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Veröffentlicht am 30.04.2018

Verlorene Heimat

Letzte Fahrt nach Königsberg
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Ella Aschmoneit ist in Königsberg aufgewachsen. Ihre Kindheit und Jugend ist behütet. Das Elternhaus großbürgerlich. Doch Ellas geliebter Vater stirbt viel zu früh und die in geschäftlichen Dingen völlig ...

Ella Aschmoneit ist in Königsberg aufgewachsen. Ihre Kindheit und Jugend ist behütet. Das Elternhaus großbürgerlich. Doch Ellas geliebter Vater stirbt viel zu früh und die in geschäftlichen Dingen völlig überforderte Mutter muss den Weinhandel und die Villa aus Geldnot verkaufen. Ein erster Einschnitt in Ellas Leben, sie kann nicht weiter die Schule besuchen und ein Medizinstudium ist nun aus finanziellen Gründen ausgeschlossen. Doch das wird nicht der letzte Einschnitt in ihr Leben bleiben. In den noch unbeschwerten frühen 30iger Jahren ist schon das kommende Unheil zu spüren.
Der Roman ist von der Familiengeschichte des Autors inspiriert. Die Hauptfigur Ella ist eine lebenslustige sympathische Frau, die ein-zweimal in ihrem Leben eine falsche Entscheidung getroffen hat. Das eine ist die Heirat mit Heinrich, einen älteren, gebildeten Mann, der nicht ihre große Liebe ist, von dem sie sich aber Unabhängigkeit und Sicherheit verspricht. Ella ist sehr gut gezeichnet, ihre Entwicklung von der aufmüpfigen Schülerin bis zur durch das Schicksal gereiften Frau hat mich sehr berührt.
Ulrich Trebbins „Letzte Fahrt nach Königsberg“ spielt auf zwei Ebenen, in Rückblicken erleben wir Ellas Jugend, ihre Freunde, erste Liebeleien und unbeschwerte Ausflüge ins Samland und auf die Kurische Nehrung. Die zweite Zeitebene ist in hauptsächlich 1945 in Potsdam angesiedelt. Von dort aus unternimmt Ella auch die waghalsige, titelgebende letzte Fahrt nach Königsberg, um der hungernden Familie noch die eingekochten Vorräte aus dem heimischen Keller zu retten.
Die Rückblicke in die Vergangenheit werden von einer sommerlichen Heiterkeit getragen, sie sind ausführlich erzählt, manchmal schleichen sich auch Wiederholungen und etwas zu ab- und ausschweifende Begebenheit ein. Das hat aber mein Lesevergnügen nur unwesentlich geschmälert. Sie bringen in ihrer Unbeschwertheit die nachfolgenden dramatischen Ereignisse in den letzten Kriegsmonaten erst richtig zur Geltung. Der Treck aus dem Osten in die noch unbesetzten Westgebiete, Dauerbombardement, Hunger und Entbehrungen. Ella und ihre Familie teilen das Schicksal vieler Vertriebener und Heimatloser. Dazu immer in Hintergrund Ellas Trauer um ihre erste große Liebe.
Ich habe den Roman ausgesprochen gern gelesen, ein persönliches Schicksal bringt mir das Zeitgeschehen näher, als es einem Sachbuch möglich wäre. Dazu hat sicher auch der wahre Kern der Geschichte beigetragen. Die Figuren und ihre Schicksale wirken authentisch, genauso wie die Beschreibung des alten Königsbergs und der ostpreußischen Landschaft. Mir scheint sehr genau recherchiert zu sein und tatsächlich erstand mir ein farbiges Bild vor Augen.



Veröffentlicht am 24.04.2018

Cold Case

Schwarzes Watt
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Es hätte ein unbeschwerter Nordseeurlaub sein sollen, den Ina mit ihrer Familie in St.Peter-Ording verlebt. Doch dann erkennt sie den Mann, der vor mehr als 20 Jahren ihre kleine Schwester erschlagen hat. ...

Es hätte ein unbeschwerter Nordseeurlaub sein sollen, den Ina mit ihrer Familie in St.Peter-Ording verlebt. Doch dann erkennt sie den Mann, der vor mehr als 20 Jahren ihre kleine Schwester erschlagen hat. Sie hatte die 16jährige Nelly nur eine kurze Zeit allein am Elbstrand gelassen, als sie mit Getränken zurückkam, lag ihre Schwester erschlagen im Sand. Ein zuckender Blitz erhellte für einen Augenblick das Gesicht des Täters, dass sich Ina eingebrannt hat. Doch niemand will ihr so recht glauben, der Beschuldigte ist ein bekannter und wohl beleumundeter Pastor und Ina hat in der Vergangenheit schon öfters Männer als Täter wiedererkannt und zu Unrecht beschuldigt. Deshalb wirkt sie, auch durch ihre Wutausbrüche, eher unglaubwürdig.
Theo Krumme von der Kripo Husum müsste eigentlich die Anzeige zur Seite legen, aber es gibt etwas, was ihn daran hindert. Das ist sein Bauchgefühl.
Neben dieser spannenden, psychologisch sehr schlüssig und dicht erzählten Handlung gibt es immer wieder Rückblenden in frühere Jahrhunderte. Ein junges Mädchen mit langen schwarzen Haaren taucht immer dann auf, wenn Mädchen oder Frauen Opfer von Gewalt werden. Auch Ina kann diese Gestalt sehen, doch niemand sonst nimmt sie wahr. Diese Ausflüge ins Rätselhaft-Mystische sind für mich in einem Krimi ganz ungewohnt gewesen, aber es hat mir gut gefallen.
Ebenso hat mich der Aufbau der Geschichte überzeugt. Hendrik Berg macht es richtig spannend und dann gibt es noch kleine vergnügliche Szenen oder Nebenhandlungen dazwischen. Für diese gelungenen Einschübe ist meist ein riesiges Fellbündel namens Watson verantwortlich. Ein Hund, der Theo Krumme manchmal alt aussehen lässt. Aber kaum haben mich diese humorvollen Geschichten entspannt, zieht der Autor die Spannung wieder kräftig an. Das hat mir gut gefallen, damit hat mich Hendrik Berg so richtig gepackt und ich wollte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.
Theo Krumme als Kommissar und seine Kollegen haben mir gut gefallen, überhaupt waren alle Figuren gut charakterisiert. Ich konnte Ina gut verstehen, war aber auch ganz auf Seiten der genervten Ermittler.
Das Ende war ein echter Paukenschlag und ich hatte schon lange keinen Krimi mehr gelesen, wo ich bis zur letzten Seite im Dunklen tappte.

Veröffentlicht am 22.04.2018

Mörderisches Manuskript

Krokodilwächter
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Julie Stender, eine junge Studentin, wird in ihrer Wohnung ermordet. Ihr Gesicht durch Schnitte verunstaltet. Ein brutaler Tod, der die Bewohner des kleinen Mietshauses in Kopenhagen verstört. Besonders ...

Julie Stender, eine junge Studentin, wird in ihrer Wohnung ermordet. Ihr Gesicht durch Schnitte verunstaltet. Ein brutaler Tod, der die Bewohner des kleinen Mietshauses in Kopenhagen verstört. Besonders Esther de Laurenti, eine pensionierte Unidozentin und Besitzerin des Hauses, denn die Vorgehensweise scheint direkt aus ihrem Romanmanuskript zu kommen. Die Manuskriptseiten wurden nur in einer Schreibgruppe diskutiert, wer könnte also Esthers Romanidee zur Vorlage eines Mordes benützt haben?

Es gibt viele Spuren und viele Verdächtige in diesem raffiniert und kompliziert aufgebautem Thriller. Wobei es für mich eher ein Ermittlerkrimi als ein Thriller war, was ich persönlich sogar sehr positiv fand. Für den Thrill sorgten die Texteinschübe aus Esthers Manuskript, die ein beängstigendes Bild von Opfer und Täter zeichnen. Jeppe und Anette, zwei Kopenhagener Ermittler versuchen den Kreis der Verdächtigen einzuengen, wobei Jeppe viel Raum für seine persönlichen Dramen erhält.

Das Figurenpanorama ist sehr vielschichtig gezeichnet, die Autorin gibt allen Protagonisten eine sehr spannende und realistische Biografie mit. Ganz besonders bleibt mir die alternde und im Grunde einsame Esther im Gedächtnis. Die Kapitel des Buches sind nach den Ermittlungstagen aufgeteilt und Tag für Tag kann die Autorin die Spannung steigern und ihrem Buch noch eine neue Wendung geben. Das Katz und Maus Spiel zwischen Mörder und Polizei ist raffiniert angelegt. Erst ganz zum Ende hin, werden alle Fäden zusammengefügt. Esther selbst, in ihrer Rolle als Autorin sagt auf Seite 333: "Einen Krimi zu schreiben ist ungefähr ähnlich schwierig wie der Versuch, einen Zopf aus Spinnweben zu flechten; tausend Fäden kleben an den Fingern und reißen, wenn man sich nicht konzentriert." Ich fand allerdings, dass der Autorin einige Fäden entgangen sind, denn ein – zwei offene Fragen sind mir geblieben.
Das Buch ist als Auftakt einer Reihe angelegt und den Debütband fand ich sehr vielversprechend, ich bin gespannt , wie sich vor allem das Ermittlerduo weiter entwickelt.

Der Diogenes Verlag ist bekannt für seine Covergestaltung. Dieses Mal ist ein wirklich außergewöhnliches Titelbild gelungen. Der Schutzumschlag ist mit Schnitten versehen, die den Blick auf das rote Einbandleinen freigeben. Der Bezug zum Inhalt ist damit auf eine außergewöhnliche Weise gelungen. Für mich das schönste Buchcover, das ich in letzter Zeit in der Hand hatte.

Veröffentlicht am 20.04.2018

Heiße Spur

Steirerquell
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Während der Hochzeitsfeierlichkeiten eines Kollegen hört Sandra Mohr, LKA Ermittlerin eine Nachricht ihrer besten Freundin erst verspätet ab. Es ist ein panischer Hilferuf, der mitten drin abbricht. Sandra ...

Während der Hochzeitsfeierlichkeiten eines Kollegen hört Sandra Mohr, LKA Ermittlerin eine Nachricht ihrer besten Freundin erst verspätet ab. Es ist ein panischer Hilferuf, der mitten drin abbricht. Sandra ist alarmiert und versucht sofort Kontakt zu Andrea herzustellen, die ein Wellness-Wochenende in einer nahen Therme verbringen wollte. Aber wo und mit wem? Noch während Sandras Privatsuche wird eine verkohlte Frauenleiche gefunden und in der Nähe Andreas Auto.

Sandra Mohr und ihr Vorgesetzter Sascha Bergmann sind ein eingespieltes Team. Kein Wunder, sie ermitteln ja bereits im 8. Fall in Graz und im Grazer Umland.

Claudia Rossbacher hat mit Sandra Mohr eine Ermittlerin geschaffen, die überaus sympathisch daher kommt. Ganz besonders, wenn sie – wie in diesem Fall – auch noch persönlich betroffen ist. Der Schreibstil ist angenehm locker zu lesen und wird immer mal wieder durch ein Dialektwort aufgelockert. Für mich macht das auch den besonderen Charme der Rossbacher Krimis aus. Außerdem kommt auch das Lokalkolorit nicht zu kurz. Dieser Band spielt im steirischen Thermenland und schon die Beschreibungen machen Lust auf die Landschaft.

Die Handlung ist sehr fesselnd aufgebaut, vor allem durch die eingeschobenen Kapitel aus Andreas Sicht. Dadurch bin ich als Leserin der Ermittlerin immer einen kleinen Schritt voraus und das bringt Tempo und Spannung in den Plot, die sich kontinuierlich bis zum dramatischen Finale steigert. Auch die Ermittlerarbeit, die ständigen kleinen Kabbeleien mit Kollegen Bergmann und die zum Teil recht eigenwilligen Zeugen bringen Farbe und Unterhaltung in den Krimi.

Wie immer gibt es auch ein kleines Glossar am Ende des Buches, so können auch wir nicht österreichischen Leser unseren Wortschatz erweitern.
Auch dieses Mal hat mich die Autorin nicht enttäuscht und ich freue mich schon auf einen neuen Fall mit Sandra Mohr.

Veröffentlicht am 02.04.2018

Anrührend

Summ, wenn du das Lied nicht kennst
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Johannesburg 1976, eine unruhige Zeit: die Apartheid steht für Unterdrückung der farbigen Bevölkerung. Aber es rumort immer mehr. Die jungen Südafrikaner wollen nicht länger das Regime hinnehmen, die Aufstände ...

Johannesburg 1976, eine unruhige Zeit: die Apartheid steht für Unterdrückung der farbigen Bevölkerung. Aber es rumort immer mehr. Die jungen Südafrikaner wollen nicht länger das Regime hinnehmen, die Aufstände in Townships nehmen zu und Soweto wird das Sinnbild für die Unruhen werden.

Robin wächst mit ihren Eltern in Wohlstand auf, sie gehören zur englischsprachigen weißen Bevölkerung, das schwarze Hausmädchen Mabel ist ihre Bezugsperson und Vertraute. Robin wird aus jäh aus ihrer Welt gerissen, als die Eltern bei einem Aufstand ums Leben kommen und automatisch das Hausmädchen mit beschuldigt und in der Haft gefoltert wird. Die Tante Edith nimmt Robin auf, kann sich aber nicht um ihre kindlichen Nöte kümmern und ist mit dem traumatisierten Mädchen völlig überfordert.

Beauty Mbali hat ihr Homeland verlassen um ihre 17jährige Tochter Nomsa zu suchen. Sie gehört zu den Schülern, die Demonstrationen gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit organisieren. Nomsa ist in Gefahr und ihre Mutter verzweifelt. Hilfe erfährt sie von Maggie, einer weißen Gegnerin der Apartheid. Sie vermittelt Beauty eine Stelle als Hausmädchen bei Edith, denn ohne Arbeit darf sich keine schwarze Frau außerhalb der Townships aufhalten. So treffen Robin und Beauty in ihrem Schmerz aufeinander.

Die Schüleraufstände von Soweto markieren den Anfang vom Ende der Apartheid. Die Weltöffentlichkeit schaut auf die sinnlose Gewalt gegen Jugendliche. Diese aufgeheizte Zeit ist der Hintergrund für den Roman „Summ, wenn du das Lied nicht kennst“. Mit diesem Roman lässt mich die Autorin an dieser zeitgeschichtlichen Begebenheit teilnehmen und ruft sie mir, jenseits der wenigen Schlagzeilen, die mir noch in Erinnerung sind, ins Bewusstsein zurück. In dem sie zwei Protagonisten in den Mittelpunkt rückt, die jeweils für eine Seite stehen und sie zueinander finden lässt, wird die Sinnlosigkeit der Apartheid noch deutlicher. Der Roman ist sehr bildhaft geschrieben, die lebendige Sprache zieht mich unmittelbar ins Geschehen. Den Emotionen kann ich mich nicht entziehen. Das liegt auch an Erzählweise, die abwechselnd Robin und Beauty zu Wort kommen lässt und ihre Ängste und Hoffnungen thematisiert.

Es gibt Bücher, die ziehen mich gleich nach einigen Seiten völlig in den Bann und lassen mich in die Welt der Protagonisten abtauchen. „Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ ist genau so ein Buch. Ein sehr trauriger und anrührender Roman, der Zeitgeschichte lebendig macht, in dem er die Auswirkungen auf die Menschen zeigt, ganz unabhängig von den politischen Hintergründen.