Ruhe(stands)störung
Der Waliser Peter Smith lebt seit einigen Jahren im Ruhestand in Arles, er schreibt an einem Buchprojekt. Eines Tages wird er beim Verlassen der Stierkampfarena niedergeschlagen und wacht auf unter einem ...
Der Waliser Peter Smith lebt seit einigen Jahren im Ruhestand in Arles, er schreibt an einem Buchprojekt. Eines Tages wird er beim Verlassen der Stierkampfarena niedergeschlagen und wacht auf unter einem toten Mann auf. Als er ins Krankenhaus gebracht wird, erfährt Smith, er sei gestolpert – von einem Arzt, der einen anderen Namen nennt, als auf seinem Kittel steht. Und von einem Polizisten, der auch nicht ganz zur Situation passt, erfährt er, dass der Tote, Robert DuGresson, einem Herzinfarkt erlegen sei. Das würde schon einen harmlosen Ruheständler verwirren. Doch von Smith erfährt man als nächstes, dass seine Vergangenheit wohl nicht so harmlos war. Dann bittet ihn die Witwe um Unterstützung mit den denkwürdigen Worten: »Monsieur Smith. Wie Ihnen aufgefallen sein dürfte, bin ich keine trauernde Witwe. Mein Gatte war ein Schwein, und er ist mir jetzt, da er tot ist, ebenso egal wie zu Lebzeiten.« S. 33
Übernommen von der Piper-Webseite: „Anthony Coles lebt, genau wie seine Hauptfigur, seit einigen Jahren in Arles. Und genau wie Peter Smith ist auch er Kunsthistoriker, der an renommierten Universitäten auf beiden Seiten des Atlantiks unterrichtet hat. Für den Geheimdienst war er allerdings nie tätig, sondern, etwas prosaischer, auf dem internationalen Wirtschaftssektor. Er hat zwei erwachsene Töchter und einen Windhund namens Arthur. »Ein Gentleman in Arles – Mörderische Machenschaften« ist sein erster Roman.“
Anthony Coles lässt seinen Peter Smith zelebrieren, wo beide leben, in den Spaziergängen, den Fahrten, den Landschaftsbeschreibungen und vor allem dem Essen (Warnung: kein Buch, wenn man danach einkaufen gehen will Darüber hinaus ist der Krimi im Wesentlichen in der Tradition eines „Whodunnit“ geschrieben mit Actionszenen, der Vergangenheit von Smith geschuldet. Die Darstellung ist inhaltlich oberhalb vieler Werke des Genres, mit Hintergrundwissen zur Kultur, zu Weinen, zur IT, zu…ja, Coles und Smith haben Wissen, ohne dabei Besserwisser zu sein. Smith ist ernüchtert, ohne Vertrauen in Institutionen, mehr verärgert darüber, zum Besten gehalten zu werden, als gar von Moral getrieben. Im zur Seite stehen Windhund Arthur und Freund Gentry, meine Lieblingscharaktere, und natürlich gibt es auch eine Frau mit einem Geheimnis. Insgesamt ein Lesevergnügen, das nicht nur Lust auf die Provence machte, sondern auf mehr zu den Akteuren – sonst wecken Provence-Krimis bei mir nur die Reiselust und sind, im Gegensatz zu diesem Krimi, eher „nett nebenbei“.
Was nicht passte: Kleinkram. Es heißt, Smith sei 65, an anderer Stelle, er sei Jahrgang 1952 (der passende Wein!). Das hieße, es ist gerade 2017. Und im Buch wird geschrieben von gängigen Windows-NT-Betriebssystemen (S. 90) – 2017??? Übersetzt doch einfach „gängige Betriebssysteme“ oder, ganz wagemutig, Microsoft-Betriebssysteme. Die restlichen IT-Begriffe passen auch eher in die Jetzt-Zeit als in die von NT. Dafür hat man sich für die, ich bitte um Entschuldigung, bescheuerte Anlehnung an den Towles-Roman, „A Gentleman in Moscow“ entschieden. Das hat der Text nicht nötig, es wäre auch das völlig falsche Genre. Und hier google ich wie immer – was war das vorher? Interessant: Im Original scheint es sich um den Titel „A Retirement Disturbed“ von 2013 zu handeln, vielleicht wurden die Jahre angepasst in der deutschen Übersetzung? Immerhin erfahre ich, dass es noch „An Incident at Beauduc“ und „The Albanian Adventure“ in mein Leseregal schaffen werden, egal, was für Titel man denen antun wird.
Zu 5 Sternen aufgerundete 4 1/2 Sterne, weil mich hier vor allem auch der Schluss überzeugte.