Auf zu neuen Ufern
Die Inselgärtnerinegibt sich Sonja, nachdem sie sich - noch nicht ganz in der Mitte des Lebens angelangt - vor einem Scherbenhaufen wiederfindet: Alles, was für sie von Bedeutung war, ist zerbrochen. An der Seite ihres ...
egibt sich Sonja, nachdem sie sich - noch nicht ganz in der Mitte des Lebens angelangt - vor einem Scherbenhaufen wiederfindet: Alles, was für sie von Bedeutung war, ist zerbrochen. An der Seite ihres Ehemannes steht nun eine andere, jüngere Frau und trotz langen Jahren ihrer Tätigkeit dort und der Loyalität zu der Firma verliert sie ihre Arbeitsstelle.
Da passt es ganz gut, dass sie von Sandy, der kürzlich verstorbenen älteren Schwester ihrer Mutter, die sie kaum kannte, ein Haus in Florida geerbt hat - dort begibt sie sich in der bisher dunkelsten Stunde ihres Lebens hin. Was zunächst nur als Ausbruch aus dem Alltag in Norddeutschland gedacht war, wird bald zu einer längerfristigen Lösung, zumindest was Sonja, nun Sunny, angeht. Denn neben wunderbaren neuen Freunden entdeckt die Gartenarchitektin eine Möglichkeit, ihren beruflichen Traum, die Gestaltung umweltfreundlicher und naturnaher Gärten, zu realisieren.
Auch ihr Privatleben erhält durch völlig neue Aktivitäten, bspw. als Background-Sängerin in einer Motown Band, neue Impulse - und das nicht zu knapp. Zudem ist sie völlig gefangen von ihrer neuen Umgebung in Florida - und zieht den Leser gleich mit.
Denn die Beschreibung der Landschaft und der Lebensbedingungen, des Alltags und des gesellschaftlichen Miteinanders in Florida, ist eindeutig eine der Stärken des Romans - zumindest aus meiner Sicht. Auch wenn natürlich nicht mehr als ein kleiner Auszug geboten wird, hat mich Autorin Sylvia Lott so sehr mitgerissen, dass ich mich schon beim Planen meines nächsten Urlaubs - selbstverständlich in Florida - wiederfinde. Pflanzen, ewig lange Sandstrände und nicht zuletzt die Schilderung der regionalen Fauna - ich sage hier nur "Delphine" - und das alles immer mit einem warmherzigen Blick auf das Thema Umweltschutz haben mich nicht kalt gelassen.
Leider gab es jedoch in der Geschichte selbst immer wieder Entwicklungen, die für mich in der dargestellten Form nicht nachvollziehbar waren - Sunnys Weg ins neue Leben erschien stellenweise zu vereinfacht, sie selbst zu naiv - das alles passte nicht so ganz. Einerseits hat sie sich - aus Norddeutschland kommend - ohne das kleinste Problem in Bezug auf sprachliche oder soziale Neuorientierung in einer völlig fremden Umgebung - quasi nahtlos in das neue Umfeld eingefügt. Andererseits läuft sie mit großer Naivität - die überhaupt nicht zu den anderen Entwicklungen passen will - immer wieder in ganz offensichtliche Fallen.
Also ein sehr facettenreiches und vielschichtiges Leseerlebnis, das ich alles in allem genossen habe. Vor allem, weil es mir Florida geschenkt hat. Eine Region, die für mich bisher unter ferner liefen rangierte, nun aber definitiv in den Fokus meines Interesses gerückt ist. Noch mehr jedoch wegen der Bedeutung von Umwelt und Natur, die wie ein roter Faden die Handlung durchdringt: eine Fürsprache zur Achtsamkeit, von der sich andere Autoren eine ganz dicke Scheibe abschneiden können. Trotz meiner Kritik an anderer Stelle werde ich das Buch dadurch lange in Erinnerung halten, verbunden mit dem Wunsch, dass es ins Englische übersetzt und einem gewissen Herrn in Washington D.C. (ja, richtig: orangefarbene Haut und gelbe Haare) als Pflichtlektüre vorgelegt wird.