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Veröffentlicht am 29.04.2018

Lenchen Demuth

Revolution im Herzen
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Lenchen stammt aus ärmlichsten Verhältnissen und als der geliebte Pabbi stirbt, ist sie im kinderreichen Haushalt nur noch eine unnütze Esserin. Ein Zittern, das immer sie immer wieder überfällt, lässt ...

Lenchen stammt aus ärmlichsten Verhältnissen und als der geliebte Pabbi stirbt, ist sie im kinderreichen Haushalt nur noch eine unnütze Esserin. Ein Zittern, das immer sie immer wieder überfällt, lässt sie ungeschickt erscheinen. Mit 8 Jahren läuft sie davon und sucht sich eine Stelle als Dienstmagd in Trier. Ein Zufall führt sie in den Haushalt des Barons von Westphalen. Die Tochter Jenny hat sich sehr für sie eingesetzt.
Die Begegnung mit Jenny wird für Lenchen Demuth zu einem schicksalshaften Ereignis werden. Ihrer beiden Leben werden von nun verknüpft werden. Als Jenny von Westphalen Karl Marx ehelicht, nimmt sie Lenchen mit in den eigenen Haushalt, sie wird mit nach Brüssel und später London gehen und wird ein wichtiger Teil der Familie werden. Aus der anfänglichen Abneigung gegen den „schwarzen Karl“, wie die kleine Lene den Freund des Hauses nennt, wird im Lauf der Zeit etwas ganz anderes.
Helena, Lenchen genannt, Demuth ist eine historische Person, die hier von den Autorinnen als Hauptperson in den Focus gestellt wird. Um Lenchens Geschichte herum erfahren die Leser einiges von Karl Marx gesellschaftspolitischen und philosophischen Ideen. Die Freundschaft zwischen Marx und Engels und ihre Diskussionen um eine neue Gesellschaftsordnung blieben aber an der Oberfläche. Wie überhaupt die historischen Gegebenheiten nicht viel Eingang fanden. Von den Anfeindungen und den Ausweisungen aus verschiedenen Städten war nicht viel zu lesen. Es war eine sehr farbig und detailliert geschilderte Zeit im Umbruch, die Jahre in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Blickwinkel eines Dienstmädchens und ihrer Herrschaft. Auch den Londoner Part fand ich zwar unterhaltsam, aber ich kann nicht beurteilen, wie weit die geschilderten Ereignisse historisch belegt werden können. Bekannt ist ja nur, dass sich Marx nie zu seinem Sohn mit Lenchen bekannte, ja, dass sie ihn sogar als Pflegekind in fremde Hände geben musste. Allzu rosig dürfte Lenchens Schicksal also nicht gewesen sein, aber als ich mich von diesen Überlegungen freimachte, konnte ich den Roman eher genießen. Auch als eine Hommage an eine Frau, die immer im Hintergrund stand und doch dabei war, als Geschichte geschrieben wurde.
Mit Lenchen als Ich-Erzählerin wird der Roman zu einer sehr persönlichen und warmherzigen Geschichte.

Veröffentlicht am 26.04.2018

Schatten über Hortensien

Hortensiensommer
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Johanna kann aus jedem Stückchen Land einen Garten zaubern. Nur die Öde in ihrem Leben kann sie nicht vertreiben. Ihr eigener Garten ist da auch ein Spiegelbild. Nun hat sie ihre Einliegerwohnung vermietet, ...

Johanna kann aus jedem Stückchen Land einen Garten zaubern. Nur die Öde in ihrem Leben kann sie nicht vertreiben. Ihr eigener Garten ist da auch ein Spiegelbild. Nun hat sie ihre Einliegerwohnung vermietet, an einen Berliner Lehrer, der nach Franken versetzt wurde. Fast alles ist ihm gestattet, nur kein Betreten des Gartens. Selbst wenn er nur seinen Liegestuhl ein wenig in die Sonne schiebt, wird Johanna unerbittlich. Aber langsam findet sie ihren Mieter immer sympathischer. Die Abende bei einem Glas Wein auf der Terrasse werden zu einem Fixpunkt des Tages für die unglückliche Johanna. Seit sie erfahren hat, dass die Frau ihres Ex-Mannes schwanger ist, ist ihr Seelenleben in Aufruhr.

Die Tragödie in Johannas Leben hat sie sehr gut zwischen Blumen und Pflanzen versteckt und dass mit Philipp, ihrem neuen Mieter vielleicht ein neues Glück möglich sein könnte, will sie aber nicht wahrhaben.

Ganz besonders die erste Hälfte des Romans hat mir gut gefallen, Johanna, die mobile Gartenfee mit ihrem reichen botanischen Wissen und ihren Macken ist warmherzig geschildert und die Figuren sind samt und sonders liebenswert und sympathisch. Der Sprachstil ist leicht und unterhaltsam, es macht Spaß die Frühlings- und Sommertage in Würzburg zu verbringen. Die Landschaftsbeschreibung ist schön eingebettet.

Doch je mehr sich Johannas Lebenstragödie enthüllt, umso larmoyanter wirkt die Figur. Immer wieder dachte ich: Dramaqueen! Da gab es nur ein Ich – und kein Eingehen auf andere Menschen. Hier wäre vielleicht weniger mehr gewesen. Diesen Sympathieverlust hat Johanna bei mir nicht mehr ganz aufholen können.
Natürlich gibt es ein Happy End, einen wirklich schönen und fast idyllischen Schluss, damit hat mich der Roman dann doch wieder etwas versöhnt.



Veröffentlicht am 23.04.2018

Späte Rache

Spreewaldrache (Ein-Fall-für-Klaudia-Wagner 3)
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Was für eine Idee des Chefs! Als Teambildungsmaßnahme sollen die Kollegen der Polizeidienststelle auf einem Spreebauernhof zusammen wursten. Während Klaudia Wagner und ihre Kollegin mit Widerwillen Speck- ...

Was für eine Idee des Chefs! Als Teambildungsmaßnahme sollen die Kollegen der Polizeidienststelle auf einem Spreebauernhof zusammen wursten. Während Klaudia Wagner und ihre Kollegin mit Widerwillen Speck- und Fleischstücke durch den Fleischwolf drehen, hoffen Sie auf einen Einsatz. Der kommt schneller als sie denken. Ein junger Mann wurde niedergeschlagen und schwer verletzt, es ist ausgerechnet der Sohn der Hofbesitzer.
Im Krankenhaus wird Klaudia sehr schnell klar, dass Daniel wesentlich mehr gesehen hat und weiß, als er sagt, noch kann er sich auf eine Amnesie herausreden. Als einige Tage später ein ermordeter Obdachloser gefunden wird, nah am ersten Tatort und alles auf eine alte offene Rechnung verfeindeter Familien hindeutet, wird die Ermittlung schwierig und spannend.
Spreewaldrache ist der dritte Krimi in der Spreewaldreihe der Autorin. Ich bin froh, dass ich die Vorgänger gelesen habe. So hatte ich noch viele Ereignisse parat und war auch immer auf Stand, wenn es um die privaten Probleme und Konflikte von Klaudia und ihren Kollegen geht. War mir in den ersten zwei Büchern noch diese Nebenhandlung zu viel und zu vordergründig, ist es mir hier nicht mehr so negativ aufgefallen. Entweder habe ich mich inzwischen daran gewöhnt, oder die Personen sind mir inzwischen schon mit allen Macken vertrauter geworden.
Was den Kriminalfall angeht, war er verwickelt und verzwickt, die vielen Personen und ihre verwandtschaftlichen und amourösen Verflechtungen erforderte meine volle Konzentration. Sehr gut hat mir der geschichtliche Hintergrund gefallen. Die Wunden die Wende schlug haben auch Jahrzehnte später noch Auswirkungen und alle Beteiligten geprägt. Klaudia Wagner muss erst die Vergangenheit entschlüsseln um die Gegenwart zu verstehen.
Der Schreibstil ist flüssig, ein solider aufgebauter Krimi, der bis zum Ende spannend bleibt und die Auflösung fand ich logisch.
Spreewaldrache hat mir besser gefallen, als die Vorgänger.

Veröffentlicht am 23.04.2018

Ebbe und Flut

Friesenguru
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Reent Reents – was haben sich die Eltern bloß dabei gedacht – ist inzwischen per Online-Kurs zum Privatdetektiv avanciert. Mit Prüfung selbstverständlich. Deshalb widmet Reents auch zu Beginn seinen Bericht ...

Reent Reents – was haben sich die Eltern bloß dabei gedacht – ist inzwischen per Online-Kurs zum Privatdetektiv avanciert. Mit Prüfung selbstverständlich. Deshalb widmet Reents auch zu Beginn seinen Bericht Phil Marlowe. Er selbst wendet sich an den Leser, denn der Autor dient nur als Berichterstatter und Sprachrohr.

Und nach seinem großen Polen-Abenteuer, von dem er nicht müde wird, dem Leser zu erzählen, wartet ein zweiter Fall auf ihn. Frau Susi Schöpski sucht Tochter Sassi, die in einer Sekte namens Ebbe und Flut abgetaucht ist.

Damit ist schon klar umrissen was der Krimi sein möchte: eine Persiflage auf all die omnipotenten Schnüffler und Ermittler in der Krimiflut. Mit einer guten Portion trockenem friesischem Humor und einer Reihe sehr kauziger, manchmal bewusst überzeichneter Figuren wird dem Leser eine Krimikomödie präsentiert. Ich bin mir nicht ganz sicher, wer die Hauptfigur des Buches ist: Ricky, der kluge Terrier oder die „Innere Stimme“ die Reent leider öfters ignoriert, immer zu seinem Nachteil versteht sich.

Eine nette und ausgefallene Idee, die mich leider nicht so recht packen konnte. Über manchen Wortwitz und ulkige Szene konnte ich mich amüsieren, aber so recht hat mich das nicht durch das Buch getragen. Es hätte für mich ruhig ein wenig mehr Spannung und Tempo vorgelegt werden können.

Gefallen hat mir die Nordsee-Brise die durch die Seiten weht, Küste und die detektivischen Ausflüge nach Wangerooge haben mir richtig Lust auf Meerluft gemacht.

Veröffentlicht am 10.04.2018

Reiseroman

Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte
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Das ist ein Buch, das ins Auge springt. Eine sorgfältige Hardcover Ausstattung, Zeichnungen von exotischen Pflanzen akzentuieren die Buchecken und über dem Titel sieht man einen Herrn in eleganter Reitkleidung ...

Das ist ein Buch, das ins Auge springt. Eine sorgfältige Hardcover Ausstattung, Zeichnungen von exotischen Pflanzen akzentuieren die Buchecken und über dem Titel sieht man einen Herrn in eleganter Reitkleidung mit Hut und Reitgerte auf einer Schildkröte. So wird der Titel „Louis oder der Ritt auf der Schildkröte“ symbolisiert.
Louis de Montesanto scheint auf der Höhe seines Ruhmes zu sein. Ein gefragter Redner vor Londoner Publikum, Liebling der Presse und der Society. Sein Buch wurde ein Bestseller und er genießt den Luxus, den sein Erfolg ihm ermöglicht. Seine Geschichte ist abenteuerlich und trifft genau den Nerv der Zeit. Jahrzehntelang als Abenteurer unterwegs, lebte er dann für lange Zeit bei einem Aborigine Stamm in Australien. Es scheint die Sprache zu sprechen, berichtet von seiner wunderschönen Töchter, nicht braun – nicht weiß. Doch der Ruhm ist nur von kurzer Zeit – Louis ist ein Lügner.
Der Autor berichtet vom jungen Hans, der in einem kleinen Schweizer Bergdorf zur Welt kam. Ein ungeliebtes, kleinwüchsiges Kind, das schon früh weglief um sich in der Welt durchzuschlagen. Er reist mit einer Schauspielerin, wird Diener, aber nie hält er es lange aus. Er muss weiter. Seine Sehnsucht nach dem Abenteuer ist übermächtig. Er sieht sich als neuer Robinson.
Ein Buch, dessen Beschreibung und äußere Gestaltung mich sofort angesprochen hat, mit dem ich leider zu keiner Zeit der Lektüre so richtig warm wurde. Louis Reisen, seine Abenteuer haben mich nie gepackt, ich habe keine rechte Verbindung herstellen können. Ich fand die Beschreibungen oft langatmig, belang- und zusammenhangslos. Es gibt immer wieder Passagen und gelungene Formulierungen, die mir gefallen haben und bis weit nach der Hälfte hatte ich Hoffnung, dass auch bei mir endlich der Funke überspringt.
Es ist keine Abenteuergeschichte, auch keine Beschreibung eines Exzentrikers, es ist vielleicht am ehesten die Suche nach einen Mann, der sich selbst immer wieder neu erfand und letztendlich selbst nicht mehr wusste, was ist Lüge, was ist Traum, was ist echt.

Jedes Buch muss zum Leser passen und hier habe ich eins der seltenen Beispiele, wo ich gestehen muss, es hat bei mir leider nicht gepasst.