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Veröffentlicht am 21.05.2018

"Der Mistral zerstört die alte Ordnung und macht Platz für Neues."

Das geheime Lächeln
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Die freie Journalistin und Übersetzerin Emilia Lukin lebt mit Ehemann Vladi, einem Arzt, in einem kleinen Ort in der Nähe von Baden-Baden. Die Söhne Leo und Mischa sind bereits aus dem Haus und ihre kranke ...

Die freie Journalistin und Übersetzerin Emilia Lukin lebt mit Ehemann Vladi, einem Arzt, in einem kleinen Ort in der Nähe von Baden-Baden. Die Söhne Leo und Mischa sind bereits aus dem Haus und ihre kranke Mutter Pauline lebt in einer psychiatrischen Einrichtung. Emilia und Vladi haben Eheprobleme, weil Vladi sich einen Seitensprung geleistet hat, seitdem herrscht Eiszeit zwischen den beiden. Als Emilia den Auftrag bekommt, einen Auktionskatalog zu übersetzen, findet sie dort im Angebot das Foto eines Gemäldes mit dem Abbild einer Frau. Die „Frau im Schatten“ ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, so dass Emilia vermutet, es handelt sich um ihre Großmutter Sophie Langenberg. Sophie galt als schwarzes Schaf der Familie und wurde von der Familie verstoßen, als sie als junge Frau in den 30er Jahren nach Paris ging. Seitdem hat niemand mehr über sie gesprochen, so ranken sich dementsprechend viele Geheimnisse um Sophie. Auch ihre Tochter Pauline wuchs ohne ihre Mutter auf und hat keine Erinnerungen an Sophie. Emilia ist neugierig und fährt zu der Auktion, am Ende ersteigert sie das Bild für sich. Doch sie will mehr über die „Frau im Schatten“ erfahren, deshalb fährt für einige Wochen nach La Lumière im Luberon, wo Sophie ein altes Haus besaß, welches sie nach dem Tod ihrer Tochter Pauline vererbte. Dort in der Abgeschiedenheit erhofft sich Emilia Abstand von ihren eigenen Problemen mit Vladi und vor allem endlich Informationen über ihre Großmutter Sophie. Durch Zufall lernt sie Jean-Pierre kennen, einen geheimnisvollen alten Mann, der ihre Großmutter gekannt hat und mit Sicherheit die Lücken füllen könnte. Aber Jean-Pierre ist ein schwieriger Zeitgenosse...

Bettina Storks hat mit ihrem Buch „Das geheime Lächeln“ einen spannenden halb historischen Roman vorgelegt, der zu fesseln weiß. Der Schreibstil ist flüssig, dabei atmosphärisch dicht und an manchen Stellen sogar poetisch zu nennen. Der Leser wird gleich in den Bann gezogen durch den geheimnisvollen Prolog, der einen während der Lektüre immer wieder ins Gedächtnis kommt. Die Landschaftsbeschreibungen des Luberon sind so bildgewaltig und farbenfroh, dass man die zauberhafte Gegend regelrecht vor Augen sieht und die ockerfarbenen Felsen fast mit den Händen greifen kann. Die Handlung teilt sich in zwei Zeitebenen auf, die eine berichtet von der Gegenwart rund um Emilia, ihrer Familie und ihren Nachforschungen. Die andere lässt die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts wieder aufleben und erzählt von Sophie und ihrem damaligen Leben in Paris bzw. in Frankreich. Durch den unregelmäßigen Wechsel der verschiedenen Zeitebenen gelingt es der Autorin, die Spannung der Handlung immer weiter zu steigern. Sie lässt den Leser die Geschichte Stück für Stück entdecken gleich einem Puzzle, das am Ende ein vollständiges Bild zeigt. Doch leider ist dies nicht so sehr gelungen wie in den anderen Romanen der Autorin. Die Geschichte ist zwar spannend und interessant, doch bleiben am Ende noch einige Fragen offen, die leider nicht beantwortet werden. Einige Male wirkt die Handlung recht verworren, da fehlt es dem Leser an mehr Informationen, um die Zusammenhänge zu verstehen.

Die Charaktere sind sehr individuell ausgearbeitet und wirken aufgrund ihrer Stärken und Schwächen sehr authentisch und real. Der Leser kann sich sehr gut in ihre Gedanken- und Gefühlswelt hineinversetzen und kann sowohl mit ihnen leiden als auch Hoffnung empfinden. Emilia ist eine patente Frau, die von ihrem Ehemann vor kurzem sehr enttäuscht wurde. Sie kann bisher nicht verzeihen und macht sich dadurch auch das Leben schwer. Gleichzeitig ist sie eine neugierige und sture Frau, die sich in ihren Nachforschungen verbeißt und oftmals sehr ungeduldig und aufbrausend wird, wenn sie diese nicht schnell genug vorantreiben kann. Sie ist eine Frau, die ihre Emotionen lebt und sie nicht hinter einem Schleier versteckt. Ehemann Vladi ist ein netter Mann, der sehr geduldig und zuvorkommend ist. Jean-Pierre ist ein distinguierter älterer Herr, der bereits ein langes und ereignisreiches Leben geführt hat. Er ist verschwiegen, besitzt eine schriftstellerische Ader und wahrt die Dinge, die er erlebt hat, bis zuletzt. Er vertraut nicht leicht und muss jemanden erst besser kennen, bevor er sich nach und nach öffnet. Sophie ist eine interessante Frau, die bereits in jungen Jahren lernen musste, dass sie durch ihre eigenen Vorstellungen und dem Vorsatz, ihr eigenes Leben führen zu wollen, eine Geächtete in der eigenen Familie wurde. Ebenso musste sie einen Verrat unter Freunden verdauen und auf das Wichtigste in ihrem Leben verzichten. Doch sie hat sich nie unterkriegen lassen und einige wenige ihrer Träume erfüllt. Auch die übrigen Protagonisten wie der alte Bonnet, Fugin oder Chloè bereichern durch ihr Auftreten die Handlung.

„Das geheime Lächeln“ ist ein fesselnder Roman, der Familiengeheimnisse und Historie in sich vereint. Alle Liebhaber dieses Genres werden diesen Schmöker lieben, man sollte allerdings etwas verquere Verhältnisse mögen und nicht enttäuscht sein, dass so einige Dinge im Dunkeln bleiben. Eine Leseempfehlung verdient das Buch aber dennoch.

Veröffentlicht am 11.05.2018

Neuanfang auf Spiekeroog

Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg
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Frieke ist knapp über 30 und arbeitet seit einem Jahrzehnt als freie Journalistin für die Hamburger Zeitung KOMET. Eigentlich möchte sie mit ihrem Reporterfreund Harald nach Boston auswandern und dort ...

Frieke ist knapp über 30 und arbeitet seit einem Jahrzehnt als freie Journalistin für die Hamburger Zeitung KOMET. Eigentlich möchte sie mit ihrem Reporterfreund Harald nach Boston auswandern und dort etwas Eigenes auf die Beine stellen. Aber bringt ihr Chef Friekes Planung durcheinander, indem er sie mit einem Auftrag für eine Reportage auf die Insel Spiekeroog schickt, um dort einen Ornithologen namens Bengt zu interviewen. Kaum ist Frieke auf Spiekeroog angekommen, muss sie feststellen, dass es ihr dort ganz gut gefällt, und das liegt nicht nur an der Insel. Was wird jetzt aus ihren Auswanderplänen und vor allem aus Harald?
Julie Peters hat mit ihrem Buch „Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg“ einen sehr unterhaltsamen und warmherzigen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, schnell findet sich der Leser an Friekes Seite wieder und begleitet sie auf Schritt und Tritt bei ihrem Inselausflug sowie bei ihren Gedanken und Gefühlen. Die Landschaftsbeschreibungen sind wunderbar bildhaft und führen dem Leser eine zauberhafte Nordseeinsel vor Augen. Der salzige Meerwind und die sympathisch-urigen Bewohner sowie der tolle Buchladen lassen einen wünschen, direkt die Koffer zu packen und einen Kurzurlaub dort zu verbringen, um die Seele baumeln und sich in dem Bücherparadies mit der richtigen Lektüre eindecken zu lassen. Die eigentliche Handlung ist zwar recht vorhersehbar, doch der Autorin gelingt es mit ihrer Erzählweise, dass man sich beim Lesen rundum wohlfühlt und das Buch nicht aus der Hand legen kann.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgearbeitet und von der Autorin mit Leben versehen worden. Sie wirken gerade wegen ihrer Individuellen Eigenschaften sehr real und authentisch, der Leser kann sich gut mit ihnen identifizieren und mit ihnen fühlen, leiden und freuen. Frieke ist ein echtes Nordlicht und sehr sympathisch. Sie steht vor einem großen Umbruch in ihrem Leben, will sich mit ihrem Freund eine neue Existenz in einem völlig fremden Land aufbauen. Dazu gehört Mut und den besitzt Frieke auf jeden Fall. Ebenso ist sie hilfsbereit, aufgeweckt, einfühlsam und leidenschaftlich. Doch sie ist auch voller Zweifel, was ihre geplante Zukunft angeht. Das Zusammentreffen mit ihrem leiblichen Vater, den sie noch nie kennengelernt hat, birgt einiges an Emotionen. Frieke ist gefühlstechnisch hin- und hergerissen. Bengt ist ein attraktiver Mann, der sich der Vogelwelt verschrieben hat. Er hat sich auf Spiekeroog gut eingelebt und liebt die Abgeschiedenheit. Ole Hansen ist ein richtiger Seemann, bärbeißig und mit einem weichen Kern im Inneren. Er ist über die Bekanntschaft mit seiner Tochter wohl ebenso überrascht, wie Frieke selbst. Da gibt es einiges aufzuholen, was man in all den Jahren versäumt hat. Auch die übrigen Protagonisten überzeugen mit ihren ganz eigenen Episoden und geben der Handlung zusätzliche Impulse.
„Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg“ ist ein gefühlvoller und unterhaltsamer Wohlfühlroman, der beim Lesen die Ferienstimmung weckt und Lust auf das Meer macht. Bestens für den Urlaub geeignet, ob auf Balkonien oder auf einer Sonnenliege am Strand. Für diese kurzweiligen Lesestunden gibt es eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.05.2018

Gefährliche Zeiten für Madlen und ihre Familie

Die heimliche Heilerin und die Könige
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1409 Worms. Vor ihrem Haus finden Madlen Goldmann und Franz einen schwerverletzten Mann mit blutverschmierter Kleidung. Bei einer ersten Sichtung in ihren Räumen sehen Madlen und Franz, dass der Körper ...

1409 Worms. Vor ihrem Haus finden Madlen Goldmann und Franz einen schwerverletzten Mann mit blutverschmierter Kleidung. Bei einer ersten Sichtung in ihren Räumen sehen Madlen und Franz, dass der Körper des Mannes über und über mit Stichwunden bedeckt ist. Sie versuchen so gut es geht, die Wunden zu versorgen, doch sie kommen nicht weit, da auf einmal Wachmänner des Königs in ihr Haus stürmen. Angeblich soll der verletzte Fremde Madlen und Franz geheime Informationen ausgehändigt haben, was Franz resolut abstreitet. Doch die Wachen glauben ihm nicht und nehmen ihn in Haft. Madlen versteht das alles nicht und macht sich Sorgen um Franz, der im Gefängnis durch Misshandlungen zum Reden gebracht werden soll. Madlen macht sich daran, Nachforschungen in Bezug auf die geheime Botschaft anzustellen und bringt dabei fast ihre eigene Familie und sich selbst in Gefahr, wobei sie wieder alles verlieren. Wird sie das Geheimnis lüften und Franz befreien können?
Ellin Carsta hat mit ihrem Buch „Die heimliche Heilerin und die Könige“ den vierten Teil um die Heilerin Madlen Goldmann und ihre Familie vorgelegt, der seinen Vorgängern an Spannung und Unterhaltung ebenbürtig ist. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, der Leser wird schnell in eine vergangene Zeit hineingezogen und findet sich im 15. Jahrhundert an der Seite von Madlen wieder, um ihr unsichtbar bei ihrem gefährlichen Unterfangen zu folgen, ihre Familie kennenzulernen und mit ihr gemeinsam so manches Geheimnis aufzudecken. Der Spannungsbogen wird wieder einmal ganz am Anfang schon sehr hoch angelegt und steigert sich im weiteren Verlauf der Handlung immer mehr in die Höhe. Die sehr gute geschichtliche Hintergrundrecherche der Autorin und die Verflechtung mit der Handlung lassen die alte Zeit regelrecht wieder lebendig werden. Da werden die mühsamen und wochenlangen Reisen ebenso aufgezeigt, alte medizinische Behandlungsmethoden wieder lebendig sowie die gesellschaftlichen und politischen Strukturen, die zu gespannten Verhältnissen führten und durch Intrigen und strategische Schachzüge regelrecht gefährlich wurden.
Die Charaktere sind sehr gut und detailliert ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Sie besitzen durchweg Ecken und Kanten, was sie sehr real und authentisch wirken lässt. Madlen ist eine mutige und intelligente Frau, die bereits schon einiges mit ihrer Familie durchlebt hat. Doch sie hat sich nicht unterkriegen lassen und nimmt sich der verletzten und hilfsbedürftigen Menschen an. Sie strahlt eine Wärme und Herzlichkeit aus, die andere dazu veranlassen, ihr zur Hilfe zu kommen und sie bei ihren Vorhaben zu unterstützen. Die weiteren Protagonisten ergänzen mit ihren Taten die Handlung und geben zusätzliche Spannungsimpulse.
„Die heimliche Heilerin und die Könige“ ist ein spannender historischer Roman, der den Leser ins 15. Jahrhundert abtauchen lässt und ihn bis zum Schluss in Atem hält. Wieder einmal eine Leseempfehlung für alle, die historische Romane lieben und sich gern in die vergangene Zeit träumen.

Veröffentlicht am 10.05.2018

Chaosqueen Isa

Ein Landarzt zum Verlieben
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Die 28-jährige Isa wuchs bei ihrer Mutter in dem kleinen Ort Elmsfleth in der Nähe von Hamburg auf und studiert Medizin. An ihren Vater kann sie sich kaum erinnern, denn Isa hat ihn seit 20 Jahren nicht ...

Die 28-jährige Isa wuchs bei ihrer Mutter in dem kleinen Ort Elmsfleth in der Nähe von Hamburg auf und studiert Medizin. An ihren Vater kann sie sich kaum erinnern, denn Isa hat ihn seit 20 Jahren nicht gesehen, vermisst ihn aber schmerzlich. Sie hat bei Männern kein glückliches Händchen, an die große Liebe ist bisher nicht zu denken. Ihre Mutter führt eine kleine Pension, doch als sie nun zur Reha muss, ist es für Isa selbstverständlich, solange die Führung des kleinen Familienunternehmens zu übernehmen und solange ihr Studium zu unterbrechen. Isa spekuliert insgeheim darauf, irgendwann einmal die kleine Landarztpraxis in Elmsfleth zu übernehmen. Doch dann muss der momentane Dorfarzt selbst ins Krankenhaus und dessen Neffe Aaron springt für ihn ein, der ausgerechnet ein ehemaliger Schulkollege aus Kindertagen ist. Doch Aaron hat sich ziemlich verändert und lässt bald Isas Herz höher schlagen, aber nicht nur er…
Heike Denzau hat mit ihrem Buch „Ein Landarzt zum Verlieben“ einen locker-flockigen Liebesroman vorgelegt, der gut in den bald startenden Sommer passt. Der Schreibstil ist flüssig, leicht, gefühlvoll und mit einer guten Prise Humor gewürzt. Schlagfertige Dialoge sowie das langsame Offenlegen der Geschichte um Isas Vater machen das Lesen zu einem Vergnügen. Schnell taucht der Leser in die Handlung ein und findet sich in dem kleinen gemütlichen Dörfchen Elmsfleth wieder, um dort Isa kennenzulernen und ihre Geschichte aus erster Hand zu erfahren, in dem ihre Gedanken und Gefühle gleich einem Präsentierteller offen liegen. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Dorfgemeinschaft zu skizzieren, in der jeder auf den anderen achtet, aber auch alles mitbekommt, ob man will oder nicht. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr farbenfroh und lassen während der Lektüre ein tolles Bild im Kopf entstehen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und in Szene gesetzt. Sie besitzen Ecken und Kanten und wirken aufgrund ihrer Individualität authentisch und sehr lebendig. Isa ist eine junge Frau, die irgendwie mit sich selbst nicht ganz im Reinen ist. Sie vermisst ihren Vater bis heute, wuchs sie doch allein bei ihrer Mutter auf. Ihr Studium ist ihr zwar wichtig, aber sie lässt es ein wenig schleifen. Isa wirkt ein wenig zerrissen und umtriebig, eher wie eine Chaosqueen als wie eine ernstzunehmende Ärztin. Dabei passt der Beruf gut zu ihr, sie ist hilfsbereit, kann sich in Menschen einfühlen und steht ihnen bei. Isa träumt von der Liebe, einer heilen und ruhigen Welt, und der Leser wünscht sich während der Lektüre, dass sie diese auch irgendwann bekommt. Aaron ist ein charmanter junger Mann, der sich seit seiner Jugend sehr verändert hat. Er wirkt ein wenig ernsthaft, besitzt aber eine gute Portion Humor. Er ist einfühlsam und unterstützt jeden, der Hilfe benötigt. Auch die übrigen Protagonisten runden mit ihren kleinen Episoden die Handlung ab und bewirken einiges zum Wohlfühlfaktor dieses Buches.
„Ein Landarzt zum Verlieben“ ist ein rundum unterhaltsamer Liebesroman, der sich perfekt als Urlaubslektüre eignet, denn man kann mitfühlen, lachen, sich vielleicht zwischen den Zeilen auch selbst wiederfinden und gleichzeitig auch sehr gut abschalten. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 29.04.2018

Sinnkrise

Die Schönheit der Nacht
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Die Verhaltensbiologin Claire Costeau ist mit Mitte Vierzig in den besten Jahren und im Leben angekommen. Sie hat mit Ehemann Gilles, einem Komponisten und Sohn Nicolas ihre Familie und einen Beruf, der ...

Die Verhaltensbiologin Claire Costeau ist mit Mitte Vierzig in den besten Jahren und im Leben angekommen. Sie hat mit Ehemann Gilles, einem Komponisten und Sohn Nicolas ihre Familie und einen Beruf, der sie erfüllt. Aber Claire fühlt sich unzufrieden und leer, irgendetwas fehlt in ihrem Leben. ‚Sie zieht sich immer mehr zurück, was Gilles sich anderen Frauen zuwenden lässt. Gemeinsam will die Familie den Sommer in ihrem malerischen Ferienhaus in der Bretagne verbringen und sich auf sich selbst besinnen. Dabei lernen sie Nicolas‘ Freundin Julie Beauchamp kennen, die sie begleitet. Julie hat einen Job in einem Hotel und würde zu gern Sängerin werden, doch ihr fehlen die Stärke und der Mut, sich hinauszuwagen und am Abenteuer Leben teilzunehmen. Zu Beginn noch Fremde, nähern sich Claire und Julie während des Sommers immer mehr an und lernen voneinander…
Nina George hat mit ihrem Buch „Die Schönheit der Nacht“ einen sehr poetischen und gleichsam melancholischen Roman vorgelegt, der sich intensiv mit der Sinnsuche beschäftigt und mit dem eigenen Ich. Der Schreibstil ist bildhaft, prosaisch und mit viel atmosphärischen Details ausgestattet, dabei gut zu lesen. Allerdings ist es auch kein Buch zum Weglesen, sondern mit viel Konzentration und dem Zulassen von Schwingungen, die die Autorin in all ihren Sätzen für den Leser vorbereitet hat. Die Handlung wird in wechselnden Perspektiven mal von Claire, mal von Julie erzählt und lässt den Leser an deren jeweiligen Gefühlen, Gedanken und Eindrücken teilhaben. Die ältere Claire hat eine ganz andere Denkweise als die junge Julie, ihr analytischer Verstand kommt hier an vielen Stellen zum Vorschein, was ihre Persönlichkeit auch als unterkühlt erscheinen lässt. Währenddessen wirken Julies Überlegungen wie die einer sehr jungen Frau, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat und deren Selbstzweifel und Sehnsüchte auf das Leben sehr schön wiedergespiegelt werden. Ihre ungezügelte Lust auf Abenteuer und Leidenschaft sind nahezu greifbar. Das zentrale Thema in dieser Geschichte, nämlich die Suche nach dem eigenen Ich und den eigenen Wünschen, um das Leben wieder schön zu finden, wurde von der Autorin sehr sensibel von allen Seiten beleuchtet und bringt während der Lektüre auch den Leser dazu, über existentielle Fragen nachzudenken.
Der Autorin gelingt es durch ihre poetische und bildhafte Sprache, das gesamte Gefühlsbarometer ihrer Charaktere offen darzulegen und ihr Innerstes nach außen zu präsentieren. Die Charaktere sind sehr differenziert ausgestaltet. Aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften wirken sie sehr real und authentisch. Claire ist eine recht nüchtern wirkende Frau. Sie studiert tagaus tagein das Verhalten und analysiert dabei jede kleinste Regung. Obwohl sie auch eine Mutter ist, definiert sie sich ausschließlich durch ihren Beruf und das Wissen ihres Spezialgebietes. Die nüchterne und oftmals schon gefühllose Betrachtung lässt sie kalt und unnahbar wirken, was sie dem Leser nicht gerade sympathisch macht. Doch gerade das vermisst Claire – das Gefühl von Liebe, von Aufregung und Adrenalin, das Gefühl von Leben und selbst, wenn es durch Schmerz hervorgerufen wird. Hauptsache Fühlen! Julie ist der Gegenpart von Claire. Sie ist noch sehr jung, hat bisher das Leben kaum richtig kennengelernt. Julie hat bisher nur kleine Schritte ins Leben gewagt, traut sich noch nicht wirklich aus ihrem schützenden Kokon, um Erfahrungen zu sammeln. Sie hat noch keine Entscheidungen in Bezug auf ihr Leben getroffen und hat Angst davor, es könnte ja die falsche sein. Doch um wirklich zu leben, muss sie ihre bequeme Komfortzone verlassen und auch einmal Risiken eingehen. Die Interaktion der beiden Frauen, obwohl so grundverschieden, ist sehr schön zu beobachten, denn gleichzeitig lernt jeweils die eine von der anderen.
„Die Schönheit der Nacht“ ist keine simple Unterhaltungslektüre, sondern ein anspruchsvoller Roman, der sich mit den Fragen des Lebens auseinander- und bildhaft in Szene setzt. Dabei gewährt die Autorin einen Blick durchs Schlüsselloch in die Seelen ihrer Protagonisten und damit vielleicht auch in die ihrer Leser. Absolute Leseempfehlung!