Er versuchte, die lauter werdenden Rufe um sich herum zu ignorieren, die ihn einen Feigling nannten und damit so lange anspornten, bis er schließlich nachgab und sich erhob, um allen das Gegenteil zu beweisen.
Ein stechender Schmerz brachte ihn zurück in die Gegenwart. Wie ein glühender Draht bohrte er sich von seinem Kopf durch die Wirbelsäule hinunter und endete erst in Höhe der Hüfte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Trage, auf der er mittlerweile lag, mithilfe eines Seils in die Luft gezogen wurde.
In Gedanken verabschiedete er sich von der Erde unter ihm und von einem lang gehegten Traum, der sich nun niemals erfüllen würde.
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INHALT:
In einem Biergarten lernt die junge Samantha zwei Männer kennen: Den fröhlichen und schönen Basti, der im Rollstuhl sitzt, und seinen besten Freund Josh - körperlich gesund, aber zerfressen von Schuldgefühlen. Samantha und Basti verlieben sich und werden bald ein Paar, doch Joshs Depressionen machen ihnen beiden zu schaffen. Als Sam auch für ihn da sein will, entwickeln sich auch zwischen ihnen Gefühle. Doch bald wird ihr klar, dass sie damit die Freundschaft der beiden Männer gefährdet...
MEINE MEINUNG:
Jessica Koch hat sich in den letzten Jahren mit ihrer "Danny"-Trilogie in die Herzen ihrer Leser geschrieben. Liebesromane mit Tiefgang scheinen ihr Steckenpferd zu sein, und genau das habe ich mir auch von "Die Endlichkeit des Augenblicks" erhofft: Schließlich ist einer der Protagonisten hier ein Rollstuhlfahrer, was man nur sehr selten in der Literatur oder anderen Medien erleben darf. Der Schreibstil ist aber überraschend emotionslos - und dadurch, dass jede der Hauptfiguren immer nur für ein kurzes Kapitel zu Wort kommt, bevor die Perspektive wechselt, kommt einem keine wirklich nahe. Das größte Problem, das ich mit dem Buch hatte, kommt aber erst nach zwei Dritteln - und hat es in sich. Daher ist diese Besprechung auch gleichzeitig eine Warnung.
Samantha habe ich als Protagonistin als extrem anstrengend empfunden. Einer ihrer ersten Gedanken beim Anblick von Bastis Rollstuhl ist, dass sie nicht für so jemanden sorgen möchte - nachdem sich die beiden noch nicht einmal für ein zweites Date verabredet haben. Sie ist unnötig eifersüchtig und macht aus allem ein Drama, obwohl gerade sie mit einer autistischen Schwester es besser wissen müsste. Basti ist eigentlich ein sehr netter Zeitgenosse, der einem mit seiner Fröhlichkeit immer wieder Hoffnung gibt, auch wenn diese verständlich und realistisch des Öfteren mit Zweifeln und Trauer über seine verlorenen Träume verbunden ist. Seine Lähmung und der Umgang damit werden zumeist realistisch dargestellt, was ein Pluspunkt ist. Josh dagegen konnte ich von Anfang bis Ende nicht leiden - er suhlt sich förmlich in seinen Schuldgefühlen und auch wenn diese teilweise nachvollziehbar erscheinen, so sind es seine Taten nicht. Er benimmt sich jedem gegenüber komplett unmöglich und das ändert sich auch nicht.
Alles in diesem Roman entwickelt sich viel zu schnell, wodurch keinerlei Gefühle bei einem ankommen. Sehr schnell sind Basti und Samantha verliebt, ohne dass man dies wirklich miterlebt hätte, denn die einzelnen Treffen werden immer wieder mittendrin mit einem Sprung von Stunden oder gar Tagen unterbrochen. Viele der Geschehnisse sind extrem überspitzt - dass sie ihm etwa unterstellt, sich nicht um sie zu kümmern, obwohl er ihr sogar aus dem Urlaub hunderte Nachrichten am Tag schickt. Samanthas und Joshs romantische Gefühle sind nach der anfänglichen Abneigung viel zu plötzlich da und nicht glaubwürdig, und dass sie ihm sogar hilft, nicht in die Psychiatrie eingewiesen zu werden, obwohl das meiner Meinung nach seine einzige Hilfe wäre, fand ich schon ein wenig problematisch.
Das alles wäre für mich aber noch kein Grund gewesen, eine so schlechte Bewertung zu vergeben, wie ich es nun tue. Auf Seite 243 jedoch geschieht etwas, das ich nicht verschweigen kann, ein Ereignis, das ich spoilern muss, um davor warnen zu können: Josh und Samantha haben nämlich Sex - und ohne ihr Wissen entfernt er währenddessen das Kondom, um sie schwängern zu können. Im Amerikanischen gibt es einen Begriff dafür: "Stealthing", und dies kann strafrechtlich geahndet werden, kommt meiner Meinung nach sogar einer Vergewaltigung gleich. Samantha hat sich ja immer ein Kind gewünscht und kann dieses nicht mit Basti haben - so wird sich die Situation hier zurechtgebogen, so wird Josh zum Helden gemacht. Aber nicht nur, dass durch das Entfernen eines Kondoms eine Schwangerschaft entstehen kann, auch Krankheiten werden genau so übertragen! Gerade, dass hier in keinster Weise das Verhalten von Josh kritisiert, sondern er im Gegenteil noch dafür bewundert wird, finde ich absolut gruselig und wirklich gefährlich. An dieser Stelle sehe ich mich in der Pflicht, eine Warnung auszusprechen, denn so eine Tat als Normalität anzusehen, geht in einem Roman einfach gar nicht.
FAZIT:
"Die Endlichkeit des Augenblicks" wäre aufgrund der überdramatischen Handlung und der unlogisch handelnden Protagonisten wahrscheinlich sowieso nicht mein Buch gewesen - aber dass der männliche Hauptcharakter Josh ohne das Einverständnis von Samantha während des Geschlechtsverkehrs das Kondom entfernt, hat mich mit komplettem Unverständnis zurückgelassen. Ich habe darüber nachgedacht, das Buch einfach nicht zu rezensieren, aber eine Warnung war mir wichtiger. Daher gehe ich in meiner Wortwahl auch so drastisch vor - und vergebe nicht mehr als 1 Punkt.