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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2018

Poetisch und bewegend, aber auch charmant und witzig

Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden
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Ein junger Briefträger erfährt von seiner unheilbaren Krankheit Es bleiben ihm lediglich wenige Tage, vielleicht Wochen bevor er ihr erliegen wird. Bisher hatte er keine Gelegenheit dies zu verarbeiten ...

Ein junger Briefträger erfährt von seiner unheilbaren Krankheit Es bleiben ihm lediglich wenige Tage, vielleicht Wochen bevor er ihr erliegen wird. Bisher hatte er keine Gelegenheit dies zu verarbeiten und steht dementsprechend noch unter Schock. Doch dann erscheint ihm der leibhaftige Teufel und bietet ihm einen Deal an: Er erhält jeweils einen zusätzlichen Tag Leben im Tausch gegen eine vom Teufel ausgewählte Sache, die für immer von der Welt verschwindet. In einer Welt des Überflusses sei es bestimmt kein Problem, wenn das ein oder andere unwichtige Objekt verschinden würde, denkt sich der Protagonist am Anfang.

Die Interaktion zwischen Teufel und Protagonist ist sehr unterhaltsam und auch teilweise etwas flapsig. Zusammen mit einem leichten und lockeren Schreibstil macht dies das Buch zu einer relativ kurzen Lektüre, was natürlich auch der geringen Seitenanzahl geschuldet ist.

Auf der anderen Seite regt die Geschichte jedoch zum Nachdenken an und wirft wichtige Fragen auf: Was bist du bereit für dein Leben zu opfern? Was ist wirklich wichtig im Leben? Welche Auswirkungen gibt es, wenn bestimmte Dinge von der Welt verschwänden? Und ist ein einziges Leben es wert, das Leben von vielen anderen in dieser Art und Weise zu beeinflussen? Um sich all dieser Dinge bewusst zu werden, reflektiert unser namenloser Protagonist sein Leben und stellt fest, wie trist es bisher verlaufen ist. Er stellt fest, dass nicht ein langes Leben ausschlaggebend ist, sondern dessen Intensität und was man daraus gemacht hat.

Schön fand ich, dass im Buch auch ein Kater eine große Rolle spielt. Der Umgang zwischen Protagonist und Samtpfote war liebenswürdig und sehr amüsant und hat die Geschichte für mich nochmal zusätzlich aufgewertet.

Das Buch thematisiert Tod, Trauer und Verlust auf poetische und bewegende Weise, geizt dabei aber dennoch nicht mit Charme und einer gesunden Portion Witz.

Veröffentlicht am 04.05.2018

Eine wahre Leseempfehlung!

Das verliebte Ich
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Wir begleiten einen namenlosen Protagonisten über einige Jahre hinweg. Nach dem Studium geht er nach Venedig, wo er die Liebe seines Lebens kennenlernt. Eines morgens ist sie jedoch spurlos verschwunden. ...

Wir begleiten einen namenlosen Protagonisten über einige Jahre hinweg. Nach dem Studium geht er nach Venedig, wo er die Liebe seines Lebens kennenlernt. Eines morgens ist sie jedoch spurlos verschwunden. Er begibt sich auf die Suche nach ihr und tritt noch ein paar Mal mit ihr in Kontakt. Dieses Schema zieht sich teilweise durch sein Leben: er trifft Menschen, die ihn über kurz oder lang wieder verlassen. So kommt es dazu, dass sich der Erzähler fragt, ob die Erinnerungen, die er an bestimmte Personen oder Ereignisse hat, tatsächlich der Realität entsprechen.

Diese Kurzgeschichte ist geprägt von Zweifel, Verwirrung, Verzweiflung, dem Gefühl wahnsinnig zu werden und sich selber nicht trauen zu können. All diese Gefühlszustände kommen sehr authentisch rüber und als Leser ist man ein Teil dieser Erlebnisse und Emotionen. Es ist als würde man diese Geschichte wirklich erzählt bekommen.

Das Buch liest sich wie ein Thriller, bei dem es nicht mit rechten Dingen zu geht. Man merkt, ebenso wie der Protagonist, dass irgendetwas nicht stimmt, kann es aber nicht recht benennen. Dies löst ein beängstigendes und bedrückendes Gefühl aus.

Als es letztendlich zur Auflösung kommt und man alles “versteht” ist dies ein wahrer Schock und kam völlig unerwartet.

Thema hier sind psychische Erkrankungen, erlebt und beschrieben aus erster Hand. Dadurch ist das Buch so eindrucks- und gehaltvoll. Es ist absolut spannend Einblicke in die Psyche eines Betroffenen zu erhalten, der sich selber dieser Erkrankung nicht bewusst ist und sich das Erlebte erstmal nicht erklären kann. Eine wahre Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 04.05.2018

Gelungenes Buch, das den Nerv der Zeit trifft und ihn auf charmante Art kritisiert

Arthur und die Farben des Lebens
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Eines Tages verschwinden auf mysteriöse Art und Weise alle Farben, die Welt versinkt in trostloses schwarz-weiß. Zunächst geraten die Menschen in Panik. Wo sind die Farben hin und wann beziehungsweise ...

Eines Tages verschwinden auf mysteriöse Art und Weise alle Farben, die Welt versinkt in trostloses schwarz-weiß. Zunächst geraten die Menschen in Panik. Wo sind die Farben hin und wann beziehungsweise kommen sie überhaupt zurück? Doch hat sich wirklich so viel verändert?

Arthur hat grade seinen Job in einer Buntstift-Fabrik verloren, er ist Alkoholiker. Seine blinde Nachbarin Charlotte ist Wissenschaftlerin. Sie beschäftigt sich mit Farben und deren Bedeutung. Grade sie, die nichts sehen kann, zeigt dem Leser eine ganz andere Sicht auf das Leben. Es ist fast so, als wäre man selber bisher der Blinde gewesen. Sie nimmt alles ganz anders, viel intensiver und sehr faszinierend wahr und sieht damit die wirklich wichtigen Dinge, zum Beispiel ihre kleine Tochter, die sie mit viel Liebe aufzieht.

Zusammen machen Arthur und Charlotte es sich zur Aufgabe den Menschen die Farben zurückzubringen. Dabei bekommen sie Hilfe durch einen Taxifahrer und die Bewohner eines Seniorenheims. Zusätzlich ist ihnen auch noch die chinesische Mafia auf den Fersen. All diese Charaktere sind etwas ganz besonderes und liebevoll ausgearbeitet. Es macht Spaß sie auf ihrem Weg zu begleiten.

Wie man vielleicht schon merkt ist die Geschichte ein wenig verrückt und skurril, dabei aber auch humorvoll. Sie regt zum Nachdenken an und öffnet die Augen auf unsere heutige Welt, die trotz Farbpracht dennoch teilweise sehr farb- und trostlos ist. Oft sind schwarz, weiß und grau dominierende Farben, ob bei Kleidung, Autos oder der Wohnungseinrichtung. Die Denkweise ist oft “schwarz-weiß” oder findet in sogenannten Schubladen statt.

Der Schreibstil ist poetisch, teilweise aber auch voller Sarkasmus und an einigen Stellen leicht überzogen. Dies lässt die Geschichte zwar kurzweilig erscheinen, doch sie gibt dem Leser so viel mit und ist auf ihre eigene Art und Weise sehr gehaltvoll und lässt das eigene Leben reflektieren.

Man erfährt zudem viel über Farblehre. Bestimmte Farben begünstigen beispielsweise die Emotionen: grün die Hoffnung, gelb den Neid, rot steht für Leidenschaft und Aggression.

Zusätzlich wird das Buch durch einige liebevolle und detaillierte Illustrationen aufgewertet, die sich vor jedem Kapitel befinden.

Ein sehr gelungenes Buch, das den Nerv der Zeit trifft und ihn auf charmante Art kritisiert. Absolut lesenswert!

Veröffentlicht am 15.04.2018

Liebe als Experiment

36 Fragen an dich
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Hildy und Paul nehmen an einem psychologischen Experiment teil. Sie sollen sich gegenseitig 36 vorgegebene Fragen stellen. Ziel ist es zu testen, ob anhand dieser Fragen Liebe zwischen zwei völlig Fremden ...

Hildy und Paul nehmen an einem psychologischen Experiment teil. Sie sollen sich gegenseitig 36 vorgegebene Fragen stellen. Ziel ist es zu testen, ob anhand dieser Fragen Liebe zwischen zwei völlig Fremden entstehen kann.

Die beiden Protagonisten sind unterschiedlicher wie sie nicht sein können. Hildy kommt aus einem wohlsituierten Umfeld, allerdings herrscht zu Hause grade dicke Luft zwischen den Eltern. Sie nimmt an der Studie teil, weil sie sich für Psychologie interessiert.

Paul hingegen kommt aus zerrütteten Verhältnissen und braucht dringend die 40 Dollar, die es für die Teilnahme gibt. Für ihn können sie die Fragerei gar nicht schnell genug hinter sich bringen. Er gibt sich anfangs schroff, sarkastisch, relativ desinteressiert und unhöflich. Doch Hildy merkt, dass er durch seine harte Schale etwas zu verbergen versucht.

Ich mochte die Atmosphäre zwischen den beiden, wie sich langsam eine Bindung zwischen ihnen entwickelt hat und sie sich ihrem Gegenüber nach und nach geöffnet haben. Im Verlauf des Buches sind beide gewachsen und stärker geworden.

Auch der Aufbau des Buches hat mich überzeugen können. Während der Beantwortung der Fragen ist es wie ein Protokoll gehalten. Der Rest wird erzählend aus Hildys Sicht wiedergegeben. So erfährt man mit ihr zusammen, was es mit Pauls Vergangenheit und seinem Geheimnis auf sich hat. Gespickt wird die Geschichte mit einigen kleinen Comics, denn Paul zeichnet gerne. Diese sind süß, humorvoll und passend zur jeweiligen Situation. Dadurch war das Buch sehr abwechslungsreich, frisch und schnell zu lesen.

Schön fand ich auch, dass die 36 Fragen tatsächlich aus einer richtigen Studie stammen, also wirklich relevant sind. Ich habe durch sie viel über Hildy und Paul gelernt und sie in mein Herz geschlossen.

Es ist ein teilweise sehr emotionales Buch über Freundschaft, die erste Liebe, das Erwachsen werden, Trennung und Verlust. Eine tolle Idee, die gut und überzeugend umgesetzt wurde und einfach Spaß macht.

Veröffentlicht am 24.03.2018

Das Leben in Armut

Schloss aus Glas (Filmausgabe)
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Jeannette Walls berichtet über ihr eigenes außergewöhnliches Leben innerhalb einer Familie, die nicht der Norm entspricht. Sie beginnt bei ihrer frühsten Kindheitserinnerung. Damals war sie drei Jahre ...

Jeannette Walls berichtet über ihr eigenes außergewöhnliches Leben innerhalb einer Familie, die nicht der Norm entspricht. Sie beginnt bei ihrer frühsten Kindheitserinnerung. Damals war sie drei Jahre alt und verbrühte sich beim Würstchen kochen. Dies ist nur eines von zahlreichen haarsträubenden Ereignissen, welchen sie in ihrer Kindheit und Jugend ausgesetzt war.

Ihr Vater ist Alkoholiker, verliert einen Job nach dem anderen. Die Mutter, Künstlerin und gelernte Lehrerin, geht nur im äußersten Notfall und dann auch nur sehr widerwillig arbeiten. Für sie sind der Staat, Behörden oder die Polizei linke Banditen, die man nicht ernst nehmen muss und die einen nur übers Ohr hauen wollen.

Die Familie hat vier Kinder, zieht von Ort zu Ort, bis es eben am jeweiligen Aufenthaltsort wegen der Schulden zu heiß wird. Sie sind sehr arm, wohnen in kleinen Wohnungen, Trailerparks oder heruntergekommenen Hütten, leben am Existenzminimum. Nicht nur einmal verhungern oder erfrieren die Kinder fast. Es ist ein hartes Leben.

Anfangs erkennt man einen starken Familienzusammenhalt und großes Vertrauen in die Eltern. Es ist ja nicht so, dass diese die Kinder nicht lieben würden, sie haben einfach eine andere Denkweise, andere Prioritäten und eine sehr legere Erziehungsweise, die da lautet “Lass sie mal machen”. Eine Sorgfaltspflicht gegenüber der Kinder ist nahezu nicht existent. Über die Jahre und durch sich häufende Enttäuschungen beginnt das Vertrauen zu bröckeln und die Familie droht zu zerfallen.

Geschrieben wird aus Jeannettes Sicht. Sie schildert das sehr unkonventionelle Leben ihrer Familie, ihre Überlebensstrategien und wie sie es geschafft hat sich ihren Traum zu erfüllen: Journalistin und Autorin in New York zu werden. Angesichts der verheerenden Zustände ihrer Kindheit ist es einfach bemerkenswert, was sie in ihrem Leben erreicht hat und verdient großen Respekt. Ihr wurden vom Leben und auch von ihren Eltern ganze Felsbrocken in den Weg gelegt, doch mit viel Mühe und Ehrgeiz hat sie diese erklommen.

Das Buch stimmt einen sehr nachdenklich, eröffnet eine ganz andere Sicht auf die Welt. Obwohl Jeannette ihr Leben recht nüchtern beschreibt, löst es doch zahlreiche Emotionen aus: Wut auf die Eltern, Trauer um die Kinder, die diesem Leben so schutzlos ausgeliefert waren. Niemand sollte so leben müssen. Freude und Zuversicht, weil nicht nur Jeannette sich ihre Träume erfüllt hat.

Es ist ein sehr wichtiges und gut geschriebenes Buch über Familie und Vertrauen, das Leben in Armut, das Überleben und die Verwirklichung von Träumen. Es lässt einen fassungslos und bewegt zurück und macht dennoch Mut.