Cover-Bild Der Gedankenspieler
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 08.03.2018
  • ISBN: 9783462051773
Peter Härtling

Der Gedankenspieler

Roman
Peter Härtlings letztes Buch: ein bewegender Roman über das Alter, die Freundschaft und die Einsamkeit.

Johannes Wenger, ein achtzigjähriger alleinstehender Architekt, ist gestürzt und seither auf den Rollstuhl und Pflege angewiesen. Das kratzt an seinem Selbstbild, macht den Alltag mühsam und lässt viel Raum für Einsamkeit und Wehmut. Sein junger Hausarzt Dr. Mailänder jedoch hält dagegen und Wenger am Leben, holt ihn zurück in die Welt und lädt ihn mit seiner Familie zu einem gemeinsamen Osterurlaub ein. Wie der grantige Alte auf diese Einladung reagiert, ist meisterhaft erzählt. Und was alles geschehen kann, wenn man mit einem kauzigen Rollstuhlfahrer, der gedanklich in ständigem Austausch steht mit historischen Figuren wie den Architekten Karl Friedrich Schinkel oder Mies van der Rohe, an den Strand von Travemünde reist, ist ein großes Leseerlebnis voller Komik und Melancholie.

Mit viel Gefühl, genauem Blick und voller Selbstironie nimmt Härtling seine Leser mit in die Mühsal des Alters, die sich auch in seinen Träumen spiegelt, um deutlich zu machen, welch großes Glückspotenzial auch diese Lebensphase besitzt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.04.2018

Ein niederschmetterndes Portrait des menschlichen Verfalls.

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Peter Härtlings „Der Gedankenspieler“ hat mich bereits in der Verlagsvorschau irgendwie magisch angezogen. Das Älterwerden und über das Leben sinnieren ist scheinbar ein Thema, das mich immer wieder aufs ...

Peter Härtlings „Der Gedankenspieler“ hat mich bereits in der Verlagsvorschau irgendwie magisch angezogen. Das Älterwerden und über das Leben sinnieren ist scheinbar ein Thema, das mich immer wieder aufs Neue reizt. In diesem Roman geht es um den Eigenbrötler Wenger, der nach einem ziemlich unglücklichen Sturz an den Rollstuhl gefesselt ist und mehr und mehr die Hilfe von einem kleinen Pflegeteam benötigt. Sein langjähriger Freund und Hausarzt Dr. Mailänder versucht, Wenger in seiner Pflegebedürftiglkeit das Leben dabei so angenehm wie möglich zu machen, schaut immer nach dem Rechten, besucht ihn mit seiner Frau und Tochter, um den tristen Alltag des älteren Herrn etwas bunter zu gestalten. Und wenn Wenger wieder mal allein daheim ist oder wieder einmal im Krankenhaus nächtigen muss, verfasst der alte Mann im Kopf Briefe an Freunde, Künstler und an Menschen, die ihn beeinflusst haben, vor allem aber an Katharina, Mailänders Tochter. Doch trotz der guten Pflege geht es Wenger zusehends schlechter und nicht nur er muss sich auf das Unvermeidliche einstellen, sondern auch seine lieb gewonnenen Freunde.

"Wann immer er mit dem Waschlappen traktiert wurde […], verlor er sich als Subjekt, wurde zum Objekt, ein Gegenstand, der gesäubert wird. Dennoch bemühte er sich, den Gegenstand vergessen zu machen. […] Warum, fragte er sich jedes Mal während der Prozedur […], warum empfinde ich keine Scham mehr? Alt und nackt. Hilflos. Warum begehre ich nicht auf, ziehe mich nicht zusammen, wenn die über Jahrzehnte jüngere Frau ankündigt: Jetzt kommt der Poppes dran."

„Der Gedankenspieler“ ist ein wunderbar vielschichtiger Roman, der bei mir wirklich die richtigen Töne getroffen und Knöpfchen gedrückt hat. Als Leser verfolgt man als Zuschauer das Leiden des sonst so unabhängigen Wengers, der nie große Probleme mit seiner Gesundheit hatte und nun überhaupt nicht damit einverstanden ist, dass er nun so hilflos und auf andere Menschen angewiesen ist. Es durchzuckt einem mit Empathie und Mitleid, man gruselt sich selbst vor dem Alter, wenn man liest, wie Wengers körperlicher Verfall vonstatten geht. Bei manchen Abschnitten musste ich mich zum Weiterlesen zwingen, da mir das alles viel zu bekannt vorkam, ich diesen Prozess bereits bei meinem eigenen Vater beobachten musste, und einige Stellen gingen mir richtig ans Herz und Gänsehaut überzog mich, die eine oder andere Träne floss auch. Die eigene Unabhängigkeit aufgeben zu müssen, völlig seinen Helfern und im Endeffekt auch seinem eigenen Körper und dessen Schwäche ausgeliefert zu sein, kann ich mir noch gar nicht so recht vorstellen, aber der Gedanke daran ist äußerst beklemmend.

Härtling schrieb seinen „Gedankenspieler“ kurz vor seinem Tod, und dank dem Nachwort bekam der Roman eine völlig neue Tiefe. Der Leser findet nach der Lektüre zahlreiche Parallelen zwischen Härtling und Wenger; mich hat das alles noch ein wenig mehr bedrückt. Den Roman handelt Härtling relativ nüchtern ab, aber es entstehen trotzdem große Emotionen, man schließt Wenger ins Herz und möchte ihn am liebsten nicht gehen lassen. Während der Verfall also seinen Lauf nimmt, Wenger zwischenzeitlich schon mit riesigen Windeln ausgestattet wird, krümme ich mich gedanklich immer weiter, denn ich weiß bereits, auf was die Geschichte hinauslaufen wird. Doch Wenger mag physisch stark geschwächt sein, innerlich jedoch spielt er immerfort mit den Gedanken; er verfasst bis zu seinen dunkelsten Stunden im Geiste Briefe, greift gelegentlich sogar noch zum Stift, und selbst als ihm keine guten Aussichten mehr offenstehen, bleibt er doch stets der, der er ist: ein kauziger Mann, der stets stark und unabhängig war und sich erst im Angesicht der körperlichen Schwäche in die Hände anderer gegeben hat.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/peter-haertling-der-gedankenspieler

Veröffentlicht am 07.06.2018

Der Mann, der Briefe dachte

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„Ich habe die Liebe verlernt. Das war ein einfacher, aber ihm nicht angenehmer Satz. Oder sollte er denken: Ich fürchte mich vor Gemeinsamkeit und ziehe Einsamkeit vor. Ich bin am Ende und habe schon den ...

„Ich habe die Liebe verlernt. Das war ein einfacher, aber ihm nicht angenehmer Satz. Oder sollte er denken: Ich fürchte mich vor Gemeinsamkeit und ziehe Einsamkeit vor. Ich bin am Ende und habe schon den Anfang nicht gekonnt.“


Inhalt


Johannes Wenger ist nach einem Sturz auf den Rollstuhl und auf die Hilfe zahlreicher Pflegekräfte angewiesen. Leicht verdrossen ergibt er sich in sein Schicksal, da ihm ohnehin die Alternativen fehlen. Sein Hausarzt Dr. Mailänder kümmert sich kompetent um ihn und ist nicht nur für sein körperliches Wohlbefinden zuständig, sondern mittlerweile zum einzigen Vertrauten und Freund des alten Mannes geworden. Frau und Kinder hat Wenger keine und so nimmt ihn Dr. Mailänder als „Opa“ in seine eigene kleine Familie mit. Gemeinsam verbringen sie viele schöne Stunden, ja sogar einen Urlaub an der See und Johannes blüht durch die Ersatzfamilie mit der quirligen „Enkeltochter“ regelrecht auf. Doch allzu bewusst ist sich der ehemalige Architekt, seiner Endlichkeit, seiner immer schlechter werdenden Gesundheit und mit Argwohn betrachtet er seinen Verfall. Zur Last fallen möchte er niemanden, erst recht nicht seinem Arzt und Vertrauten. Nach einem akuten Nierenversagen landet Wenger im Krankenhaus, diesmal vollkommen ausgeliefert an seine Krankheit mit wirren Träumen, die ihn bereits an der Schwelle des Todes begrüßen und nur noch mit einem Bein im Diesseits. Wenger erholt sich auch von diesem Schicksalsschlag und kehrt nach Hause zurück, doch die Müdigkeit, die Last der vielen Lebensjahre, die er mit sich herumträgt, legt sich immer schwerer und düsterer auf sein Gemüt und er sieht ein, dass er sich lieber dieser Schwere zuwenden möchte, als einem langwierigen Heilungsprozess, der ihn Kräfte kosten wird, die er nicht mehr hat.


Meinung


Dieser Roman ist der letzte, des 2017 verstorbenen Chemnitzer Autors Peter Härtling. Wie man im Nachwort erfährt, hat sein langjähriger Lektor Olaf Petersenn den Text nur noch geringfügig bearbeitet und sich dabei voll und ganz auf das Manuskript des Autors gestützt. Dieser Umstand verleiht dem vorliegenden Roman noch ein bisschen mehr Authentizität, mehr Bedeutsamkeit und zeigt, dass Herr Härtling nicht nur einen bewegenden Roman über das Alter, die Freundschaft und die Einsamkeit geschrieben hat, sondern auch selbst in ebenjener Lebensphase steckte, die es nahelegt, dass sein Leben hin und wieder zum Vorbild der Gedanken des Protagonisten wurde.


Der Schreibstil ist minimalistisch, durch kurze Sätze geprägt, sehr sachlich manchmal fast nüchtern und dennoch immer nah dran an der Figur des Johannes Wenger. Jener verarbeitet in gedachten Briefen sein Leben, schreibt gedanklich an alte Bekannte, an bereits verstorbene Architekten oder berühmte Bauherren. Gleichermaßen dankt er seinem Vertrauten im Alter für dessen Präsenz, seiner neugewonnenen Enkeltochter für ihren Ideenreichtum und der passionierten Pflegekraft für den würdigen Umgang mit seinen körperlichen Hinfälligkeiten. Besonders gelungen empfinde ich die Reflexion der eigenen Gedanken, die Einfachheit der kleinen Alltagsfreuden, den sich ständig verkleinernden Radius des Individuums und nicht zuletzt die Aussöhnung mit all den Verfehlungen, der Vergangenheit, dem Leben an sich.


Manchmal hätte ich mir etwas mehr Emotionen gewünscht, tiefgreifendere Gespräche und mehr Kontakt zu dem alten Mann, den man als Leser zwar sehr genau kennenlernt, der als Person aber nicht ganz greifbar erscheint. Das stört nicht weiter, weil er sicherlich so auftreten soll, weil diese Stille, diese gewünschte Einsamkeit sein Wesen ausmachte, doch im Zusammenhang mit der Thematik, hätte es gern etwas mehr Herzblut und Traurigkeit sein dürfen. So ist es eher Melancholie, ein langsames Abschiednehmen, ein stiller Gang auf dem letzten Weg. Aber dennoch ein sehr ergreifender Roman.


Fazit


Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen ehrlichen, schonungslosen Roman, der einen ganz zielgerichteten Blick auf die Lebensphase des Alters wirft. Als Leser bekommt man Verständnis für all jene unausgesprochenen Wünsche, alle nicht mehr möglichen Unternehmungen, alle Unzulänglichkeiten aber auch für die Möglichkeiten, die selbst ein alter kranker Mann aus dem Rollstuhl heraus noch wahrnehmen kann, sofern er sich mit der Gegenwart und ihren Anforderungen anfreundet und die Endlichkeit eines Menschenlebens akzeptiert. Ich empfehle diesen Roman gerne weiter, er ist sicher kein Mainstream und auch sehr ruhig in seiner Erzählweise, doch man trägt den Text nach dem Lesen noch ein Weilchen im Herzen.

Veröffentlicht am 04.04.2018

Stimmt nachdenklich, aber wenig Emotionen

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Inhalt
Der Protagonist in diesem Roman ist der 80 jährige Architekt Johannes Wenger. Nach einem unglücklichen Sturz ist er an den Rollstuhl gebunden und von nun an auf Hilfe angewiesen. Sein größter Unterstützer ...

Inhalt


Der Protagonist in diesem Roman ist der 80 jährige Architekt Johannes Wenger. Nach einem unglücklichen Sturz ist er an den Rollstuhl gebunden und von nun an auf Hilfe angewiesen. Sein größter Unterstützer ist sein Hausarzt/Freund Dr. Mailänder. Dieser versucht ihm sowohl medizinisch zu helfen, als auch Johannes in sein Familienleben mit einzubinden.

Bewertung


Es handelt sich hierbei um eine durchaus schonungslose Darstellung der Gebrechen und der Hinfälligkeit des Alters. Diese Thematik hat mich von der Darstellung her sehr überzeugt und auch der Aspekt der Selbst- bzw Fremdbestimmung, wenn man auf Hilfe/Pflege angewiesen ist, wird sehr gut rausgearbeitet.
Mir fehlte leider auf der emotionalen Ebene recht viel. Es kommt leider nur in Teilen durch, wie schwer Johannes die Abhängigkeit und auch die Einsamkeit, die seine neue Situation mit sich bringt, fällt. Auch, wenn er sich zurückzieht und dann den Kontakt zu seinem Hausarzt und dessen Familie sehr einschränkt, werden seine Gefühle für mich nicht genügend deutlich. Welche Gefühle veranlassen ihn zu diesem Rückzug? Wie geht es ihm in der kontaktlosen Zeit? Wie empfindet er im Gesamten seine Situation? Nur am Ende des Buches schimmert diese Emotionalität ein wenig durch. Hier hätte deutlich mehr in das Gefühlsleben des Johannes Wenger eingetaucht werden können. Insbesondere weil der Leser im Epilog erfährt, dass der Roman in großen Teilen autobiografisch ist.
Sein Hausarzt Dr. Mailänder wird durchgehend auch als sein Freund bezeichnet. Leider fehlte mir auch hier in weiten Teilen des Buches die emotionale Ebene der Freundschaft. Besonders in den Szenen, wo die Beiden persönlichen Kontakt haben bleibt es sehr auf die medizinische Ebene beschränkt.

Insgesamt dennoch eine Leseempfehlung, die nachdenklich stimmt. Besonders in Bezug auf das Thema Selbstbestimmung / Fremdbestimmung in der Pflege gibt es viele gute und nachdenklich stimmende Impulse.