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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.05.2018

Klasse geschrieben, tolle tiefenpsychologische Thematik

Der Augenblick
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Hauptkommissarin Alexandra Keller muss nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub gleich einen Fall übernehmen, der eine junge Familie ins Unglück stürzt. Ein Baby ist verschwunden und wird Tage später tot aufgefunden. ...

Hauptkommissarin Alexandra Keller muss nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub gleich einen Fall übernehmen, der eine junge Familie ins Unglück stürzt. Ein Baby ist verschwunden und wird Tage später tot aufgefunden. Doch leider bleibt der Fall ungeklärt. Plötzlich stellt sich die Täterin selbst. Und damit beginnt die eigentliche Geschichte.
Dass dies kein normaler „Krimi“ ist, war im Vorfeld bekannt. Es geht um Schuld und Sühne. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, wie dies im Buch umgesetzt wird.
Die Täterin soll vor Verurteilung an einer Studiengruppe teilnehmen. In dieser wird nicht die Tat selbst, sondern das Warum und die Hintergründe der Tat in einer Gruppentherapie besprochen.
Interessant vor allem war, wie so eine Gruppentherapie funktioniert und der Einblick in das tiefenpsychologische Geschehen. Welche Auswirkungen verdrängte Erinnerungen und vieles andere verursachen können, wie man diese be- und verarbeitet, damit man am Ende nicht Täter einer schlimmen Straftat wird. Was sind die eigentlichen Gründe für eine Tat, was war der Auslöser?
In den Gesprächen wird vieles offenbart, man lernt die Charaktere und vor allem die Hauptkommissarin Alexandra Keller genauer kennen. Alle Charaktere sind realistisch dargestellt. Die Autorin vermittelt mir als Laien auf dem Gebiet der Psychologie einen fundierten und verständlichen Einblick, so dass ich als Leser alles gut verstehen und umsetzen konnte.
Besonders der Anfang des Buches mit dem Fall des kleinen Babys sowie das Ende waren sehr spannend kreiert. Alles weitere, was die Hintergründe einer Tat, die Gruppentherapie, die Umstände jedes Einzelnen betraf, waren überaus interessant und fesselnd dargestellt.

Fazit:
Ein überaus interessanter und auch mit Spannung versehener „Krimi“, der eigentlich kein Krimi ist. Aber mindestens genauso spannend und fesselnd. Die Hintergründe und das Warum einer Tat ist ebenso interessant, wie einen Täter zu jagen und bei den Ermittlungen der Kommissare dabei zu sein. Dieses Buch hat mich gerade wegen der tiefenpsychologischen Thematik so gefesselt und begeistert. Selten ein so lehrreiches und interessantes Buch gelesen, welches gleichzeitig so spannend und fesselnd war.
5 Sterne von mir und absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 23.04.2018

Wunderbar und tief berührend

Ein Lied für die Geister
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Landreaux und Emmaline Iron sind Nachbarn und Freunde von Peter Ravich und seiner Frau Nora. Nora ist die Halbschwester von Emmaline, doch die beiden stehen sich nicht sehr nahe. Landreaux und Emmaline ...

Landreaux und Emmaline Iron sind Nachbarn und Freunde von Peter Ravich und seiner Frau Nora. Nora ist die Halbschwester von Emmaline, doch die beiden stehen sich nicht sehr nahe. Landreaux und Emmaline haben 3 eigene Kinder, Snow, Josette, Chooky und La Rose. Bei ihnen lebt auch Hollis, der Sohn von Romeo, der ihn selbst nicht erziehen kann, da er nur Gelegenheitsjobs und Probleme mit Drogen hat. Nora und Peter haben zwei Kinder, Maggie und Dusty.
Eines Tages erschießt Landreaux unbeabsichtigt Dusty bei der Jagd auf einen Hirsch. Unvorstellbar ist die Trauer, die Peter und Nora ertragen müssen. Auch Maggie leidet sehr unter dem Tod ihres Bruders, sie wird rebellisch und kommt mit ihrer Mutter nicht mehr zurecht, die sich in ihrer Trauer nicht mehr um sie kümmern kann.
Emmaline und Landreaux beschließen, ihren eigenen kleinsten Sohn, La Rose, zu opfern und ihn den Raviches als Ersatz für ihren toten Sohn zu übergeben. Dies ist eine uralte indianische Tradition. La Rose hilft Nora sehr bei ihrer Trauer, doch sie kämpft jeden Tag damit, sich nicht in der Scheune zu erhängen. Emmaline und Landreaux leiden wiederum sehr über den Verlust ihres eigenen Sohnes. Doch nach 3 Jahren beschließen sie, sich La Rose zu teilen und so lebt er eine Zeit bei den Raviches und eine Zeit bei seiner eigenen Familie. Eines Tages beschließt Emmaline, La Rose soll nicht mehr zu den Raviches, doch La Rose bringt das durcheinander, ist er es doch gewohnt, die letzten Jahre von einem zum anderen zu wandern. Er möchte weiterhin zu Nora und Peter und so geht die Vereinbarung weiter.
Emmaline und Landreaux sind aus dem Stamm der Ojibwe und sie leben sehr nach der indianischen Tradition. La Rose hießen bereits die Vorahnen von Emmaline, denen eine außergewöhnliche Gabe zugesprochen wird, nämlich dass sie die Geister ihrer Urahnen sehen können. La Rose soll alle wieder zusammenführen und er schafft dies auch, weil alle ihn einfach lieben und er etwas ganz Besonderes ist.
Louise Erdrich beschreibt das Drama des Todes von Dusty, die Trauer der Familie, die Schuldgefühle von Landreaux sowie Emmalines eigene Trauer über die Weggabe ihres geliebten Sohnes La Rose sehr einfühlsam und bewegend. Die Traditionen der Indianer sowie deren Alltag, die Erlebnisse der Kinder sind überaus interessant und liebevoll dargestellt. Der Schreibstil ist außergewöhnlich, mal mitreißend und berührend, dann wieder distanziert, je nach Situation und Gefühlszustand. Perfekt umgesetzt und bewegend erzählt, hat mich dieser Roman sehr eingenommen und zutiefst berührt.
Ein Roman über Verlust, Hass, Trauer und Liebe, darüber wie man wieder zueinander finden kann durch die Liebe, egal was vorher passiert ist.
Fazit:
Ein vom Schreib- und Erzählstil großartiger Roman, bewegend und einfühlsam, der mich tief berührt hat.

Veröffentlicht am 27.02.2018

Einfach klasse

Ein mögliches Leben
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Martin kennt seinen Großvater eigentlich nur von den Geschichten, die seine Mutter ihm erzählte. Doch dann hat er plötzlich mit seinem Großvater Franz Email-Kontakt. Als dieser ihm erzählt, er war ja ...

Martin kennt seinen Großvater eigentlich nur von den Geschichten, die seine Mutter ihm erzählte. Doch dann hat er plötzlich mit seinem Großvater Franz Email-Kontakt. Als dieser ihm erzählt, er war ja in Kriegsgefangenschaft in Amerika und er würde gerne noch einmal alles dort sehen, sagt Martin spontan: Dann lass uns dorthin fliegen. Was er kurz darauf bereit, denn der Alte, wie Martin seinen Großvater meistens nennt, sagt sofort zu.

So machen sich die beiden auf nach Amerika. Martin reist mit Franz an die Orte in Texas, die er seit seiner Kriegsgefangenschaft 1944 nicht mehr gesehen hat. Viele alte Erinnerungen kommen in Franz hoch, Dinge die er glaubte, vergessen zu haben. Er teilt diese Erinnerungen nun mit Martin, der seinem vor kurzem noch so fremden Großvater dadurch immer näher kommt. Franz findet nun endlich Worte für das, was ihm damals zugestoßen ist und wie ihn das alles verändert hat. Martin versteht plötzlich, warum sein Großvater so war wie er war, und welche Auswirkungen dies alles auf die ganze Familie hatte. Umso schöner ist, dass durch diese gemeinsame Reise Franz und Martin sich immer besser kennenlernen und sich endlich nahe kommen.

Hannes Köhler hat mit poetischer Sprache wunderschön die Geschichte vom fast 90-jährigen Franz und seinem Enkel Martin erzählt, die auf Wunsch des Großvaters an die Orte in Texas reisen, an denen Franz 1944 in Kriegsgefangenschaft gewesen war. Es gab zwei Seiten im Lager, die die fest an den Sieg glaubten und die, die nur nach Hause wollte. Sie hatten zwar Essen, mussten aber auf den Feldern arbeiten.

Nicht nur äußerst interessant war die Reise nach Texas, sondern auch die Reise, die Franz und Martin aufeinander zumachten. Durch die früheren Ereignisse, die Erinnerungen von Franz und dadurch, dass er endlich über alles reden konnte, kamen sich Enkel und Großvater endlich näher. Es entstand ein tiefes Verständnis von Martin dafür, wie Franz gewesen war, auch seiner Familie gegenüber, wobei tiefe Gräben entstanden waren. Doch durch diese Reise versteht Martin seinen Großvater, er erfährt so viel über ihn und dadurch öffnen sich seine Augen für viele Dinge, für die er vorher nur Unverständnis hatte. Und nun versteht er auch, warum sein Großvater so ein schlechtes Verhältnis zu seiner Tochter, Martins Mutter, hatte.

Ich selbst habe durch dieses Buch noch sehr viele Informationen, was den Krieg betrifft bekommen, die ich nicht einmal erahnt hätte. Ich wusste z.B. nicht, dass tausende deutsche Kriegsgefangene mit großen Frachtschiffen nach Amerika gebracht wurden, und noch vieles mehr. Somit war dieser Roman nicht nur von der Geschichte und dem Verlauf besonders, sondern auch noch sehr lehrreich.

Fazit:

Ein wunderschön geschriebener Roman über die Vergangenheit, Spuren des Krieges und was dieser den Menschen und Familien angetan hat und wie durch Erinnerungen und vom Erzählen des Erlebten aus dieser Zeit vieles erklärt werden kann, und sich Familien wieder näher kommen.

Veröffentlicht am 27.02.2018

Toller distanzierter Erzählstil, der mich trotzdem sehr berührt hat

Ein schönes Paar
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Herta und Georg lernen sich kennen, verlieben sich und heiraten. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Herta möchte weg aus Plothow, einem Dorf in der damaligen DDR und überredet Georg so lange, bis er zu ...

Herta und Georg lernen sich kennen, verlieben sich und heiraten. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Herta möchte weg aus Plothow, einem Dorf in der damaligen DDR und überredet Georg so lange, bis er zu einem Freund in den Westen fährt, wo er mit Herta und dem gemeinsamen Sohn Philipp leben will. Doch es kommt alles andere und so verbleiben sie noch einige Zeit in Plothow.

Nach einschneidenden Ereignissen verschwindet Herta aus dem Leben von Georg und Philipp. Sie schreibt Ansichtskarten an ihren Sohn, aber ohne jemals einen Absender zu schreiben. Georg und Philipp sind sich selbst überlassen und machen das Beste daraus.

Als erst Georg, kurz danach Herta sterben, begibt sich Philipp als erwachsener Mann auf Spurensuche seiner Eltern. Er findet eine alte Kamera bei den Hinterlassenschaften seines Vaters und die Mutter hat zeitlebens ihre Reisenähmaschine begleitet. Beide Utensilien ziehen sich wie ein roter Faden auch durch den Roman.

Philipp besucht die Orte, an denen sie gewohnt haben, und versucht manches von damals zu rekonstruieren, wahrscheinlich um zu verstehen, was er damals als Junge nicht verstehen konnte.

Zwischen den Dreien herrschte eine unbenannte Stille, ja Wortlosigkeit, es wurde nicht geredet, nicht über Gefühle, nicht über wichtige Ereignisse oder Geschehenes, der Junge lief eigentlich immer nur nebenher, er war nie der ausgesprochene Mittelpunkt der Familie. Aber auch er stellt keine Fragen, kennt er es doch nicht anders seit seiner frühestens Kindheit, Dinge unausgesprochen zu lassen.

Dies war das erste Buch, welches ich von Gert Loschütz gelesen habe. Ich war anfangs irritiert, von dem Erzählstil dieses überaus begabten Autors, distanziert und völlig emotionslos. Ich habe noch nie einen Roman gelesen, der derart gefühllos geschrieben war und mich dennoch tief berührt hat.

Gert Loschütz hat es mit seinem wunderbaren und anspruchsvollen Erzählstil geschafft, alle vorhandenen Emotionen zwischen den Zeilen entstehen zu lassen. Mitfühlend und erschreckend teilweise, durch die augenscheinlich fehlende Liebe ihrem Sohn Philipp gegenüber, der sich dennoch tief verbunden mit seinem Vater Georg fühlte.

Als Leserin hatte ich schnell den Eindruck, dieser Roman sei eine Biographie des Autors selbst. Dies alles wären seine Erlebnisse und Kindheitserfahrungen.

Im Vordergrund stehend ist in diesem Roman die Liebe und die Vergänglichkeit, vor dem Hintergrund der deutschen Teilung, ebenso wie die Teilung des Dorfes, bei der Herta auf der einen Seite und Georg auf der anderen Seite leben.

Fazit:

Ein wundervoller Roman, der durch den einzigartigen Erzählstil des Autors mich begeistert hat. Mit distanziertem und emotionslosem Schreibstil hat der Autor es geschafft, mich tief im Innern zu berühren und gleichzeitig zu begeistern.

Ein nicht nur inhaltlich wertvolles und anspruchsvolles Buch, sondern ebenso äußerlich edel und liebevoll

Veröffentlicht am 08.08.2017

Ein richtig toller Klassiker

Wer die Nachtigall stört ...
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Dieser Roman wird aus der Sicht eines Kindes erzählt. Scout und Jem Finch, anfangs 6 und 10 Jahre alt, leben mit ihrem Vater Atticus, einem Rechtsanwalt, im fiktiven Örtchen Maycomb in Alamaba. Scout berichtet ...

Dieser Roman wird aus der Sicht eines Kindes erzählt. Scout und Jem Finch, anfangs 6 und 10 Jahre alt, leben mit ihrem Vater Atticus, einem Rechtsanwalt, im fiktiven Örtchen Maycomb in Alamaba. Scout berichtet von ihren Erlebnissen, den Menschen in dem kleinen Örtchen, der Schule, ihren Streichen und den Nachbarn. Besonders der direkte Nachbar Boo Radley hat es ihr und ihrem Bruder angetan, da er nie das Haus verlässt, und die beiden ihn noch nie zu Gesicht bekommen haben. Auch ihre Tante Alexandra, die für längere Zeit bei ihnen wohnt und aus Scout eine Lady machen will, da diese immer lieber Hosen als Kleider trägt, sich gern prügelt und auch ansonsten lieber mit Jungen als mit anderen Mädchen spielt, wird beschrieben. Atticus ist ein liebevoller Vater, der voll und ganz auf seine Kinder eingeht, sie wie kleine Erwachsene behandelt. Vielleicht erscheint Scout deshalb teilweise altklug und sehr weit für ihr Alter, was das Verstehen und Beobachten ihrer Umwelt betrifft.


Atticus übernimmt den Fall eines schwarzen Landarbeiters, Tom Robinson, der ein weißes Mädchen vergewaltigt haben soll. Ganz Maycomb ist in Aufruhr, da Schwarze in den 30er Jahren nichts wert waren und der Rassismus hohe Wellen schlug. Wenn ein Schwarzer gegen einen Weißen vor Gericht steht, egal um was es geht, gewinnt immer der Weiße, ohne Frage, so das Credo von damals. Atticus setzt sich sehr für Tom Robinson ein und versucht alles, ihn vor einem schlimmen Urteil zu retten.


„Man kann einen anderen nur richtig verstehen, wenn man in seine Haut steigt und darin umherläuft“.


Harper Lee hat mich mit ihrem ausdrucksstarken, leichten, lebendigen und natürlichem Schreib- und Erzählstil sofort in den Bann gezogen. Die Erzählweise von Scout ist toll getroffen, manchmal altklug wirkend für ihre Alter, kommt auf der anderen Seite auch gut ihre Kindlichkeit zum Ausdruck. Auch ihr Bruder Jem, der in die Pubertät kommt und sein Verhalten sich verändert, wird realistisch dargestellt. Die schwarze Haushälterin Calpurinia, die ihr Herz am rechten Fleck hat, wird ebenso toll dargestellt. Besonders Atticus, ein weiser, mitfühlender und gerechtigkeitsliebender Mann, der alle Menschen gleich gut behandelt , hat hervorgestochen einen beeindruckt. Durch seine zielstrebige Art, sich von nichts und niemandem beeinflussen oder einschüchtern zu lassen, geht er seinen Weg und setzt sich für die Armen und Benachteiligten ein. Wobei nicht alle Mitbürger aus Maycomb Verständnis dafür zeigen.


Ich bedaure sehr, diesen Roman erst jetzt gelesen zu haben. Dieser Klassiker der Weltliteratur ist einfach bemerkenswert. Nachhallend, nachdenklich machend, ergreifend und berührend. Zusätzlich mit warmem Humor behaftet einfach ein wahres Lesevergnügen.


Ein Plädoyer gegen Rassismus, für die Gleichheit aller Menschen, Zivilcourage und Gerechtigkeit. Ein Klassiker, ein Roman welchen man einfach gelesen haben muss. Eine Bereicherung für jeden Lesefreund.