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Veröffentlicht am 06.05.2018

Farbenspiel

Leinsee
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Karl ist Sohn und er ist es nicht. Seine Eltern, ein bekanntes Künstlerehepaar, sind sich in der Ausübung ihrer Kunst genug. Karl war da irgendwie über und kam auch bald ins Internat. Später ist er selbst ...

Karl ist Sohn und er ist es nicht. Seine Eltern, ein bekanntes Künstlerehepaar, sind sich in der Ausübung ihrer Kunst genug. Karl war da irgendwie über und kam auch bald ins Internat. Später ist er selbst ein anerkannter Künstler. Es hat es aus sich selbst heraus geschafft. Als jedoch seine Mutter schwer erkrankt und sein Vater stirbt, macht sich Karl auf nach Leinsee, den Ort der Kunst, sein Elternhaus. Für Karl ist es keine einfache Heimkehr, zumal die Öffentlichkeit nun hinter sein Geheimnis gekommen ist. Mäßig berühmter Sohn sehr berühmter Eltern. Eltern, die nicht mehr präsent sind. Karl könnte verzweifeln, gäbe es nicht die sporadischen Begegnungen mit der 8jährigen Tanja,

Wie ist es zwischen Eltern und Kindern, wenn die Lebens- und Beziehungsumstände sagen wir ungewöhnlich sind. Dieser Frage widmet sich Anne Reinecke mit ihrem gefühlvollen Erstlingswerk. Ein junger Mann, der wohl zurecht damit hadert, dass er als Kinde beiseite geschoben wurde. Von Eltern darf man möglicherweise schon etwas mehr erwarten als in relativ jungen Jahren ins Internat abgeschoben zu werden, oder? Und nun kann die Grübelei beginnen. Haben nicht auch die Eltern ein Recht auf Verwirklichung? und was ist, wenn sie sich selbst genug sind? Wäre es dann besser ein Kind wegzugeben oder nicht erst entstehen zu lassen? Wie wirkt es sich aus, wenn später die Eltern alt werden und der Hilfe bedürfen? Sicher können sie sich wünschen, dass ihr Kind sich kümmert. Einen Anspruch haben sie gewiss nicht. Doch Karl kümmert sich und hadert wieder. Der Vater hinterlässt einen kalten Abschiedsbrief, in dem er verzeiht und nicht einemal die Überlegung anstellt, ob er um Verzeihung bitten müsste. Die Mutter übersteht eine schwere Operation, doch sie erkennt Karl nicht, sie seiht nur ihren Mann. Die Begegnungen mit Tanja wirken wie kleine Fluchten. Sucht Karl ein Kind, bei dem er es besser machen kann?

Vielleicht sind der Autorin beim Schreiben ganz andere Überlegungen in den Sinn gekommen. vielleicht ist die Art zu lesen von der persönlichen Situation des Lesers bestimmt. Doch obwohl man Karl eine umsorgtere Kindheit gewünscht hätte und ihn in seinen Wunsch, den Eltern gerecht zu werden, respektiert, so kann man nicht jede seiner Handlungen nachvollziehen. Man versucht, nicht allzu sehr zu werten und Karl so zu nehmen wie er ist, doch bei allem Verständnis fällt dies nicht immer leicht. Dennoch hinterlässt das phantasievolle Farbenspiel und die ruhige klare Sprache Anne Reineckes eine eindringliche Spur.

Veröffentlicht am 27.04.2018

Ein gewisser Frieden

Die Mädchen von der Englandfähre
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Die Journalistin Nora Sand kann an manchem alten Trödel nicht vorbeigehen. Und so ersteht sie in einem kleinen Laden einen alten Koffer. Neugierig, ob sich vielleicht noch etwas in dem Koffer befindet, ...


Die Journalistin Nora Sand kann an manchem alten Trödel nicht vorbeigehen. Und so ersteht sie in einem kleinen Laden einen alten Koffer. Neugierig, ob sich vielleicht noch etwas in dem Koffer befindet, öffnet sie das Teil. Überrascht stellt sie fest, dass noch ein paar alte Bilder in dem Gepäckstück sind, Bilder von jungen Mädchen. Vage kommen ihr zwei der Mädchen bekannt vor und nach einigen Recherchen findet Nora einen Zusammenhang mit einem Vermisstenfall, der schon Jahrzehnte zurückliegt. Damals verschwanden zwei dänische Mädchen von einer Englandfähre. Sollte Nora etwa eine Chance haben, eine Spur in so einem alten Fall zu entdecken.

Wie der Zufall machmal so spielt, manche Verbrechen scheinen ungelöst zu bleiben und mache werden nach langen Jahren doch noch aufgeklärt. Im dänischen Fernsehen wurde nochmal über den Fall berichtet und so hat Nora einen Ansatz für ihre Nachforschungen. Im Laufe ihrer Ermittlungen, die sie sowohl in Dänemark als auch in Groß Britannien beschäftigen, trifft sie ihren alten Bekannten Andreas wieder, der inzwischen bei der Polizei gelandet ist. Leider ist er inzwischen in einer Beziehung. Umso engagierter stürzt sich Nora Sand in die Untersuchung um das Verschwinden der Mädchen und findet eine Spur, die zu einem Serientäter führt, der schon seit langem im Gefängnis sitzt.

Nora Sand ist eine sympathische Journalistin, die ihre Frau auch schon mal beim Thai-Boxen steht. Meist geht sie allein durchs Leben, nach einer Partnerschaft sehnt sie sich allerdings schon. Ihre Neugier und Hartnäckigkeit sind ihrer Tätigkeit sehr zuträglich. Sie lässt nicht so schnell locker und sie hat ein Händchen dafür, Menschen dazu zu bringen, mehr preiszugeben als sie eigentlich wollten. Manchmal möchte sie auch mit dem Kopf durch die Wand und dann beachtet sie gut gemeinte Warnungen nicht.

Die Idee durch einen Zufallskauf auf eine Spur in einem alten Fall zu stoßen, ist wirklich spannend. Allerdings kommen manche Zufälle etwas sehr gelegen und die Liebesgeschichte entfaltet nicht so großen Schmelz, eher fragt man sich, wozu Nora vermeintlich kalten Kaffe aufwärmt. Entschädigt wird man aber von einigen Entdeckungen und Wendungen, die überraschen und einen neugierig weiterlesen lassen. Ein guter Start einer Reihe, der Lust macht, auch den nächsten Band in Angriff zu nehmen.

Veröffentlicht am 10.04.2018

Lebensabenteuer

Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte
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Von Anfang an mochte die Mutter das Kind nicht. Und so hat der im 19. Jahrhundert in den Schweizer Bergen geborene Hans Roth es nicht leicht. Der etwas zu klein geratene Hans verlässt früh seine heimatlichen ...

Von Anfang an mochte die Mutter das Kind nicht. Und so hat der im 19. Jahrhundert in den Schweizer Bergen geborene Hans Roth es nicht leicht. Der etwas zu klein geratene Hans verlässt früh seine heimatlichen Gefilde. Auf seinem Weg kommt er unter die Fittiche verschiedener Personen und er bereist so die Welt. Er legt sich den weniger unscheinbaren Namen Louis de Montesanto zu. Nicht nur erlebt er Geschichten, er beginnt auch sie auszuschmücken und zu erzählen. Und immer wieder verlässt er Orte und Menschen, niemals mehr kann er einen Ort seine Heimat nennen.

Ausgesprochen liebevoll gestaltet ist dieser Lebens- und Abenteuerbericht. Seinen Roman bezeichnet der Autor Michael Hugentobler als fiktive Geschichte eines Mannes, der wirklich gelebt hat. Er schreibt von Louis’ Leben und seinen Reisen. Was ist wahr, was kann nicht wahr sein. Als tragisch aber kann man das Leben des Louis de Montesanto bezeichnen. Seit seiner Geburt, so kann man wegen seiner Kleinwüchsigkeit nur sagen, hatte er es nicht leicht. Gemessen daran findet er jedoch immer Menschen, die ihm Arbeit, Essen und Wohnung gegen. Doch so wie er bereits seine Heimat verlassen hat, so verlässt er auch später seine Gönner. Nur während der kurzen Zeit seines Erfolges als vermeintlicher Darsteller wahrer Erlebnisse, ist er auf der Höhe seines Lebens. Schnell jedoch ist es damit vorbei, als herauskommt, dass er doch das Meiste erfunden hat.

Wie geht man am Besten an ein Buch eines Genres heran, das man sonst eher weniger liest. Möglichst unvoreingenommen natürlich. Was aber, wenn es einem dennoch nicht so recht liegt. Trotzdem kann man die abenteuerlichen Erlebnisse des Protagonisten genießen, sich amüsieren über seine Ausschmückungen, die Tragik seines Lebens nachempfinden. Die Nachforschungen der Tochter bringen sogar Spannung in die Geschichte. Allerdings etwas distanziert und beschreibend bleibt der Ton und das ist, woran sich entscheidet, ob man diesen Bericht gebannt inhaliert oder doch zwar mit Wärme aber doch eher aus der Ferne die Handlung verfolgt. Eine Lektüre, die für Liebhaber des Genres ein tolles Leseerlebnis bietet und die anderen einen interessanten Einblick in ein ungewöhnliches Leben gewährt.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Eifersucht kann töten

Spreewaldrache (Ein-Fall-für-Klaudia-Wagner 3)
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Nach einer Technoparty wird der junge Daniel schwer verletzt aufgefunden. Gefährliche Körperverletzung lautet die Fallkennzeichnung. Kriminalobermeisterin Klaudia Wagner beginnt mit den Ermittlungen. Doch ...

Nach einer Technoparty wird der junge Daniel schwer verletzt aufgefunden. Gefährliche Körperverletzung lautet die Fallkennzeichnung. Kriminalobermeisterin Klaudia Wagner beginnt mit den Ermittlungen. Doch der junge Mann kann sich nicht an viel erinnern oder er sagt nichts. Wenig später wird ein älterer Mann, der offensichtlich ein Penner war, tot in einer Datsche entdeckt. Der alte Mann stand in Beziehung zu den anderen Personen, die als Beteiligte festgestellt werden konnten. Doch in der kleinen Spreewaldgemeinde wird Schweigen groß geschrieben. Jedoch deutet einiges darauf hin, dass die Ereignisse auf einen Brand zurückgehen, bei dem vor zwanzig Jahren ein Jugendlicher umgekommen ist.

Noch immer ist Klaudia Wagner nicht ganz im Spreewald angekommen. Ursprünglich stammt sie aus dem Ruhrgebiet und sie hat sich aus persönlichen Gründen nach Brandenburg versetzen lassen. Schwierig ist das Ankommen, aber nicht unmöglich. Auch wenn es immer wieder Schwierigkeiten gibt, fühlt sie sich doch so langsam heimisch. Der neue Fall, ihr dritter, erweist sich als nicht leicht zu knacken. Die Sache von damals scheint noch nicht ausgestanden zu sein. Da haben wohl einige noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen. Doch warum nicht einfach die Vergangenheit ruhen lassen. Allerdings, manches nagt an einem und wird nie vergessen.

In ihrem dritten Fall hat es Klaudia Wagner nicht leicht, eine Lösung zu finden. Sehr verschlungen sind die Beziehungen der beteiligten Familien. Es wirkt wie ein wir gegen die. Und möglicherweise kann Eifersucht tatsächlich töten. Wenn Probleme schweigend unter den Teppich gekehrt werden, können sie nie richtig verarbeitet werden. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, bricht alles wieder auf. Natürlich wird es durch diese Hintergründe, die in der Vergangenheit verborgen liegen, alles andere als einfach, die Gegenwart zu verstehen. Fraglich, ob jemals alles herauskommt. Was zu Beginn nur in kleinen Schritten vorankommt, wirkt am Ende etwas überhastet, so dass man sich fragt, ob man nicht etwas verpasst hat. Dennoch versteht es Klaudia Wagner mit ihrem Auftreten zu fesseln, ihre zielstrebige Art überzeugt und die stimmungsvollen Beschreibungen des Spreewalds im November lassen einen wünschen, den Ort im Sommer zu besuchen.

Veröffentlicht am 06.04.2018

Kleine Lissie

Das Böse, es bleibt
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Die junge Marlene flieht vor ihrem Mann. Im vereisten Winter des Jahres 1974 macht sie sich mit dem Auto auf durch eine unwirtliche Gegend in Südtirol. In dem beginnenden Schneesturm kommt sie mit ihrem ...

Die junge Marlene flieht vor ihrem Mann. Im vereisten Winter des Jahres 1974 macht sie sich mit dem Auto auf durch eine unwirtliche Gegend in Südtirol. In dem beginnenden Schneesturm kommt sie mit ihrem Wagen von der Straße ab. Als Marlene wieder erwacht, findet sie sich auf dem Erbhof eines Bauern wieder, auf dem nur der Bauer Simon Keller lebt. Zunächst ist Marlene sehr erleichtert, dass ihr nicht mehr passiert ist und dass sie für ein paar Tage bei Simon unterkommen kann. Doch je länger sie sich in der Abgeschiedenheit aufhält, desto unheimlicher wird ihr der Gastgeber. Inzwischen hat auch ihr Mann den Auftrag gegeben, nach Marlene zu suchen.

Hat Marlene nun Glück im Unglück gehabt? Zumindest sieht es erstmal so aus. Alles kann nur besser sein als die Ehe mit einem Mann, der ein Verbrecher ist. Auf diesem einsamen Hof wird sie nicht so schnell gefunden werden. Doch je länger sie mit Simon Keller unter einem Dach ist, desto mehr bekommt sie es mit der Angst zu tun. Oder ist es normal, dass der Bauer mit den Schweinen redet, ihnen Namen gibt und besonders der Sau Lissie zugetan zu sein scheint. Lissie, eine ausgesprochen große Sau, die immer Hunger hat nach ihrem durch Simon liebevoll zubereiteten Nahrungsbrei. Offensichtlich versteht sich Simon mit seinen Schweinen besser als mit den Menschen.

Was recht harmlos mit einer durchaus verständlichen Flucht beginnt, wächst sich zu einem richtigen Schauerroman aus. Marlene muss in großer Gefahr bestehen und man empfindet mit ihr, wenn sie vor Unbehagen und Angst nicht mehr ein noch aus weiß. Gleichzeitig verfolgt man die Suche, die ihr Mann in Auftrag gegeben hat. Und man fragt sich, wie Marlene der Bedrohung entkommen soll. Von allen Seiten scheint Gefahr zu drohen. An einem Punkt wünscht man fast, der Sucher würde der Retter sein, auch wenn er ein Mann des Vertrauens ist, der für seine Kunden abschließende Regelungen herstellt. Sehr gut gelingt es dem Autor, die Spannung langsam aufzubauen. Immer wenn die Rettung nah scheint, tut sich eine neue Gefahr auf, und wenn man meint, nun ist es aus, bietet sich doch ein Ausweg an. Allerdings wird man von diesem Spannungsroman erst gegen Ende hin wirklich gepackt.

Wie gewohnt liest Mathias Koeberlin gekonnt, seine „Süße Lissie, kleine Lissie“ ist schon allein des Hörens wert.