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Veröffentlicht am 21.05.2018

Ein ganz besonderer Roadtrip

Willems letzte Reise
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Der ostfriesische Bauer Willem wird von seiner Tochter für die Betreuung seines Enkelsohnes eingesetzt. Das geht ihm zunächst mächtig gegen den Strich, hat er doch mit seiner Familie gebrochen. Allmählich ...

Der ostfriesische Bauer Willem wird von seiner Tochter für die Betreuung seines Enkelsohnes eingesetzt. Das geht ihm zunächst mächtig gegen den Strich, hat er doch mit seiner Familie gebrochen. Allmählich aber gewinnen sich beide lieb, zumal der Junge Willems Begeisterung für alte Traktoren teilt. Um ihn von dem Scheidungskrieg seiner Eltern abzulenken, restauriert er gemeinsam mit ihm einen Lanz Bulldog und verspricht ihm, mit dem Trecker nach Süddeutschland zu einem Traktorenwerk und einem Oldtimertreffen zu reisen, was er auch einlöst. Auf der Reise setzt sich Willem mit seinen Fehlern aus der Vergangenheit auseinander, die er an seinen Kindern begangen hat.
Diesen Roman sollten alle lesen, die mit ihrer Familie zerstritten sind oder während der Trennung um das Sorgerecht für ihre Kinder streiten. Denn er zeigt alle Fehler auf, die Betroffene in ähnlicher Situation nur machen können. Sie werden sich in den Romanfiguren wiederfinden und hoffentlich genau wie Willem und seine Familie entsprechende Lehren daraus ziehen und Bereitschaft zur Versöhnung und zum Eingehen von Kompromissen zeigen. Gerade für Willem ist es wichtig, sich mit seinen Kindern zu versöhnen, denn wie schon der Titel andeutet, ist er schwer krank. Das stimmt beim Lesen aber überhaupt nicht traurig. Gut gelungen ist dem Autor, die Spannung lange aufrechtzuerhalten. Denn welche Fehler genau es sind, die Willem in der Vergangenheit gemacht hat, kommt erst nach und nach zu Tage. Genau so positiv ist die allmähliche Veränderung von Willem dargestellt. Nicht zuletzt werden auch Treckerliebhaber auf ihre Kosten kommen, ist doch so manches interessante Detail über diese Fahrzeuge zu erfahren.


Veröffentlicht am 14.05.2018

Nur beste Freunde?

Alicia verschwindet
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Der Autor ist bekannt geworden durch seine humorvollen Romane. Diesem Genre kehrt er mit vorliegendem Liebesroman den Rücken und betritt auch insofern Neuland, als dass er als deutscher Autor die Geschichte ...

Der Autor ist bekannt geworden durch seine humorvollen Romane. Diesem Genre kehrt er mit vorliegendem Liebesroman den Rücken und betritt auch insofern Neuland, als dass er als deutscher Autor die Geschichte in England ansiedelt. Dieses Experiment ist ihm bestens gelungen. Sein Protagonist Robert gehört der Upperclass an, ist von Beruf (wenngleich nicht so glücklicher) Sohn, der es ansonsten zu nichts gebracht hat. Seit 10 Jahren ist er mit der Fotografin Alicia befreundet. Beide sehen sich als beste Freunde. Als Robert kurz vor seiner Verlobung mit einer anderen steht, verschwindet Alicia plötzlich und hinterlässt Robert drei Fotos und ihr Lieblingsbuch „Sturmhöhe“ von Emily Bronte als Hinweise. Robert glaubt, Alicia nach Art einer Schnitzeljagd suchen zu müssen – oder will sie ihm ein ganz andere Botschaft übermitteln?
Das eigentlich Raffinierte ist, dass der Roman „Sturmhöhe“ und seine Figuren eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen. Hierzu sei nur so viel verraten, dass Kenner dieses Klassikers eindeutig im Vorteil sind, während alle anderen mehr rätseln und sich zum Lesen dieses Klassikers animiert fühlen dürfen. Interessant ist auch die formale Gestaltung, vor allem die Untergliederung in zwei Teile, in denen einmal Robert und einmal Alicia ihre Geschichte einem mit Robert befreundeten Psychiater erzählen. Es werden genügend Spitzen gegen die abgehobene englische Upperclass ausgeteilt, die ebenso wie eine eingebaute und vom Cousin des Autors erfundene Geschichte namens „Die Queen kommt zu Besuch“ das Lesen zum Vergnügen machen, das dann sein Ende so findet, wie vielleicht schon ziemlich bald zu Beginn vermutet werden durfte.
Sehr lesenswert.

Veröffentlicht am 05.05.2018

Wer wagt, gewinnt

Ans Meer
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Der Linienbusfahrer Anton mag seinen Beruf nicht mehr, steht unter dem Pantoffel seiner Mutter und ist zudem unglücklich verliebt. Als ihn eine langjährige, schwer krebskranke Passagierin bittet, sie mit ...

Der Linienbusfahrer Anton mag seinen Beruf nicht mehr, steht unter dem Pantoffel seiner Mutter und ist zudem unglücklich verliebt. Als ihn eine langjährige, schwer krebskranke Passagierin bittet, sie mit dem Bus in ihre italienische Heimat ans Meer zu fahren, kommt er ihrem Wunsch nach. Schließlich mag seine Angebetete mutige Männer. So steuert Anton den Bus nebst mehreren Insassen in den Süden. Leider setzt dies eine Verfolgungsjagd der Polizei in Gang, die ihm mehrfache Freiheitsberaubung vorwirft. Und auch seine Angebetete fährt ihm nach.
Nur 140 Seiten ist dieser Roman lang. Doch liegt wie so oft in der Kürze die Würze. Es ist eine wunderschöne Geschichte, die zu lesen sich wirklich lohnt. Nicht nur gibt es auf diesem ungewöhnlichen Roadtrip so manch unerwarteten, manchmal humorigen Zwischenfall. Auch jeder der Businsassen hat einen spezifischen Charakter und entwickelt sich auf der kurzen Fahrt weiter. Während anfangs so mancher nur widerwillig mitfährt, wird der Zusammenhalt allmählich immer stärker und am Ende sind alle eine eingeschworene Gemeinschaft. Der traurige Anlass für die Fahrt tritt fast völlig in den Hintergrund, stimmt auf jeden Fall überhaupt nicht traurig. Abwechslung bringen Einschübe, in denen es um die Nachfahrt von Antons Freundin geht und in denen sie über ihre Beziehung zu Anton sinniert mit dem Fazit positiver Selbsterkenntnisse.
Klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 22.04.2018

Eine tragische Außenseiterliebe

Nicu & Jess
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Schon äußerlich und formal ist das Buch ein Hingucker, etwas ganz Besonderes – knallorangefarbener Seitenschnitt, weißes Lesebändchen, (nicht reimender) Versroman (der wohl eine Spezialität der Mitautorin ...

Schon äußerlich und formal ist das Buch ein Hingucker, etwas ganz Besonderes – knallorangefarbener Seitenschnitt, weißes Lesebändchen, (nicht reimender) Versroman (der wohl eine Spezialität der Mitautorin Crossan ist), abwechselnde Erzählperspektiven, von denen Nicus Part in „Kauderwelsch“ abgefasst ist. Inhaltlich übertrifft die Geschichte dann noch die dadurch geschürten Erwartungen. Die beiden Fünfzehnjährigen Nicu und Jess lernen sich bei Sozialstunden kennen, zu denen sie wegen Ladendiebstählen verdonnert wurden. Der Romajunge ist erst seit kurzem in London. Seine Eltern wollen schnell Geld verdienen, um ihren Sohn – gegen dessen Willen - dann in Rumänien verheiraten zu können; die passende Braut ist schon gefunden. Nicu jedoch will um keinen Preis der Welt zurück in seine arme Heimat, auch wenn er vor allem aufgrund seiner schlechten Sprachkenntnisse gemobbt wird. Jess kommt aus einem sozialen Randmilieu und wird mit ihrer Mutter vom Stiefvater drangsaliert. Ganz allmählich freunden sich die beiden an, woraus sogar eine zarte Liebe wird. Zur Bewährung kommt es, als sie von zu Hause abhauen.
Dieses Buch ist in erster Linie für Jugendliche gedacht, in deren Milieu es spielt - Cliquen, die Schwächere mobben und nur denjenigen akzeptieren, der mit ihren Regeln konform geht. Es ist schon erschreckend, welch harte Umgangsformen unter Jugendlichen gelten. Doch auch Erwachsene wie ich werden Gefallen an dem Buch finden, zumal auch Themen wie das Versagen von Lehrern und Eltern oder eine von Vorurteilen geprägte Gesellschaft angerissen werden. Bestechen tut das Buch vor allem durch seine Sprache, insbesondere in Nicus Part, der in Kauderwelsch-Deutsch verfasst ist, um deutlich zu machen, welche Sprachbarrieren sich für einen Migranten auftun und dass Sprache für eine gelungene Integration so wichtig ist. Auf jeden Fall weckt die Geschichte gerade in Zeiten zunehmender Flüchtlingswellen Verständnis für Migranten. Offen bleibt am Ende eigentlich nur, welcher Teil des Buchs von Sarah Crossan und welcher von ihrem Schriftstellerkollegen Brian Conaghan geschrieben wurde.

Veröffentlicht am 22.04.2018

Der Werdegang eines Exilautors

Ich wollte nur Geschichten erzählen
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Dieses Hörbuch mit einer Gesamtlänge von 244 Minuten, unterteilt in 74 Kapitel, macht Lust darauf, Erzählungen und Romane des aus Syrien stammenden Exilautors zu lesen oder – besser noch – sich von ihm ...


Dieses Hörbuch mit einer Gesamtlänge von 244 Minuten, unterteilt in 74 Kapitel, macht Lust darauf, Erzählungen und Romane des aus Syrien stammenden Exilautors zu lesen oder – besser noch – sich von ihm persönlich auf einem seiner zahlreichen Erzählabende erzählen zu lassen. Es ist keine Biografie im eigentlichen Sinne, obschon Schami seinen Werdegang darstellt von seinen schriftstellerischen Anfängen als Jugendlicher in seiner Heimat Syrien über seine Entscheidung im Jahr 1971, als 26jähriger zwecks Vermeidung einer langjährigen Haftstrafe bzw. des Todes ins deutsche Exil zu gehen, bis hin zu seinen allmählichen Erfolgen als in deutsch schreibender und erzählender (weil kein arabischer Verlag ihn veröffentlichen wollte) Exilautor. Wirklich beeindruckend ist der Werdegang von Rafik Schami, der zu seinen beiden besten Entscheidungen zählt, Damaskus für ein Leben in Freiheit verlassen und seinen Vollzeitjob als Chemiker in Deutschland zugunsten der Schriftstellerei an den Nagel gehängt zu haben. Man kann sich kaum vorstellen, welche Mühe er auf sich genommen hat, um deutsche Literatur schreiben und diese akzentfrei in freier Rede auf deutsch erzählen zu können. Er schrieb doch tatsächlich die „Buddenbrooks“ Wort für Wort ab. Genauso interessant wie sein persönlicher Werdegang ist die von ihm geäußerte Kritik am syrischen Regime von Assad und den arabischen Verhältnissen. Sie wecken viel Verständnis gerade in Zeiten der Flüchtlingsströme aus Syrien. Die in den 74 Kapiteln behandelten Themen sind so zahlreich, dass jeder für sich Interessantes herausfiltern kann, z.B. über Heimat, Heimweh, Gastfreundschaft. Dieses Hörbuch kann man auf jeden Fall mehrfach hören und wird immer wieder neue Aspekte entdecken. Bezugnahmen auf andere große Schriftsteller regen an, sich auch mit deren Werken z beschäftigen. Das Tüpfelchen auf dem i wäre gewesen, wenn diese Lesung von Schami selbst, der doch ein begnadeter Erzähler ist, vorgetragen worden wäre, wenngleich Wolfgang Berger sehr gelungen gelesen hat.