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Veröffentlicht am 11.01.2018

Wiedersehen in Dorset

Wiedersehen in Dorset
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1939 wird die dreizehnjährige Poppy Brown aus London evakuiert und aufs Land nach Dorset geschickt. Sie ist eine von drei Millionen Menschen, die während des zweiten Weltkrieges die Hauptstadt und anderen ...

1939 wird die dreizehnjährige Poppy Brown aus London evakuiert und aufs Land nach Dorset geschickt. Sie ist eine von drei Millionen Menschen, die während des zweiten Weltkrieges die Hauptstadt und anderen Großstädten verlassen, um den Bombardierungen zu entgehen, und findet Aufnahme auf Squire's Knapp, dem großen Anwesen der wohlhabenden Familie Caroll.

Poppy teilt nun das Los vieler anderer Kinder: Allein und weit weg von ihren Eltern, mit nur wenig Hab und Gut, leidet sie unter der Trennung und weiß nicht, ob sie ihre Familie im Londoner Stadtteil West Ham jemals wieder sieht. Sie ist verängstigt, und die Bewohner des Hauses, insbesondere die unterkühlte Mrs. Carroll, machen das Leben nicht unbedingt leichter für sie.

Einer der Lichtblicke ist jedoch Guy Carroll. Poppy schwärmt von Anfang an hingebungsvoll für ihn, wenngleich er für sie unerreichbar scheint. Denn da ist zum einen seine Herkunft, zum anderen Amy, Guys Verlobte. Ungeachtet der Umstände nimmt diese Poppy unter ihre Fittiche und wird zu ihrer Verbündeten. Poppy hängt an ihr und hebt sie auf ein Podest. Umso größer ist ihre Enttäuschung, als Amy, die Person, die sie immer für einen Engel gehalten hat, vor der drohenden Gefahr außer Landes flieht und damit Guy ebenfalls im Stich lässt, der in den Krieg zieht.

Auch Poppy muss nach London zurückkehren, weil sie dort gebraucht wird. Während die Jahre vergehen, der Krieg kein Ende zu nehmen scheint, wächst sie zu einer hübschen jungen Frau heran, die sich neuen Herausforderungen stellt und an ihrem Ziel arbeitet, Krankenschwester zu werden.

Was hält das Schicksal noch für sie bereit, und wird sie Guy eines Tages wiedersehen?

Lily Baxter hat sich bei Poppys Geschichte in "Wiedersehen in Dorset" von den Erlebnissen ihrer eigenen Mutter inspirieren lassen, die das Los jener Kinder teilte, die wegen der Bombardierungen fernab ihrer Familie aufs Land geschickt wurden. Es ist zu spüren, dass die Autorin daneben zudem eigene Kindheitserinnerungen in die Handlung einfließen lassen hat. Diese liest sich mit Leichtigkeit, der Schreibstil fordert den Leser aber auch nicht. Das eine oder andere Mal fehlt es zudem an Ausdruckskraft, und mit Hinweis auf die Übersetzung ist es eher fraglich, ob ein Wort wie „schnieke“ im Englischen Verwendung findet.

Zwar wartet das Geschehen mit ein paar Wendungen auf, ist hingegen im Ganzen nicht überraschend. Vielmehr überfrachtet Lily Baxter das Schicksal von Poppy und driftet dadurch - wenn auch nur im geringen Maße - ins Sentimentale ab. Etwas weniger Dramatik wäre hier von Vorteil gewesen.

Auflockernd für den Erzählfluss ist das Auftauchen bestimmter Produkte der damaligen Zeit. So gibt es unter anderem Pralinen von Rowntree's und Cadbury's Nussschokolade, Brylcreem-Pomade und Gibbs-Zahnpasta, es werden Woodbines und Kensitas-Zigaretten geraucht und „Run, Rabbit, Run“, „Any Old Iron“ und „Knees up Mother Brown“ gehört.

Hinsichtlich der Figuren hat die Autorin ein Augenmerk auf ihre Hauptfigur gelegt. Im Wesentlichen gelingt es der Autorin gut und in einem soliden Rahmen, Poppys Entwicklung vom unsicheren und zurückhaltenden 13-jährigen Mädchen aus der Arbeiterklasse zur selbstbewussten jungen Krankenschwester im historischen Kontext der Kriegsjahre darzustellen sowie ihre charakterlichen Eigenschaften deutlich zu machen. Gleichfalls überzeugt sie mit der Beschreibung der Empfindungen ihrer Protagonistin.

Poppy hat das Herz am rechten Fleck. Da sie aus ihrem vertrauten Umfeld herausgerissen wird, ist sie zunächst verunsichert, zumal sie, die eigentlich immer viel Trubel um sich hatte, nunmehr allein und sowohl ohne Familie als auch Freunde dasteht und sich behaupten muss. Dies ist von Erfolg gekrönt, so dass Poppy mehr und mehr Verantwortung übernimmt, ihre positiven Züge wie Großherzigkeit und Hilfsbereitschaft verstärken sich. Auch verliert sie nie die Freude an den einfachen Dingen.

Die Liebesgeschichte wird angenehm zurückgenommen erzählt. So spielt auch der Part von Guy eine kleinere Rolle, füllt diese aber entsprechend den Vorgaben aus. Gleichwohl entspricht das Bild von Guy dem eines britisch unaufgeregten jungen Mannes seiner Kreise, der geradlinig und ehrenhaft handelt, seine Pflicht gegenüber dem Vaterland erfüllt.

Daneben fügen sich die Nebenfiguren mehr oder weniger intensiv ein und beleben das Geschehen.

Die Geschichte unterhält mit einem manierlichen Plot, der im Ansatz, das Schicksal einer jungen Frau in Kriegszeiten zu schildern, durchaus positiv zu werten ist. Allerdings vermag sie es letzten Endes nicht, den Leser durchgängig zu begeistern und so nachdrücklich in Erinnerung zu bleiben.

Veröffentlicht am 03.03.2017

Lady Lanwoods kühner Plan

Lady Lanwoods kühner Plan
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Victoria, die Tochter von Lord und Lady Lanwood, ist gerade 18 Jahre alt geworden und verschwendet keinerlei Gedanken daran, sich zu verheiraten. Zumal ein für sie bisher akzeptabler Kandidat nicht in ...

Victoria, die Tochter von Lord und Lady Lanwood, ist gerade 18 Jahre alt geworden und verschwendet keinerlei Gedanken daran, sich zu verheiraten. Zumal ein für sie bisher akzeptabler Kandidat nicht in Sicht ist. Erfreulicherweise weiß sie ihre Mutter Elizabeth auf ihrer Seite, diese hält eine Heirat noch lange nicht für erforderlich. Doch ihr Vater sieht das völlig anders, und er lässt nichts unversucht, seiner Tochter immer wieder in seinen Augen passende Männer zu präsentieren.

Die junge Frau zeigt gänzlich andere Interessen, hat sie doch das Fotografieren für sich entdeckt und probiert eifrig die Möglichkeiten der Kamera aus. Dabei beweist sie zwar Talent, stößt aber nicht unbedingt auf Anerkennung.

Als Lord Lanwood gar den Frauen mangelndes Verständnis für die technischen Neuerungen der Zeit abspricht, fühlt sich seine Frau Elizabeth herausgefordert und will ihren Mann überzeugen, dass Frauen durchaus zu mehr in der Lage sind, als Kinder zu beaufsichtigen und Mahlzeiten zuzubereiten. Und die Gelegenheit bietet sich dafür auf der Weltausstellung im Londoner Hyde Park.

Voller Elan begeben sich Elizabeth und ihre Freundinnen auf die Suche nach Exponaten aus der ganzen Welt, die von Frauen entdeckt und geschaffen wurden. Und während die junge Victoria heimlich zur Assistentin eines Fotografen und des Reporters Trevor wird, reisen die Schwestern Annie Jane und Claire nach Afrika.

Doch die Tatsache, dass englische Frauen an einer solchen Ausstellung teilnehmen wollen, beschwört einen gesellschaftlichen Eklat herauf. Und es ist fragwürdig, ob die Frauen angesichts der ablehnenden öffentlichen Meinung in der Lage sein werden, ihr Ziel zu erreichen. Lady Lanwood muss zu ungewöhnlichen Mitteln greifen, um ihren kühnen Plan zu verwirklichen...

Majon Wallis führt uns mit ihrer Geschichte mitten ins das 19. Jahrhundert. Sie erzählt zurückhaltend und bleibt im Ausdruck der Sprache der damaligen Zeit treu. Dadurch gelingt es ihr, ein ansehnliches Bild zu zeichnen, wobei unter anderem die Stimmung im Vereinigten Königreich unter Königin Victoria gut eingefangen wird. Die illustre Damenriege um Lady Elizabeth verwirrt zuweilen in der Vielfalt, doch nachdem sich einzelne Handelsstränge lösen, gelingt die Unterscheidung. Die Charakterisierung ist einfach, aber ausreichend, um Gespür für die eine oder andere Person zu bekommen. Dabei vermag es die Autorin, die Beweggründe der einzelnen Frauen verständnisvoll zu schildern. Beispielsweise ist Lady Elizabeth eine Frau in den besten Jahren, ihrem Gatten zwar aufrichtig zugetan und sich ihrer Verpflichtungen bewusst. Aber im Laufe der Ehejahre haben sich Unzufriedenheit und Langeweile und eine diffuse Mattigkeit eingestellt. Von ihrer eigenen Idee inspiriert, lockt bald das Abenteuer.

Die Autorin setzt mit ihrer Geschichte denjenigen Frauen ein kleines Denkmal, die den sich anbahnenden Wandel in der Gesellschaft nutzten, sich den starren Regeln zu widersetzen und wagemutig und neugierig fernab von Heim und Herd Herausforderungen zu stellen, dabei Erfindungsgeist und Begeisterung für technische Neuerungen entwickelten und sich unerschrocken auf Reisen in ferne Länder begaben, sofern dies ihre finanziellen Möglichkeiten zuließen. Denn angesichts der Abhängigkeit der Frauen ist unschwer zu erkennen, dass vor allem Frauen der höheren gesellschaftlichen Schichten ihren Wissensdurst zu stillen suchten. Gleichwohl schlägt auch ihnen Skepsis und Ablehnung entgegen.

Wie sich Lady Lanwood und ihre Mitstreiterinnen diesem stellen, ist kurzweilige, manchmal mit einem Augenzwinkern versehene Unterhaltung, bei der Romantik nicht zu kurz kommt.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 15.09.2016

Piraten ahoi!

Der Magische Spiegel - Piraten ahoi!
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Endlich Ferien! Ein paar Wochen keine Schule und nur das tun, wozu man Lust hat. Familientreffen gehören nach Ansicht von Luis definitiv nicht dazu. Deshalb ist er nicht begeistert, als er mit seiner Mutter ...

Endlich Ferien! Ein paar Wochen keine Schule und nur das tun, wozu man Lust hat. Familientreffen gehören nach Ansicht von Luis definitiv nicht dazu. Deshalb ist er nicht begeistert, als er mit seiner Mutter zum Haus seines Großvaters fährt, um dort einen ganzen Sommer lang zu bleiben. Und zwar mit einer Menge Verwandter, die er kaum kennt. Dafür soll er seine Spielekonsole liegen lassen? Wenigstens ist Razz dabei, und wenigstens die kleine Mischung aus Terrier und entflohenem Irren (O-Ton Luis) scheint voller Vorfreude zu sein.

Als Luis Jade trifft und sich die beiden auf Anhieb gut verstehen - nicht nur, weil ihnen die ältere, rechthaberische Cousine Sina gleichermaßen auf die Nerven geht - verspricht der Sommer doch nicht langweilig zu werden. Mit Razz erkunden sie das Gelände und vor allem das alte Herrenhaus. Auf dem Dachboden stöbern sie in einem alten Koffer und entdecken darin unter anderem eine Glasflasche, in dem ein altmodisches Modellschiff steckt. Und dann stehen sie plötzlich vor einem seltsamen Spiegel, in sie so ganz anders aussehen. Genauso altmodisch wie das Flaschenschiff. Und ehe sie begreifen können, was geschieht, befinden sie und Razz sich schon mitten im 17. Jahrhundert auf dem Schiff des berühmt-berüchtigten Piraten Henry Morgan und erleben ein spannendes Abenteuer in einer anderen Zeit...

"Piraten ahoi!" ist der Auftakt der Kinderserie "Der Magische Spiegel" von Nicolas Campbell, in der junge Leser Luis, Jade und Razz auf ihren fantastischen Reisen in die Vergangenheit begleiten können.

Bei ihrem ersten Abenteuer werden die Kinder und ihr Hund Razz auf ein Piratenschiff katapultiert und müssen beweisen, was in ihnen steckt. Das Geschehen schreitet zügig und ohne Längen voran, wobei der Erzählton altersgerecht und verständlich ist, gleichwohl hinsichtlich von Bezeichnungen und Namen durchaus Aufmerksamkeit erfordert. Die im Mittelpunkt stehenden Kinder - Luis und Jade - erhalten eine ansprechende Charakterisierung und lassen sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen eine Identifizierung zu, und mit Razz kommen ebenso die Hundefreunde auf ihren Kosten. Werte wie Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt bei der Lösung von schwierigen Situationen werden thematisiert, ohne aufdringlich zu sein.

Die Idee, mittels eines Artefakten, Zeitreisen zu unternehmen, ist vielleicht nicht neu, wird in diesem Fall aber auf angenehme Weise umgesetzt. Hierbei fügen sich auch die Illustrationen von Folko Streese sehr harmonisch ein und machen das Buch zu einem Erlebnis für die jüngeren Lesefreunde.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Rosengeige

Der Mondscheingarten
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So hätte ich persönlich vielleicht eher den Roman "Der Mondscheingarten" von Corina Bomann genannt. Denn eine Geige mit besonderem Rosenmuster ist Mittelpunkt der Geschichte und verbindet das Schicksal ...

So hätte ich persönlich vielleicht eher den Roman "Der Mondscheingarten" von Corina Bomann genannt. Denn eine Geige mit besonderem Rosenmuster ist Mittelpunkt der Geschichte und verbindet das Schicksal von drei Frauen miteinander.

Da ist zum ersten die junge Geigerin Heather. 1920 soll sie ein Konzert geben, doch kurz vor Beginn verlässt sie die London Hall und verschwindet.

2011 bekommt Lilly, eine junge Witwe, die einen kleinen Antiquitätenladen in Berlin hat, eines Tages Besuch von einem älteren Herrn, der ihr eben diese Geige in die Hand drückt mit dem Bemerken, sie würde die Person sein, die ein Recht darauf habe, das Musikinstrument zu besitzen. Dabei hat sie so gar nichts mit Musik zu tun.

Rose dagegen schon. Auch sie ist Geigerin. 1902 ist sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, und wir begegnen ihr auf Sumatra.

Natürlich möchte Lilly das Rätsel der Rosengeige lösen. Tatkräftige Unterstützung bekommt sie in London, Italien und auf Sumatra. Nicht nur ihre Freundin Ellen, der äußerst charmante (!) Musikexperte Gabriel und noch ein paar Leute stehen ihr hilfreich zu Seite. Wir sind immer mit dabei, oder aber auch ein, zwei Schritte voraus, weil wir insbesondere vom Schicksal der Geigerinnen Rose und Heather im weiteren Handlungsträngen erfahren.

Sympathische Figuren, nette Menschen in tollen Umgebungen beherrschen das Terrain. So wirklich böse ist niemand. Nicht der Manager von Rose, nicht die alte Frau, die Heather "belästigt". Es gibt Schicksalsschläge und Zufälle, und davon reichlich. Ich fand es wiederholend und etwas übertrieben und hätte mir stattdessen mehr Tiefe bei der Charakterisierung der Figuren gewünscht. Gerade die Liebesgeschichte zwischen Rose und Paul bot mehr Potential (verheirateter Engländer liebt "halbe" Minangkabau - der Ethnie auf Sumatra/Indonesien mit matrilinearer und matrilokaler Kultur). Dabei nicht in Klischees zu verfallen, ist natürlich äußerst schwierig...

Einfluss auf meine Meinungsbildung hatte sicher auch die Tatsache, dass ich zum ersten Mal ein Buch geHÖRt habe. Das war zwar praktisch, ich konnte es sowohl beim Fahren im Auto hören als auch zu Hause auf der Couch sitzen und handarbeiten. Jedoch gebe ich zu, dass doch lieber ein Buch in der Hand halte. Ich blättere nämlich gern, mal vor, aber noch viel mehr zurück. Um an ein oder anderer Stelle nachzulesen. Das ist dann wichtig, wenn man wie ich mehrere Bücher parallel liest. Das klappt bei einem Hörbuch nicht bzw. nur kapitelweise (oder ich stelle mich zu dumm an). Dazu kommt, dass ich beim Lesen eine gewisse Vorstellung entwickele von Menschen und Dingen, je nachdem wie sie beschrieben sind. Ich habe dann oft auch die Stimme im Ohr. Beim Hörbuch liest jemand nach seinem Gusto. Und leider traf Elena Wilms im "Mondscheingarten" nicht durchgängig meinen Nerv. Zudem finde ich, dass einem beim Hören Wortwiederholungen deutlicher auffallen als beim Lesen. Mir als Deutsch-Fan jedenfalls.

Wer eine leichte (Urlaubs)Lektüre ohne großen Anspruch sucht, ist mit dem "Mondscheingarten" aber durchaus gut beraten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Buch des Kurfürsten

Das Buch des Kurfürsten
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In und um Heidelberg des Jahres 1595 liegt im November bereits Schnee. Das junge Ehepaar Hedwig und Philipp Eichhorn hat ihr Glück mit der kleinen Tochter Juliana (Juli genannt) gekrönt. Sie arbeitet als ...

In und um Heidelberg des Jahres 1595 liegt im November bereits Schnee. Das junge Ehepaar Hedwig und Philipp Eichhorn hat ihr Glück mit der kleinen Tochter Juliana (Juli genannt) gekrönt. Sie arbeitet als Magd beim wohlwollenden und großmütigen Tuchhändler Belier, er ist Knecht in der Kanzlei des Kurfürsten. Ihr Leben ist ruhig und beschaulich. Bis zu dem Tag, an dem Hedwig und ihre Tochter entführt und Philipp erpresst wird. Er soll ein bestimmtes Buch zunächst aus der Kanzlei entwenden, den Entführern übergeben und sodann zurückbringen, andernfalls er seine Familie nicht wiedersieht. So geschieht es auch, doch scheitert die "Rückgabe" am Nichterscheinen der Entführer. Philipp ist verzweifelt und verstrickt sich in Lügen, gegenüber allen und jedem. Währenddessen gelingt Hedwig und Juli mit Hilfe des Walisers Ryss die Flucht...

Wie stets bin ich mit Freude ans Lesen gegangen und habe versucht, zu den Figuren eine Beziehung aufzubauen. Das war etwas schwierig, weil man Hedwig und Philipp nicht gemeinsam agierend erlebt. Denn bereits auf den ersten Seiten des Romans finden Entführung und Erpressung statt. Irritiert hat mich zunächst auch der Name des Kindes: Juli. Sehr modern, dachte ich und konnte mir keinesfalls vorstellen, dass um 1595 jemand sein Kind so benannte. Die Aufklärung erfolgt erst auf Seite 85 (!), oder habe ich es bis dahin überlesen?

Der Sprachstil der Autorin ist größtenteils der Zeit angepasst. Ich persönlich habe allerdings manchmal die Grobheit in den Reden der Entführer als störend empfunden. Sehr umfangreich erfolgt eine Beschreibung der Ritterschaft und des Lehenswesens der damaligen Zeit, der Arbeit der kurfürstlichen Kanzlei mit den dort archivierten sogenannten Kopialbüchern, in denen entsprechende Lehen verzeichnet wurden. Auch Heidelberg und umliegende Ortschaften finden sich ausführlich im Text wieder. Ich hätte mich jedoch über eine Karte gefreut, um eine Vorstellung der Gegebenheiten zu bekommen, da ich dieses Gebiet überhaupt nicht kenne.

Es ist zu spüren, dass sich die Autorin intensiv mit den historischen Fakten auseinander gesetzt hat und diese vermitteln will. Dies tut sie zum Teil seitenweise, das heißt absatzlos.

Man darf quasi nicht absetzen beim Lesen, da man sonst die Stelle nicht wiederfindet. Das ist ein wenig anstrengend und im ersten Teil des Buches hat es mich auch etwas genervt und meine Lesefreude gemindert. Die kam dann erfreulicherweise im Verlaufe des Geschehens wieder, weil die Autorin nach der historischen Abhandlungen den Spannungsbogen wieder aufnimmt und entwickelt und daneben Augenmerk auf die Beziehung zwischen Hedwig und ihrem Fluchthelfer und Begleiter Ryss legt. Besonders gut hat mir hierbei gefallen, dass Marlene Klaus das Verhältnis zwischen der jungen Frau und dem anfänglich Fremden nicht zu einer Liebesgeschichte ausbaut, sondern mit viel Wärme eine Freundschaft zwischen diesen beiden Menschen erlebbar und nachvollziehbar beschreibt und uns an der Gedanken- und Gefühlswelt der beiden und auch Philipps, der sich sich damit auseinandersetzen muss, teilhaben lässt. Das empfinde ich als sehr gelungen.

Deshalb empfehle ich das Buch trotz seiner Schwächen auch gerne weiter.