Sehr sehr spannend.
Ronja und Jannik, als Kinder entführt von „Paps“, leben seit Jahren im Wald, isoliert von der Aussenwelt, ab von der Zivilisation. Sie führen ein Leben in Angst, voller Gewalt und mit ständig wechselnden ...
Ronja und Jannik, als Kinder entführt von „Paps“, leben seit Jahren im Wald, isoliert von der Aussenwelt, ab von der Zivilisation. Sie führen ein Leben in Angst, voller Gewalt und mit ständig wechselnden „Geschwistern“, weitere Opfer von Paps, die ihr Martyrium oft nicht überleben.
Ronja entscheidet sich nach langer Zeit des Leidens und der Angst vor Konsequenzen schliesslich doch zur Flucht, mit ihr die zwei Kleinen „aktuellen Geschwister“. Die Freiheit fast erreicht werden sie aufgegriffen von Paps, verraten durch Jannik.
Die Lage spitzt sich zu, es gibt eine abrupte Veränderung der Lage … und die Freiheit ist da. Oder auch nicht. Denn die Jugendlichen bleiben, aus eigenem Antrieb, im Wald, alleine, unter sich. Während nach ihnen gesucht wird, von einer ambitionierten Polizistin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Rätsel der verschwundenen Kinder in dieser Region zu lösen.
Unfassbar beklemmend geht es los, atemlos liest man durch die ersten düsteren Seiten, ist reinversetzt in einen klaustrophobisch düsteren Wald. Ein Schreibstil, der einen einbindet in die Ängste, die Emotionen der Kinder.
Man leidet mit den Jugendlichen, man wünscht Ronja eine erfolgreiche Flucht - um wirklich schockiert zu sein über das schnelle Aufgreifen und das darauf folgende die Handlung ändernde Element.
Dann wird es ruhiger, die Handlung fokussiert sich weniger auf die Taten denn auf die psychologischen Hintergründe. Die Jugendlichen, die die Chance hätten, ihrer Lage zu entgehen entscheiden sich zu bleiben - ihre durch die Jahre, auch bedingt durch das Manipulieren des Täters, geschürten Ängste, ihre Psychosen halten sie weiter fest. Körperlich frei sind sie doch gefangen in ihren eigenen Emotionen, ihren zerstörten Seelen.
Es ist grausam und faszinierend zu lesen, wie sich die Beziehungen untereinander durch dieses Phänomen entwickeln. Langsam kristallisieren sich die Charaktere immer weiter heraus und man ist schockiert, wie viel Einfluss die Jahre der Gewalt und der Gefangenschaft sie doch verändert und beeinflusst haben.
„...nachdem man sein ganzes Leben lang versucht hat, ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen, und nun begreifen muss, dass es Zeit wird, die eigene Vergangenheit zu vergessen und eine dunkle Zukunft zu azkeptieren. Das bindet dich an Orte und Gedanken, die du nie für möglich gehalten hättest.“ (Zitat)
Es gibt kein klischeehaftes Happy End, im Gegenteil. Der Leser wird bis zum Schluss herausgefordert, die eigenen Ideen, wie das Buch sich entwickeln könnte immer wieder über den Haufen geworfen.
Ein wirklich spannendes, psychologisch vielschichtiges Buch mit oft unvorhersehbaren Wendungen. Geschrieben in einer Art und Weise, die den Leser mitleiden und mitfühlen lassen und Verständnis aufbringen lassen für manche Handlungen und Gedanken, die eigentlich fremd sind.
Allerdings gibt es für mich gegen Ende einige noch offene Stellen. Was ist mit der Polizistin, die von Jannik in der Höhle „entsorgt“ wurde - wurde sie denn nie von ihren Kollegen gesucht, die sie doch kurz vor der Ankunft im Wald noch per Handy über ihren Standort informiert hat? Überlebt sie oder bleibt sie verschwunden?
Und was wird aus Jannik - er bleibt im Wald, gut. Aber es ist mir zu vage, das wieso, das „und was jetzt“.
Ich finde es sehr gut, dass es kein typisches Ende gibt, kein Happy End, kein happy ever after. Das würde auch nicht zum vorhergegangenen Stil des Buches passen. Es ist in sich stimmig, so wie es ist - aber es endet doch etwas zu vage für meinen Geschmack.