Profilbild von bootedkat

bootedkat

Lesejury Profi
offline

bootedkat ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bootedkat über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.04.2018

Die Schönheit der Details

Die Schönheit der Nacht
0

Claire Costeau ist Mitte vierzig, steht mitten im Leben und ist Madame le Professeur für Verhaltensbiologie. Julie Beauchamp ist Anfang zwanzig, hätte gerne den Mut vor Publikum zu singen und arbeitet ...

Claire Costeau ist Mitte vierzig, steht mitten im Leben und ist Madame le Professeur für Verhaltensbiologie. Julie Beauchamp ist Anfang zwanzig, hätte gerne den Mut vor Publikum zu singen und arbeitet in einem Hotel, bis sie weiß welche Richtung ihr Leben nehmen soll. Beide Frauen sind auf der Suche. Nach Selbstverwirklichung und Freiheit. Als sie sich begegnen, löst das in Beiden die unterschiedlichsten Emotionen, Wünsche und Sehnsüchte aus.

Eigentlich ist Claire angekommen. Sie hat ihren Kindheitswunsch, sich mit Menschen und ihrem Verhalten zu beschäftigen, verwirklicht und hat eine Familie, zu der sie eigentlich gerne nach Hause kommt. Eigentlich, denn hinter der Fassade bröckelt es an den verschiedensten Stellen. Claire und ihr Mann Gilles, ein Komponist, sind sich nicht wirklich treu und eigentlich wollte Claire sowieso nie Kinder haben. Ihr Sohn Nicolas ist mittlerweile erwachsen und als er seine Freundin Julie seinen Eltern vorstellt, beginnt die Handlung sich zu entwickeln.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Claire und Julie erzählt, wobei auch Wechsel im Erzählton vollzogen werden. Claire neigt dazu, das Verhalten ihrer Mitmenschen zu analysieren oder in Gedanken, die entsprechenden Stellen aus ihren Vorlesungen zu rezitieren. Entgegen der möglichen Erwartung, wirkt dies jedoch nicht altklug, sondern eher so, als würde sie sich in die Wissenschaft flüchten, um sich mit bestimmten Alltagssituationen nicht auseinandersetzen zu müssen. Julie ist eher auf sich selbst bezogen. Nicht aus Egoismus, sondern weil sie dabei ist, sich selbst zu finden.

Nina George spickt ihren Roman mit unglaublich vielen Details, ohne jemals die Geschichte zu überladen. Stattdessen entsteht Atmosphäre und man hat das Gefühl sich mitten in der entsprechenden Szenerie zu befinden. Die Sprache wirkt durch den Detailreichtum und die Satzkonstruktion mitunter fast poetisch. Würde man „Die Schönheit der Nacht“ auf das Wesentliche reduzieren wollen, so könnte man davon sprechen, dass sich der Text aus einer Essenz von Begehren, Selbstzweifeln und Salz zusammensetzt. Definitiv ein Buch, das gekostet und nicht verschlungen werden will.

Veröffentlicht am 19.03.2018

Verflochten

Der Zopf
0

Ein Zopf braucht drei Stränge. Laetitia Colombanis Roman erzählt von drei Frauen, die allerdings unterschiedlicher nicht sein könnten. Zufall? Da ist Smita, die in Indien lebt und nicht einmal einer Kaste ...

Ein Zopf braucht drei Stränge. Laetitia Colombanis Roman erzählt von drei Frauen, die allerdings unterschiedlicher nicht sein könnten. Zufall? Da ist Smita, die in Indien lebt und nicht einmal einer Kaste angehört, aber dafür kämpft ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Giulia in Italien, die in der familieneigenen Perückenfabrik arbeitet und bis spät in die Nacht liest. Und schließlich Sarah in Kanada, die versucht Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Drei Frauen, die auf den ersten Blick so gar nichts gemeinsam haben und die dennoch Teil ein und derselben Geschichte sind. Mehr noch, sie alle stehen vor einer Wende in ihrem Leben.

Laetitia Colombanis „Der Zopf“ reißt die drei Frauen aus ihrem gewohnten Alltag und stellt sie vor unbekannte Aufgaben. Die Art und Weise mit der diese drei Frauen ihre jeweiligen Aufgaben angehen, ist bewundernswert und sorgt dafür, dass man sich eigentlich nicht für einen Lieblingscharakter entscheiden kann, sondern mit ihnen allen Dreien mitfiebert und ihnen wünscht, ihre Aufgaben zu meistern. Beinahe beiläufig werden Themen wie Gleichberechtigung, Rassismus und Emanzipation angesprochen und im Rahmen der Erzählung sehr deutlich auf den Punkt gebracht ohne dabei den eigentlichen Geschichten um Smita, Giulia und Sarah Raum zu nehmen. Diese subtile Eindringlichkeit ist es auch, die den Leser zwischendrin aufhorchen lässt. Gepaart mit dem sehr zugänglichen Erzählstil der Autorin entwickelt „Der Zopf“ eine eigene Dynamik, der man sich nicht so leicht entziehen kann.

Der Zopf wird im Laufe des Romans zur Allegorie, die über die verflochtenen Haare, sowie die drei Handlungsstränge hinausgeht. Drei Frauen, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Zwischendurch verflechtet Laetitia Colombani immer wieder Prosa mit Poesie, indem sie die Handlung durch Gedichte unterbricht. Diese Gedichte fügen sich allerdings nahtlos in die Handlung ein und verleihen Sorgen und Hoffnungen der Protagonistinnen Ausdruck.
Trotz der Gattungs- und Perspektivenwechsel verliert der Leser nie den Überblick. Im Gegenteil ist es eher so, dass die Geschichte dadurch an Breite und Tiefe gewinnt und ihr narratives Potenzial erst daraus entwickelt. In Kombination mit Erzählstil und der Handlung an sich ist der Autorin mit „Der Zopf“ ein mehr als überzeugender Roman gelungen.

Veröffentlicht am 24.02.2018

Die Muse und der Löwe

Das Geheimnis der Muse
0

Arazuelo in Andalusien, 1936 und London, 1967. Zwei Städte und zwei Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten leben. Olive Schloss und Odelle Bastien sind beide Kunstschaffende, die eine malt, die andere ...

Arazuelo in Andalusien, 1936 und London, 1967. Zwei Städte und zwei Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten leben. Olive Schloss und Odelle Bastien sind beide Kunstschaffende, die eine malt, die andere schreibt. Zusammengehalten werden beide Erzählstränge durch das Gemälde Rufina und der Löwe, das wiederum eine ganz eigene Geschichte hat. Als das Bild in der Kunstgalerie Skelton, für die Odelle arbeitet, ausgestellt werden soll, beginnt für die junge Frau eine Suche nach dem Hintergrund des Gemäldes.

Dabei ist „Das Geheimnis der Muse“ mehr als nur ein Titel und nimmt 1936 in Andalusien seinen Anfang. Und doch liegt es erst Jahre später an einer jungen Frau, die 1967 in London lebt, es zu entschlüsseln. Der Titel verweist dabei nicht nur auf die Geschichte selbst, sondern repräsentiert sie durch seine Mehrdeutigkeit auch, denn Jessie Burton versteht es meisterhaft, ihrem Text einen doppelten Boden zu zimmern.
Neben der geschickt und spannend konstruierten Handlung, die ihre endgültige Auflösung wirklich erst auf der letzten Seite erfährt, werden die Ereignisse zudem in ihrem historischen Kontext erzählt. So wird der beginnende Spanische Bürgerkrieg 1936 nicht nur erwähnt, sondern nimmt direkten Einfluss auf die Handlung, ebenso wie die Probleme karibischer Einwanderer in Großbritannien 1967. Themen wie Gleichberechtigung, Rassismus und Emanzipation finden in diesem Zusammenhang ihren Weg in die Geschichte ohne im Vordergrund zu stehen. Die Handlungen der beiden Zeitebenen werden abwechselnd erzählt, wobei man sich jedoch dem Eindruck nicht entziehen kann, dass die Zeitebene 1936 der Zeitebene 1967 untergeordnet ist, da Erstere von einem personalen Erzähler, Letztere aber von einer Ich-Erzählerin, nämlich Odelle, erzählt wird.

Was ist eine Muse? Was macht eine Muse zu einer Muse? Der Roman veranlasst nicht nur durch verschiedene, thematisierte Sichtweisen auf die erwähnten Gemälde einen zweiten Blick auf bestimmte Dinge zu werfen, sondern auch durch seine Struktur. Bei genauerer Betrachtung offenbart der Text Tiefe und es wird deutlich, dass er voller Allegorien steckt, vielleicht sogar selbst eine ist. Jessie Burton erzählt in „Das Geheimnis der Muse“ nicht nur eine Geschichte, sie erschafft mit ihren Worten auch vier Bilder. Und auch, wenn diese Bilder 'nur' aus Worten bestehen, gelingt es ihr, sie für den Leser zu echten Kunstwerken werden zu lassen und das macht auch den Roman selbst zu einem Kunstwerk.

Veröffentlicht am 18.01.2018

Was hätte sein können

All die Jahre
0

Eigentlich fängt alles damit an, dass Nora und ihre jüngere Schwester Theresa Ende der 1950er Jahre von Irland nach Amerika auswandern. Nora, um ihren Verlobten Charlie zu heiraten und Theresa, um eine ...

Eigentlich fängt alles damit an, dass Nora und ihre jüngere Schwester Theresa Ende der 1950er Jahre von Irland nach Amerika auswandern. Nora, um ihren Verlobten Charlie zu heiraten und Theresa, um eine Ausbildung als Lehrerin zu beginnen. Der Roman selbst beginnt allerdings 2009, als Noras ältester Sohn Patrick bei einem Autounfall stirbt. Der Verlust des Sohnes veranlasst Nora zurückzublicken, auf das, was ist und auf das, was war bzw. was hätte sein können.

Die Ereignisse aus Gegenwart und Zukunft wechseln ab, sodass sich zwei Handlungsstränge ergeben. In der Gegenwart kann man dabei eine nachdenkliche Nora erleben, in der Vergangenheit eher eine schüchterne, zurückhaltende. Während des Lesens entsteht allerdings nie der Eindruck eines Rückblicks, beide Handlungsstränge sind für sich gegenwärtig, wodurch der Eindruck einer Nacherzählung vermieden wird. Zusätzlich entsteht so eine gewisse Nähe zwischen dem Leser und Nora, da die in der Vergangenheit stattfindende Handlung direkt erzählt wird und nicht über einen Rückblick innerhalb der Geschichte.
J. Courtney Sullivan verknüpft die Ereignisse aus Gegenwart und Vergangenheit dabei so geschickt, dass der Leser Noras Handlungen der Gegenwart anhand der Ereignisse der Vergangenheit nachvollziehen kann und sich aus der Kombination der Handlungsstränge ein ganzes Bild ergibt. Nora ist kein einfacher Charakter, sie ist weder besonders sympathisch, noch besonders unsympathisch. Dennoch entsteht beim Lesen eine gewisse Nähe zu ihr, nicht nur weil sie die Protagonistin ist, sondern auch, weil ihre Handlungen menschlich und nachvollziehbar sind. Das macht auch den Roman stellenweise etwas trocken, eine Schwäche, die der Schreibstil der Autorin und die Konstruktion des Textes allerdings wieder gut zu machen wissen.

Ein Rückblick und ein tödlicher Unfall markieren den Beginn von "All die Jahre" und führen den Leser erst langsam und dann mit einem Knall an die Handlung heran. Durch die Nähe zur Protagonistin wird der Leser somit sofort auf der emotionalen Ebene angesprochen. Die Ansprache auf emotionale Ebener hält jedoch nicht lange an. Dafür wird jedoch bereits zu Beginn deutlich, dass sich das vollständige Bild erst im Laufe des Romans nach und nach zusammensetzt. „All die Jahre“ ist dabei allerdings kein Buch, dass man in einem Rutsch verschlingt, sondern eher ein langsamerer Text den man portionsweise liest. Das liegt nicht an einem etwaigen zähen Erzählstil, sondern vielmehr daran, dass sich die Ereignisse nach und nach entfalten und so an Tiefe gewinnen.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Kriegerin auf Friedensmission

Wonder Woman – Kriegerin der Amazonen
0

Amazonenprinzessin Diana lebt auf Themyscira, einem Ort mit ganz eigenen Regeln. In der Gemeinschaft der Amazonen sind keine Männer erlaubt und Fremde dürfen die Insel nicht betreten. Genau das passiert ...

Amazonenprinzessin Diana lebt auf Themyscira, einem Ort mit ganz eigenen Regeln. In der Gemeinschaft der Amazonen sind keine Männer erlaubt und Fremde dürfen die Insel nicht betreten. Genau das passiert aber, als vor Themyscira ein Schiff sinkt und Diana die einzige Überlebende, Alia, aus dem Wasser zieht. Als nach und nach immer mehr Amazonen schwer erkranken, wird Diana klar, dass Alia die Insel so schnell wie möglich wieder verlassen muss. Das erweist sich allerdings als schwieriger als gedacht, denn Alia ist eine Kriegsbringerin und wird verfolgt …

„Man tritt nicht zu einem Wettlauf an, um zu verlieren.“ Der erste Satz von „Wonder Woman – Kriegerin der Amazonen“ gibt bereits das Motto vor. Für Diana, und für die Geschichte selbst, gibt es nur den Weg nach vorne. Aufgeben liegt der Amazonenprinzessin nicht und so ist es der Charakter der Protagonistin selbst, der die Geschichte voranbringt. Hinzu kommt Leigh Bardugos lockerer Erzählstil, der die 437 Seiten als gar nicht mal so viele erscheinen lässt.

Der Einstieg in die Geschichte ist relativ unvermittelt und die Anfangsereignisse folgen dicht aufeinander. Im Laufe der Handlung wird die Geschichte jedoch etwas langsamer, dabei aber nicht weniger spannend. Mit „Wonder Woman – Kriegerin der Amazonen“ hat Leigh Bardugo einen ausgewogenen Mix aus Mythologie und Popkultur geschaffen und einen würdigen Auftakt für die „DC Icons Series“. Wer allerdings erwartet, den Kinofilm in Buchform vorzufinden, wird enttäuscht, denn hier wird eine andere Geschichte erzählt. Was allerdings durchaus positiv zu bewerten ist, denn um Diana alias Wonder Woman gibt es deutlich mehr Geschichten zu erzählen. Und eine Geschichte um eine Frau, die Konflikten nicht aus dem Weg geht und männlichen Charakteren ab und zu ihre Grenzen aufzeigt, ist nun wirklich nichts Schlechtes.