterlegt und per Knopfdruck leicht auszulösen sind. Bevor man diese Geräusche auslösen kann, muss man zuerst die Seite über einen roten Knopf aktivieren. Beide Seiten sind zusätzlich mit passenden Illustrationen und Farben ergänzt worden, die sich unauffällig und stimmig einfügen.

Nachdem wir viele Situationen und Geräusche aus der Kita entdeckt haben, durften wir vieles über die interessanten Themen "Zu Hause", "Auf dem Land", "In der Stadt", "Im Park", "Baustelle" und "Musik" erfahren. Wobei mein Sohn besonders von dem Thema Musik angesprochen wurde. Hier sind einige Instrumente aufgeführt und abgebildet, die mit wunderbaren Einspielungen von kleinen Musikstücken unterlegt sind. Hierzu würden wir uns ein komplettes Buch wünschen.

Das stimmige und gelungene Gesamtkonzept der „Was hörst du hier?“ Reihe wird auch in diesem Band fortgesetzt. Jedoch haben wir auch ein paar Punkte, die uns nicht so gefallen haben. Einige Sounds konnten wir nicht ganz klar zuordnen. Besonders aus dem Thema „Zu Hause“. Hier könnte der Mixer auch als Fahrzeug gewertet werden und die Waschmaschine habe ich auch nur mit viel Fantasie herausgehört. Aber das ist nur mein persönliches Empfinden und meinen Sohn stört dies in keinster Weise. Einen Tipp gäbe es noch zu diesem Thema: Der abgebildete Wecker ist nicht mehr ganz zeitgemäß. Vielleicht findet man dafür einen etwas moderneren Gegenstand.

Das Kinderbuch „Was hörst du hier? - Meine Welt“ enthält eine gelungene Sammlung von Themen, die besonders die kleineren Leser täglich beschäftigen. Mit naturgetreuen Sounds, informativen Sachbuchwissen und hochwertigen Fotografien dürfen sie spielerisch die Welt um sie herum in Buchform erkunden.

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Veröffentlicht am 20.04.2018

Eine interessante und bewegende Zeitreise

Kranichland
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Es ist schon erstaunlich, wie schnell wir Menschen vergessen. Vor vielen Jahren saß ich während eines Pioniernachmittags im Klassenraum, der mit Bildern von Erich Honecker geschmückt war und eine Lehrerin ...

Es ist schon erstaunlich, wie schnell wir Menschen vergessen. Vor vielen Jahren saß ich während eines Pioniernachmittags im Klassenraum, der mit Bildern von Erich Honecker geschmückt war und eine Lehrerin erzählte uns, wie bedeutend und wichtig es sei, dass man in die Partei eintritt. Mein Alltag in der DDR war unbeschwert – ich kannte nichts anderes. Und was sich hinter den Kulissen abgespielt hat, habe ich als Kind nicht mitbekommen. Den Mauerfall erlebte ich wie im Rausch und plötzlich wurden Dinge wichtig, für die ich mich vorher nie interessiert habe. Alles war möglich … Irgendwann war dieser Rausch vorbei und ich fragte mich, was ich in meiner Vergangenheit alles nicht mitbekommen habe. Die Lehrer, die nun nicht mehr von ihrer Parteitreue berichteten, blieben und in mir wuchs die Neugier. Ich begann mich mit den Schicksalen und Begebenheiten der damaligen Zeit zu beschäftigen und tue es auch heute noch gerne. Aus diesem Grund stach mir „Kranichland“ von Anja Baumheier sofort ins Auge. Diese Geschichte versprach ein packendes Familienepos zu sein, in Zeiten als Deutschland noch geteilt war.

„Kranichland“ umfasst mit der Erzählung eines Schicksals, welches eine gesamte Familie betrifft, fast achtzig Jahre der deutschen Geschichte. Die Handlung ist in zwei Erzählstränge unterteilt: damals und heute. Man könnte es als ein riesiges Puzzle beschreiben, das achtlos auf den Boden geworfen wurde und nun muss man alle Teile selbst zusammensuchen, um das ganze Bild zu sehen. Nur, dass dieses Puzzle hier ein großes Familiengeheimnis beherbergt, welches sich zu einem ungeahnten Ausmaß ausbreitet. Mit jedem Kapitel erhält man neue und sehr interessante Details, die die gesamte Handlung sehr unterhaltsam machen.
Gut recherchiert und aufgearbeitet sind dabei die verschiedenen historischen Ereignisse, die als Rahmen für dieses gelungene Familienepos dienen. Viele Aspekte der damaligen Zeit sind aufgegriffen worden und mit der Handlung verwoben. Wir Leser erfahren vieles über den Krieg mit seinen Bombennächten und das Leid, welches er mit sich gebracht hat, aber auch einiges über den Wiederaufbau und die Geschichte der DDR. Für mich waren vor allem die Geschehnisse in Zeiten des geteilten Deutschlands am interessantesten.

Die Handlung ist rund um eine literarische Figur aufgebaut, die zwar immer präsent ist, aber nie in größeren Passengen erzählt, was ihr wiederfahren ist. Vielmehr erfahren wir einiges über Marlene von allen anderen Protagonisten, die auf schicksalshafte Weise miteinander verbunden sind. Schwerpunkt dieser Geschichte sind jedoch der Alltag und die Umstände in der DDR. Marlene und ihre Schwester Charlotte bieten hierfür einen wunderbaren Kontrast: Charlotte ist linientreu und brennt für den Sozialismus, genau wie ihr Vater Johannes, der bei der Staatssicherheit tätig ist. Marlene hingegen hinterfragt viele Dinge, die im Namen des Sozialismus geschehen und verliebt sich in einen Pfarrersohn, der ähnlich kritisch ist. Beide sehnen sich nach Freiheit und begeben sich dafür auf einen sehr gefährlichen Weg.

Die Autorin Anja Baumheier beschreibt mit einem sehr eindringlichen Stil die bewegenden Ereignisse rund um die authentischen literarischen Figuren. Die historischen Begebenheiten und Umstände dosiert Anja Baumheier so, dass es für den Leser nicht zu erdrückend ist, obgleich sie nichts beschönigt. Jedoch gab es für mich einige wenige Szenen, die für meinen Geschmack künstlich sentimental und etwas geschwollen dargestellt worden sind. Zum Glück blieben diese überschaubar und beeinträchtigten nicht den Lesefluss.

Obgleich sie mich auch sehr aufgewühlt hat, konnte ich die kleine Zeitreise mit „Kranichland“ und der Familie Groen wirklich genießen.

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