Zwei, die sich belauern
Der kalte SaphirEine Journalistin, die sich die Story ihres Lebens erhofft und ein Interviewpartner, ehemaliges Bandmitglied von „Klarstein“, der die Journalistin an ihre Grenzen bringt. Dies sind die Hauptzutaten für ...
Eine Journalistin, die sich die Story ihres Lebens erhofft und ein Interviewpartner, ehemaliges Bandmitglied von „Klarstein“, der die Journalistin an ihre Grenzen bringt. Dies sind die Hauptzutaten für Michael Düblins Roman. Nebenbei wird noch ein Mord aufgeklärt, der innerhalb der Band passiert ist, aber schon Jahrzehnte zurückliegt. Doch die „Ermittlung“ verkommt fast zur Nebensache, widmet sich der Autor doch intensiv den Gefühlswelten der beiden Protagonisten und ihrer sich scheinbar stets verändernden Beziehung zueinander. Jule Sommer ist redlich bemüht, Sebastian Winter auszuhorchen und ihn trotzdem frei erzählen zu lassen, was sich zu den so erfolgreichen Zeiten zwischen den Musikern ereignete. Alles befindet sich im Wechsel: das Wetter rund um Winters Anwesen in Griechenland, die Initiative der Gesprächspartner sowie Wohlbefinden der beiden und die Einschätzung, die sie vom jeweils anderen haben. Darf Jule ihm nun glauben? Ist sie eine ernstzunehmende Gegnerin für einen so gewandten Erzähler wie ihn? Und ist Winter ernsthaft an der Wahrheit interessiert oder nur an ihrem Körper?
Zu den kleinen Psychospielchen, die die beiden zwischen Pool, Flipperkasten und Aufnahmegerät austragen, passt auch der kleine „Trick“ mit den Namen der beiden sehr gut. Und obwohl er manchmal schon bildlich an der Klippe steht, kann der Autor gut vermeiden, doch zu sehr in Klischees abzudriften, die sehr oft dann lauern, wenn Mann und Frau so aufeinanderprallen.
Überrascht hat mich das Ende, teilweise wegen des Inhalts aber viel mehr der Gestaltung wegen. So, wie es ist, wäre sogar eine Fortsetzung denkbar, was ich aber nicht vermute. Dann müssten viele Details noch aufgeklärt werden und einige Fäden zusammengebracht werden. Schön ist auf jeden Fall, dass Jule und Winter doch irgendwie zu einem stummen Einverständnis kommen, was die Geschichte und ihre Folgen betrifft.
Hinter der Person Jules hätte ich insgesamt noch mehr Tiefe vermutet, was aber schwierig geworden wäre, da Winter viel Raum für sich beansprucht. Er ist für mich bis zum Schluss kein voll greifbarer Charakter, hat viele Ecken und Kanten, ist streitbar und dann wieder ein Ruhepol. Aber zu einem möglichen Mörder passt das wohl, dass man ihn nie ganz einschätzen kann und sich nahezu parallel zu Jule beim Lesen so seine Gedanken über diesen seltsamen „Kauz“ macht.
Wer sich hier ein packendes „Mörder-Interview“, ähnlich wie eine Befragung vor Gericht wünscht, wird sicher teilweise enttäuscht. Natürlich geht es um eine Rückschau und eine Aufklärung, doch Winter darf ausreden, monologisieren und erzählt nicht nur Geschichten von damals. Nur zwischendurch gibt es einige spannungsgeladene Frage-Antwort-Momente. Wer sich von Winter aber gemütlich durch die Geschichte tragen lässt, lernt ganz nebenbei noch vieles über Aufnahmetechnik und die Musikbranche.