Unterhaltsam auf mittlerem Niveau
“Fanatisch” ist das neueste Buch von der deutschen Autorin Patricia Schröder. Ein Thriller über eine Entführung, unbekannte Fanatiker und ein Mädchen, das versucht all dem auf den Grund zu gehen — ein ...
“Fanatisch” ist das neueste Buch von der deutschen Autorin Patricia Schröder. Ein Thriller über eine Entführung, unbekannte Fanatiker und ein Mädchen, das versucht all dem auf den Grund zu gehen — ein rasanter Wettlauf gegen die Zeit. Bewegend und unterhaltsam. Mit kleinen Schwächen. Für Jugendliche ab 13 Jahren und interessierte Erwachsene.
Die 17-jährige Nara, deren Eltern aus dem Iran stammen, ist Muslimin. Doch sie wurde in Deutschland geboren und auch wenn ihre Familie kein Schweinefleisch isst und keinen Alkohol trinkt, sind sie doch eher westlich orientiert. Den Gebetsraum im Keller hat Nara seit einigen Jahren schon nicht mehr betreten und wird von ihren Eltern auch nicht dazu angehalten, es zu tun. Momentan steht Naras Leben sowieso ziemlich auf dem Kopf. Sie schwärmt für einen Jungen, namens Tobias, von dem ihre beste Freundin Charlotte allerdings nicht viel hält. “Ich finde, du solltest ihn dir aus dem Kopf schlagen und dich endlich auf Jamie einlassen”, riet sie mir. “No! No! No! No! No!” Ich schüttelte heftig den Kopf. “Vergiss es! Jamie ist mein bester Kumpel.” “Ja. Und er steht auf dich.” “Das ist kompletter Unsinn”, widersprach ich halbherzig, denn im Grunde wusste ich es besser.” (Zitat aus “Fanatisch” S.16ff) Charlotte hält Tobias für einen Freak und hat üble Gerüchte Patricia Schröder - Fanatischüber ihn gehört. Doch sich auf Jamie einzulassen, das will Nara auf keinen Fall. Sie beide verbindet eine besondere Geschichte und sie will ihre zeitweilige On-Off-Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Zudem sieht sie in Jamie eher einen guten Freund, als einen Partner. Aber dann überschlagen sich plötzlich die Ereignisse: Jamie macht ihr tatsächlich eine Liebeserklärung, ihre beste Freundin verschwindet und Nara erhält einen seltsamen Zettel, auf dem Folgendes steht: “Stelle dich niemals gegen den göttlichen Willen! Es könnten furchtbare Dinge geschehen.” (Zitat S.24) Die Liebeserklärung kann Nara glücklicherweise abwehren, Charlotte taucht auch wieder auf (sie hatte jemanden kennengelernt), aber von den Botschaften des Unbekannten erhält sie noch eine weitere: “Weil du dich nicht an die göttlichen Regeln gehalten hast, musste ein großes Unglück geschehen. Es ist ganz allein deine Schuld.” (Zitat S.36) Kurz darauf ist der Hund ihres kleinen Bruders spurlos verschwunden. Und als er wieder auftaucht, ist er tot. Jemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten. In ihrer Not vergräbt Nara das arme Tier im Garten, auch damit ihr kleiner Bruder nichts von dem Schrecklichen mitbekommt. Wer war das? Zusammen mit Jamie versucht sie dem Ganzen auf die Schliche zu kommen. “Wer auch immer das ist”, wiederholte er [Jamie] meine Worte, “Er scheint dich und dein Umfeld ganz genau zu beobachten.” Eine plötzliche Eiseskälte stieg in mir auf und zog mir die Eingeweide zusammen. “Du meinst, allesPatricia Schröder - Fanatisch, was er zukünftig tut, hängt davon ab, wie ich mich verhalte?”, presste ich hervor und noch während ich das fragte, wurde mir klar, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genau so war.” (Zitat S.52) Als sie eine weitere Nachricht des Unbekannten mit einem Treffpunkt und einer Uhrzeit erhält, will Nara eigentlich alleine dorthin gehen. Aber Jamie möchte sie unbedingt begleiten. In einem Hinterhof ist er auf einmal weg und dann liegt da nur noch sein Turnschuh auf dem Boden. Sekundenspäter ein Schlag von hinten und Nara wird bewusstlos. Die nächsten sechs Tage erlebt sie Furchtbares. Doch sie wird wieder freigelassen und der Maskierte lässt sie mit folgenden Worten ziehen: “Die nächsten sechs Tage wirst du schweigen. Du wirst keinen Besuch empfangen oder mit irgendjemandem über das Internet Kontakt aufnehmen.” Er versenkte eine Hand in seiner Hosentasche und zog ein Handy und ein Ladekabel daraus hervor. “Darüber erhältst du weitere Anweisungen. Solltest du dich nicht an meine Vorgaben halten, töte ich deinen Bruder.” (Zitat S.187) Mit ihr wurden auch fünf andere Mädchen entführt. Auch jene hat man frei gelassen. Auch jene schweigen. So wie Nara. Jedoch bleibt Jamie weiterhin verschwunden. Und obwohl sie eigentlich weiß, dass jeder ihrer Schritte beobachtet wird, versucht Nara nun das Unmögliche: Jamie und ihre Familie zu retten…
Patricia Schröder - FanatischMit einem schlichten, aber eindrucksvollen Cover gestaltet, beginnt “Fanatisch” mit einem biblischen Zitat und einem Zeitungsartikel, der bereits offenbart, was sich nach der Entführung ereignet hat: die Mädchen schweigen. Keiner kann sich erklären, was passiert ist. Weder Polizei noch Angehörige. Auch der Leser nicht, der bald darauf in den Handlungsstrang der 17-jährigen Nara eintaucht, die in der Ich-Perspektive erzählt. Die Handlung setzt vor der Entführung ein und wird mit Datumsangaben vor jedem Kapitel versehen. Zwischendurch erscheinen immer wieder kurze Einschübe einer “Du”-Perspektive und später auch einer “Er”-Perspektive, die man aber relativ schnell einer bestimmten Person zuordnen kann. Während der Entführung sind die Kapitel in Tage eingeteilt, die Überschriften wie zum Beispiel “1.Tag: Hungernde Speisen”, “2.Tag: Durstigen zu trinken geben” und “3.Tag: Fremde aufnehmen” zeigen. Religiöse Bezüge werden offensichtlich, die sechs Gaben der Barmherzigkeit, aber auch Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus spielen in Patricia Schröders Thriller eine zentrale Rolle. Das einzelne Kreuzsymbol zwischen den einzelnen Absätzen ist optisch und inhaltsbezogen hierbei gut gewählt. Die Sprache ist einfach und sehr flüssig und vor allem Patricia Schröder FanatischEmotionen werden zum Teil sehr bildhaft beschrieben: “Stramme, scharfkantige Fesseln schnitten mir in die Haut. Panik sprang mich an wie ein wildes Tier, das sich in meinem Nacken festkrallte, meine Kehle umklammerte und mir die Luft abschnürte.” (Zitat S.91) Dennoch muss ich spannungstechnisch zugeben, hat mich die Geschichte — am Anfang und auch während der Entführung — irgendwie nicht richtig packen können. Interessant und unterhaltsam ja, aber es fehlte irgendwie dieses Gefühl: “Ich muss jetzt unbedingt wissen, wie es weitergeht…”. Auch nervten die Liebesfaseleien unter den Freundinnen am Anfang ein wenig: “Erstens bin ich noch lange nicht so weit, eine Beziehung zu beginnen. Ich weiß ja nicht mal, ob er mich überhaupt interessant findet…” […] “Und zweitens?”, half sie mir auf die Sprünge. “Gibt es keinen Grund, weshalb ich deinetwegen verzichten müsste.” “Doch”, sagte sie lächelnd. “Erstens war ich zuerst verliebt…” Aha. “Und zweitens?” “Sind Magnus und ich schon sehr viel weiter als du und Tobias. Außerdem hast du immer noch Jamie.” (Zitat S.61) und das Liebesgeständnis von Jamie kommt doch sehr kitschig herüber: “Nara, was muss ich tun, damit du endlich den in mir siehst, der ich für dich sein will? […] Ich bin nicht einfach nur dein Freund, Nara. Schon lange nicht mehr. Mir hat bisher einfach nur der Mut gefehlt, es dir zu zeigen. […] Mir ist klar, dass ich die weggetan habe”, stamPatricia Schröder - Fanatischmelte er. “Damals, als ich… als wir… und jetzt habe ich Angst, dass du… Ach, Scheiße, verdammt!” Jamie rutschte auf den Boden hinunter und ging vor mir auf die Knie. “Ich liebe dich, Nara!” (Zitat S.28ff) Nach der Entführung, als Nara dann allmählich zu agieren beginnt, fühlte ich mich schon besser unterhalten und geriet in diesen typischen Lesesog, der mir am Anfang einfach gefehlt hat. Auch wenn manche Szenen doch etwas weniger Ausrufezeichen hintereinander hätten vertragen können Das Ende hat mich dann doch sehr überrascht, da hätte ich nicht mit gerechnet! Und verdient auf alle Fälle einen fetten Pluspunkt.
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Fazit: Unterhaltsam auf mittlerem Niveau, für Krimi-Einsteiger ideal. Mit einem besonderen, unerwarteten Ende!