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Veröffentlicht am 26.07.2018

Im Kampf um Hygiene

Der Horror der frühen Medizin
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Wenn man im 19. Jahrhundert gezwungen war, sich bei einem Chirurgen unters Messer zu legen, konnte man davon ausgehen, dass das letzte Stündlein geschlagen hatte. Chirurgen waren kaum mehr als Metzgermeister, ...

Wenn man im 19. Jahrhundert gezwungen war, sich bei einem Chirurgen unters Messer zu legen, konnte man davon ausgehen, dass das letzte Stündlein geschlagen hatte. Chirurgen waren kaum mehr als Metzgermeister, die knietief in Blut wateten und sich mehr auf die Schnelligkeit ihrer Skalpelle verließen als auf die Hoffnung, den Patienten durchzubringen. Hygiene war ein Fremdwort, die Kleidung der Chirurgen starrten von Dreck, Blut, Eingeweide, Eiter und was sich sonst noch Leckeres in einem Schlachthaus ansammelte. Bis Mitte des Jahrhunderts mussten die Patienten die Operationen noch bei vollem Bewusstsein über sich ergehen lassen, bis zur Erfindung des Äthers. Dabei waren es weniger die Schmerzen und schrecklichen Verletzungen, welche die Todesopfer forderten - es waren die scheußlichen Verhältnisse, in welcher operiert und die Kranken dann gelagert wurden.

Zu dieser Zeit trat ein junger Chirurg die medizinische Laufbahn an, der sich nicht mit all den Toten abfinden wollte. Joseph Lister, aus einem wissenschaftlich interessierten Quäkerhaushalt stammend und mit einem scharfen Geist und viel Empathie ausgestattet. Obwohl aus London kommend startete seine Karriere in Edinburgh, wo er unter dem bekannten Chirurgen Syme lernte. Lister begriff schnell, dass die hygienischen Verhältnisse für viele Tode verantwortlich war und er setzte alles daran, das zu verbessern. Dabei machte er sich nicht nur Freunde, viele namhafte Chirurgen der damaligen Zeit versuchten auf alle möglichen Weisen, ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Doch unter anderem mit der Hilfe von Louis Pasteur schaffte er es schließlich, Keimen den Kampf anzusagen und die Medizin wahrhaftig in ein neues Zeitalter zu führen. Für mich las sich das Buch beinahe spannender als mancher Krimi, weil man nicht nur einen tiefen Einblick in die Medizin des 19. Jahrhunderts bekommt, sondern auch in die damalige Zeit, die gleichzeitig so erschreckend und modern war.

Veröffentlicht am 21.07.2018

Knochendeuter und Schmerzwandlerin

Der Totengräbersohn: Buch 3
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Ritter Emicho trägt das Mal des Unaussprechlichen und befindet sich damit in seiner Gewalt. Doch Farin ist nicht bereit, kampflos aufzugeben und er sucht nach einem Weg, ihn zu retten. Ausgerechnet in ...

Ritter Emicho trägt das Mal des Unaussprechlichen und befindet sich damit in seiner Gewalt. Doch Farin ist nicht bereit, kampflos aufzugeben und er sucht nach einem Weg, ihn zu retten. Ausgerechnet in ihrer alten Burg befindet sich ein Buch, in welchem sich möglicherweise die Lösung findet - doch sowohl Buch als auch Lösung befinden sich in verschiedenen Teilen des Weltenreiches. Farin und drei Gefährten machen sich auf einen gefahrvollen Weg. Doch auch Aross befindet sich auf einer gefahrvollen Reise - als Schifssjunge hat sie auf der Barbarossa angeheuert, um endlich Antworten auf ihre Fragen nach der Herkunft zu bekommen. Weder Farin noch Aross ahnen, wie nahe ihnen beiden der Feind ist.

Schon Band 3 und es wird nur noch einen geben! Eigentlich kann ich mit High Fantasy, Quests, tapferen Rittern und dem Kampf zwischen Gut und Böse sowie Auserwählten oder Prophezeiungen nichts anfangen. Doch obwohl alles hier vorkommt, fesselt mich die Geschichte noch immer und scheinbar mit jedem Band mehr. Das ist zum einen den humorvollen Wortspielereien und dem allgemeinen Witz der Story geschuldet, zum anderen, dass Feuerbach trotz aller Klischees, die er benutzt, ständig mit einem Feuerwerk an originellen Ideen und Wendungen aufwartet. Nicht zu vergessen Robert Frank, der Sprecher der Hörbücher, der auch sichtlich (hörbar!) Spaß daran hat, die Figuren in seinem Sinne agieren zu lassen. Eine außergewöhnliche Fantasyreihe, von der ich nun einen außergewöhnlichen Abschluss erwarte(n darf).

Veröffentlicht am 07.07.2018

Gehacked

Cat & Cole 1: Die letzte Generation
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Seit zwei Jahren lebt die siebzehnjährige Catarina allein, in einer mehr als dystopischen Umwelt. Weit dem Ausbruch eines Virus weltweit, bei dem Milliarden Menschen starben, gibt es nur noch Sicherheit ...

Seit zwei Jahren lebt die siebzehnjährige Catarina allein, in einer mehr als dystopischen Umwelt. Weit dem Ausbruch eines Virus weltweit, bei dem Milliarden Menschen starben, gibt es nur noch Sicherheit in gewissen Zentren unter der Erde - doch der geniale Wissenschaftler Lachlan, Cats Vater, hat ihr das Versprechen abgenommen, niemals in eines dieser Zentren zu gehen und sich auch nie von Cartaxus, dem Multikonzern, der diese sicheren Zonen betreibt, fangen zu lassen. Lachlan kann coden und genmanipulieren wie kein zweiter, deshalb wurden er und sein Assistent, Dax, schließlich doch eingefangen, nur Cat konnte entkommen. Doch eines Tages findet sie der superhochgezüchtete Soldat Cole, doch anstatt sie Cartaxus auszuliefern, ist er bereit, ihr zu helfen. Denn in Cats Genen ist der Schlüssel für die Medizin gegen das Virus versteckt, und nur sie beide können ihn entschlüsseln.

Im ersten Moment kann es sein, dass man sich ein bisschen in die Geschichte reindenken muss, zu fremd wirken all die scheinbar normalen Sachen wie Panels mit Apps in den Armen, Genkits, Codierern und was sonst noch. Doch wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, erscheinen diese technischen Feinheiten logisch, wie die normal entwickelte Fortsetzung all dessen, was wir jetzt schon besitzen. Ich weiß natürlich nicht, ob alles, was die Autorin beschreibt, so funktionieren kann, als ich mich das letzte Mal mit Genen und deren Manipulation beschäftigte, ging's da noch um Biounterricht und Mendelsohn, und Alter, ist der retro in dieser Geschichte! Für mich persönlich tat das keinen Abbruch, nachdem ich akzeptiert hatte, dass diese Dinge existierten, konnte ich mich absolut in die Handlung fallen lassen. Zum Glück weist der saudumme Titel Cat & Cole nicht auf eine süßliche Lovestory hin, auch wenn Liebe auftaucht. Stattdessen bekam man eine spannende, überraschende und auch neue Jugendbuchgeschichte präsentiert, die richtig Spaß und Lust auf den Nachfolger gemacht hat.

Veröffentlicht am 19.06.2018

Der Justus und der Nichtraucher und alle anderen

Das fliegende Klassenzimmer
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Die Geschichte selbst ist ein Klassiker und schnell erzählt. In einer Kleinstadt gibt es zwei verfeindete Schulen. Die Jungen aus der Obertertia des Internats und die Tertianer aus der Realschule bekämpfen ...

Die Geschichte selbst ist ein Klassiker und schnell erzählt. In einer Kleinstadt gibt es zwei verfeindete Schulen. Die Jungen aus der Obertertia des Internats und die Tertianer aus der Realschule bekämpfen sich, wann immer sie sich unterwegs treffen. Dazu kommt, dass auch im Internat einige Schüler der Oberstufe nicht gerade mit Samthandschuhen re(a)gieren. Doch es gibt auch richtig gute Freunde wie den kleinen Uli und den großen, starken Matthias, von Johnny Trotz und seinem Wunsch, Schriftsteller zu werden und Martin, der aus einer armen Familie stammt. Und dann sind da natürlich auch noch der Justus und der Nichtraucher, die trotz dessen, dass sie Erwachsene sind, richtig coole Leute sind. Und natürlich gibt es Prügeleien und Mutproben und manchmal traurige Sachen, am Ende verpackt in eine Weihnachtsgeschichte.

Ein Flohmarktfund, aber was für einer! Klar, ich kannte diese Geschichte irgendwie schon immer, gibt ja auch mehrere Filme davon. Aber sie zu lesen, war noch mal was ganz anderes. Weil der Kästner es einfach drauf hat, Kindergeschichten zu erzählen, die nicht kindlich und doch kindgerecht sind, die - obwohl in einer längst vergangenen Zeit spielen - keinen Punkt ihrer Aktualität verloren haben und weil es einfach alles enthält. Abenteuer, Freundschaft, Zusammenhalt, und eine unterschwellige Melancholie, die durch tollen Humor gedämpft wird und immer wieder Hoffnung gibt. Ich fand's extrem genial - so funktionieren Kinderbücher, auch für Erwachsene!

Veröffentlicht am 02.05.2018

Abenteuer im frühen 16. Jahrhundert

Schlag auf Schlag
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Die Abrafaxe sind die Hauptdarsteller im Comicmagazin Mosaik, und als solche treiben sie sich schon sehr lange in verschiedenen Zeiten herum. In diesem Sammelband begleiten wir sie ins frühe 16. Jahrhundert, ...

Die Abrafaxe sind die Hauptdarsteller im Comicmagazin Mosaik, und als solche treiben sie sich schon sehr lange in verschiedenen Zeiten herum. In diesem Sammelband begleiten wir sie ins frühe 16. Jahrhundert, in eine Zeit voller berühmter Leute wie Martin Luther, Lucas Cranach, Thomas Müntzer und an ihrer Seite dürfen wir miterleben, wie aus einem jungen, zeichenwütigen Burschen der Lehrling von Lucas Cranach wird. Bei dem wiederum ist oft der Professor Martin Luther anzutrefffen, der soeben anfängt, gegen die Klingelbeutelwirtschaft des Papstes vorzugehen. Natürlich gibt es nicht nur berühmte Leute, sondern auch andere: welche aus dem einfachen Volk wie Michael, der Malerlehrling und seine Mitlehrlinge oder auch der arrogante Adrian von Schwarzenburg, ein junger, adliger Student, der immer wieder mit den bürgerlichen Jugendlichen Streit anfängt.

Was mir bei diesem dicken Comic gefallen hat, ist - abgesehen von den klasse Zeichnungen, die teilweise schon Wimmelbildqualität hatten - das Eintauchen in eine Zeit, von der wir vielleicht mal kurz in der Schule gehört haben und dann nie wieder. Dabei gab es so viele Veränderungen, neue Ideen, Erfindungen, Umbrüche standen bevor, sowohl im Glauben als auch im Denken. Dabei wird nicht einmal der Zeigefinger gehoben oder irgendwelche trockenen Geschichtsfakten wiedergegeben, sondern die Leute bekommen nicht nur ein Gesicht, eine Stimme, sondern tatsächlich Lebendigkeit, ohne glorifiziert zu werden. Bestimmt ist diese Art von Geschichtsvermittlung selbst für Kinder/Jugendliche/Erwachsene geeignet, die damit gar nichts am Hut haben, denn all die tatsächlichen Ereignisse werden wunderbar in eine spannende Abenteuergeschichte verwoben, die wirklich Spaß macht beim Lesen und (immer wieder) Ansehen.