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Veröffentlicht am 24.07.2018

Brutal anders

Opfer
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Zum Inhalt:
Camille Verhoeven, Chef der Mordkommission der Pariser Polizei, muss zu seinem Schrecken sehen, dass ein schwerverletztes Opfer eines brutalen Überfalls seine Lebensgefährtin Anne ist. In dem ...

Zum Inhalt:
Camille Verhoeven, Chef der Mordkommission der Pariser Polizei, muss zu seinem Schrecken sehen, dass ein schwerverletztes Opfer eines brutalen Überfalls seine Lebensgefährtin Anne ist. In dem Bestreben, sie vor dem gefährlichen Räuber zu schützen, überschreitet er seine Kompetenzen und muss zudem feststellen, dass er einem Gegner gegenübersteht, der seine Züge ähnlich gut wählt wie Camille selbst.

Mein Eindruck:
Dieses Buch ist aufgeteilt in drei Tage als Großkapitel mit Zeitangaben zu den chronologisch ablaufenden Vorkommnissen. Dazu gesellen sich Rückblenden in Form von Gedanken der Figuren. Die Geschichte spaltet dabei durch Lemaitres Schreibstil, die Brutalität und nicht zuletzt den Zügen der handelnden Personen. Der Stil des Autors ist sehr distanziert, da er nicht nur hauptsächlich in der dritten Person schreibt, sondern dafür fast keine wörtliche Rede und gerne das Passiv nutzt. So entsteht ein getriebener, nicht selbstbestimmter Eindruck, welcher noch dadurch verstärkt wird, dass der Killer seine Sicht der Dinge in der Ich-Form schildern darf. Beim Leser löst das zwiespältige Gefühle aus; einerseits fällt einem die Identifikation mit den „positiven“ Figuren schwer, andererseits kann diese unterkühlte Sicht als Beobachter den Vorteil haben, sich mehr vom Hirn als vom Herz leiten zu lassen. Dieses könnte vor allen Dingen ein Pluspunkt bei den mit unheimlicher Brutalität vorgenommenen Verhörmethoden seitens des Antagonisten sein, da diese jedoch meistens nicht mit dem gnädigen Abstand geschildert werden, erhält die Leserschaft das volle Pfund an allem, was einem Sadisten so einfallen kann. Die Konstellation mit einem eher kurz geratenen Kommissar und einer – vor dem Überfall – verführerisch wunderbaren Frau ist fast zu schön, um wahr zu sein und kann wohl in dieser Art nur von einem Franzosen erdacht werden.
Doch obwohl ich die Technik durchaus würdigen kann, bleibt ein schaler Geschmack zurück: Trotz aller Brutalität langweilt die Geschichte über weite Strecken, bevor sie im Laufe des letzten Tages (und damit im letzten Drittel des Buches) durch eine Wendung richtig Fahrt aufnimmt. Für meinen Geschmack zu spät und obwohl ich dieses letzte Drittel dann relativ schnell und gerne gelesen habe, kann ich dem Buch nicht verzeihen, dass die ersten beiden Tage wie zähes Kaugummi klebten.

Mein Fazit:
Handwerklich meisterhaft und mit einem großartigen Stil, den der Autor leider lange für brutale Langeweile missbraucht

Veröffentlicht am 16.06.2018

Scheidewege

Truly Madly Guilty
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Zum Inhalt:
Vid und Tiffany – ein neureiches, herzliches Paar - haben ihre Nachbarn Erika und Oliver – steif und eher verschlossen – und deren Freunde Clementine und Sam – Künstlerin und selbständiger ...

Zum Inhalt:
Vid und Tiffany – ein neureiches, herzliches Paar - haben ihre Nachbarn Erika und Oliver – steif und eher verschlossen – und deren Freunde Clementine und Sam – Künstlerin und selbständiger Teilzeithausmann – zu einer Grillparty in ihrem Garten eingeladen. Doch dann passiert ein Vorfall und danach ist nichts mehr so, wie es vorher schien.

Mein Eindruck:
Ein Unglück geschieht und jeder der Beteiligten hat seine Art, mit sich, seiner (gefühlten) Schuld und den Auswirkungen der Begebenheit umzugehen. Dazu bedient sich Moriarty kurzer Kapitel, die die Sicht einer teilnehmenden Figur auf die Dinge darstellen. Trotz des Schreibens in der dritten Person gestattet sie dem Leser durch eine sehr einfühlsame Schilderung von Taten und Gedanken ihrer Charaktere einen perfekten Einblick in Kopf und Herz derselben. Dabei hat sie sich ein fast schon zu problembehaftetes Personal erdacht, welches eine gewisse Schwermut beim Leser auslöst. Das Wechseln in den Zeitebenen vor, während und nach der Grillparty erzeugt bis zur Auflösung etwa nach 60 Prozent des Buches eine große Spannung, obwohl die Geschichte schon vorher einen kleinen Höhepunkt hat. Diese Spannung hält die Autorin im weiteren Teil leider nicht mehr auf dem gleichen Level, seziert dafür aber den Kitt, der Beziehungen jedweder Art zusammenhält, fast wie unter einem Mikroskop. Diese genaue Betrachtung ist dabei gleichzeitig Segen und Fluch: Einerseits informiert Moriarty ihre Leser allumfassend, andererseits wartet man irgendwie noch auf einen großen Knall zum Schluss, bekommt jedoch nur einen kleinen Puff.
Das Buch endet offen und abgeschlossen zugleich. Abgeschlossen, da alle wichtigen Handlungen erklärt sind; offen, da jeder durch die beschriebenen Umstände an einem Scheideweg steht und für sich und sein Zusammenleben mit Familie, Partner und Freunden die passende Richtung und das Ziel aussuchen muss.


Mein Fazit:
Ein Buch, das gut unterhält, jedoch kein Weltklasse-Roman

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Geschichte
Veröffentlicht am 16.06.2018

Hinterwald

Bülent Rambichler und die fliegende Sau
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Zum Inhalt:
Der Tod der Verkäuferin Kerstin führt Kommissar Bülent Rambichler heim zu seinen Wurzeln in die fränkische Provinz. Gemeinsam mit Kollegin Astrid versucht er den Fall schnellstmöglich zu klären, ...

Zum Inhalt:
Der Tod der Verkäuferin Kerstin führt Kommissar Bülent Rambichler heim zu seinen Wurzeln in die fränkische Provinz. Gemeinsam mit Kollegin Astrid versucht er den Fall schnellstmöglich zu klären, um nicht nur dem Kleinstadtmief sondern auch seinen Eltern zu entkommen, die ihn väterlicherseits für die politische Karriere und mütterlicherseits für die Fortsetzung eines Familienstammbaums ausnutzen möchten. Denn Bülent ist zwar kein schlechter Ermittler, legt jedoch viel Wert auf eine schicke Erscheinung. Und der ist das Dorfleben sehr abträglich.

Mein Eindruck:
Die Idee, einen mehrfachen Clash der Kulturen in einem Krimi zu packen, ist in dieser Art tatsächlich einmal etwas Neues. Nicht nur trifft Stadt auf Land, sondern auch Türkei auf Deutschland, vegane Ernährung auf Fleischfressend und Kultur auf Banausen. Aber insbesondere der letzte Punkt wird dermaßen auf Kosten der Landbevölkerung ausgewalzt, dass es schon peinlich ist. Natürlich muss ein Heimatkrimi überspitzen, aber die ganzen Körperflüssigkeiten und – dämpfe, die sich in Luft und Land ergießen, gehen einem halbwegs zivilisiertem Leser dann doch gehörig auf den Zeiger. Zusätzlich wird gesoffen, gegrabscht, geprügelt und mit Zoten um sich geworfen, dass nur so die Schwarte des entlaufenen Schweins kracht, welches sich irgendwann in Erkans Garten einfindet. Das ist vor allen Dingen deshalb schade, weil sich die Autorin wirklich um die Mundart und das Gefühl eines Miteinanders verdient macht und eine wirklich gute Auflösung für das Durcheinander bietet, den der Todesfall ins Dorf bringt. Ihre Figuren wären liebenswert, wenn sie nicht eine Schippe zu viel Verschrobenheit in sie hineingepackt hätte. Denn letztendlich ist es ein Furz zuviel bzw. bringt eine Inkontinenz das Fass zum Überlaufen – noch so ein Bild, das man im Kopf hat und nicht mehr hinaus bekommt. Und von diesen Bildern gibt es viele… zu viele….

Mein Fazit
Guter Beginn, leider aber zu derb in der Ausführung

Veröffentlicht am 29.04.2018

Liebeschaos

Agatha Raisin und der tote Gutsherr
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Zum Inhalt:
Agatha Raisin möchte James, ihren überaus anziehenden Nachbarn in Carsley, vergessen und zieht deshalb für einige Monate in den kleinen Ort Fryfam in Norfolk. Sie versucht dort – in typischer ...

Zum Inhalt:
Agatha Raisin möchte James, ihren überaus anziehenden Nachbarn in Carsley, vergessen und zieht deshalb für einige Monate in den kleinen Ort Fryfam in Norfolk. Sie versucht dort – in typischer Agatha-Manier – Freundschaften zu schließen und behauptet deshalb, Kriminalautorin zu sein. Doch dann wird eine Leiche gefunden, die Umstände gleichen denen ihrer schriftstellerischen Versuche und Agatha gerät unter Verdacht. Glücklicherweise bekommt sie tatkräftige Hilfe aus Carsley – zwar nicht von James, aber Sir Charles eilt herbei und klärt gemeinsam mit Agatha das Geheimnis um den toten Gutsherrn.

Mein Eindruck:
Es mag zwar folgerichtig sein - da der mörderische Blitz schon fast zu oft in Carsley eingeschlagen hat - Agatha einen Ortswechsel zu verordnen, einen Gefallen hat M.C. Beaton ihrer Leserschaft damit jedoch nicht getan. Denn diese Reihe lebt insbesondere von dem liebenswerten Personal, welches Agatha Raisin in ihrer Wahlheimat in den Cotswolds zur Seite steht. Aber noch weniger als schon im Vorgängerband finden diese Charaktere Verwendung und der Kontakt zu den Wurzeln der Serie beschränkt sich zuerst nur auf ein paar Telefonate mit der Vikarsfrau. Glücklicherweise taucht wenigstens ein enger Freund in Gestalt von Sir Charles in Norfolk auf, - sonst wäre das kuschelige Agatha-Feeling vollends verloren gegangen.
Und dann gibt es ja eigentlich in einem Krimi – so cosy er auch sein mag – einen Kriminalfall. Da die Protagonistin sich in einem neuen Dorf mit ihr unbekannten Bewohnern aufhält, muss sie sich jedoch erst wieder mit allen bekannt machen, die Überlegungen zu ihrem Liebesleben, James und Charles tun ihr Übriges und die Polizisten sind ihr ebenfalls fremd... Da bleibt nicht mehr viel für einen echten Fall und so purzeln den beiden die Leichen vor die Füße, sie fragen hier, verdächtigen dort und auf einmal ist die Sache geklärt, - ohne dass auch nur eine Figur wirklich im Gedächtnis bleibt. Aber das ist ja sowieso egal, da Fryfam zwar Elfen, aber sonst nichts zu bieten hat.
Großartig wie immer ist der Humor, trocken, teilweise schwarz und damit sehr britisch. Der Wortwitz geht Beaton im 10. Band ihrer Reihe nicht aus, aber leider die Ideen für die liebgewonnenen Figuren, – was ihr letzen Endes für die Gefühlskapriolen Agathas einfällt ist nicht viel und macht unverständlicherweise auch nur eine Seite des Buches aus.

Mein Fazit:
Nicht schlecht, aber kein Vergleich mit den Vorgängern, hoffentlich nur ein Zwischentief

Veröffentlicht am 30.03.2018

Die Mutter beschützt ihr Junges

NACHTWILD
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Zum Inhalt:
Joan ist mit ihrem vierjährigen Sohn Lincoln im Zoo, als sie plötzlich Schüsse hört und bemerkt, dass der Weg zum Ausgang durch die Amokläufer versperrt wird. Kurzerhand flüchtet sie mit Lincoln ...

Zum Inhalt:
Joan ist mit ihrem vierjährigen Sohn Lincoln im Zoo, als sie plötzlich Schüsse hört und bemerkt, dass der Weg zum Ausgang durch die Amokläufer versperrt wird. Kurzerhand flüchtet sie mit Lincoln in ein leerstehendes Tiergehege, doch die Täter beginnen mit der Jagd auf die Überlebenden.

Mein Eindruck:
Anfangs fiebert man total mit der Protagonistin: Wird sie sich verstecken können, wird ihr Sohn still halten (schließlich ist er erst vier), kommt die Polizei früh genug, wie geht es den anderen Personen, deren Sicht ebenfalls Teil einiger – kurzer – Kapitel ist? Diese Spannung lässt aber nach einer Weile nach, da sich Phillips sehr auf den Mutterinstinkt und die daraus resultierenden Gedanken fokussiert. Außerdem ist absolut unverständlich, dass die Polizei so lange braucht (drei Stunden!!), um in die Puschen zu kommen. Die Selbstgerechtigkeit Joans, mit der sie über andere ein Urteil fällt, um dann eine ähnliche Handlung selbst zu vollziehen, nervt ebenso wie ihr Egoismus, den sie zwar hinterfragt, letztendlich aber doch als lebensnotwendig darstellt. Schade auch, dass dem Schauplatz Zoo so wenig Platz eingeräumt wird – abgesehen davon, dass ein paar Tierkadaver Joans Weg kreuzen. Dabei dürfte die fehlende Fütterung gepaart mit den untypischen Schüssen und dem dadurch ausgelösten Chaos zu einer beträchtlichen Unruhe bei den Bewohnern der Käfige führen und eine gewisse Geräuschkulisse verursachen, doch hier wird Totenstille geschildert, in der jedes Knacken Aufmerksamkeit erregen könnte.
Nichtsdestotrotz baut diese dauernde Gefahr Spannung auf, um dann die Geschichte leider in einen einigermaßen wirren Showdown zu münden, welcher die Leser mit Fragezeichen im Gesicht zurücklässt. Und das ist etwas, was für mein Dafürhalten in einem Thriller nicht passieren sollte.

Mein Fazit:
Teilweise atemlose Spannung, sehr (und zu) amerikanisch im Showdown