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Veröffentlicht am 27.05.2018

Verzeihen möglich?

Patria
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Sie sind die besten Freundinnen Bittori, die Frau des Spediteurs, und Miren, die Frau des Arbeiters. Jede Woche gönnen sie sich eine Auszeit von den Familien und tauschen im Café die neuesten Gerüchte ...

Sie sind die besten Freundinnen Bittori, die Frau des Spediteurs, und Miren, die Frau des Arbeiters. Jede Woche gönnen sie sich eine Auszeit von den Familien und tauschen im Café die neuesten Gerüchte aus. Allerdings gewinnt im Baskenland die Eta immer mehr Einfluss, einen Einfluss, der es den Freundinnen schwer macht, befreundet zu bleiben. Schließlich stehen sie politisch gewissermaßen auf unterschiedlichen Seiten. Als Bittoris Mann von der Eta ermordet wird, ist es mit der Freundschaft vorbei. Bittori zieht in eine andere Stadt, so wie es ihre Kinder wollten. Doch Jahre später spürt sie das Bedürfnis, in ihr Haus, in ihr Dorf zurückzukehren.

Zwei starke Frauen gehen ihren Weg, einen Weg, auf es viel Leid und Trauer gibt, der hin und wieder Gutes bringt. Auf ihre Art störrisch sind sie beide. Ihr Leben auf grausame Art verändert hat der Terrorismus. Und doch stehen sie als Frau des Opfers und als Mutter des mutmaßlichen Täters auf unterschiedlichen Seiten unbarmherzig gegenüber. Es kann keine Vergebung geben. Ihrer beider Schicksal und das ihrer Kinder verläuft unterschiedlich und dennoch sind sie alle gezeichnet. Von den Kindern ist keines so richtig glücklich, sie alle haben mit dem zu kämpfen, an dem sie sich schuldig fühlen. Als Mirens Tochter schwer erkrankt kommt es zu einer Wiederannäherung der Familien.

Mit aller Deutlichkeit schildert Fernando Aramburu die Auswirkungen des Terrors auf die Familien. Er schon keinen weder Täter noch Opfer noch den Leser. Damit gibt er auch eine herausragende Gelegenheit, sich mit dem Thema zu befassen. Die Anwendung von Terror zur Durchsetzung politischer Ziele erscheint so nutzlos und zerstörerisch. Nicht nur die Opfer und ihrer Familien erfahren endloses Leid, auch die Täter und ihre Familien bleiben fürs Leben gezeichnet. Eine gewisse Form von Gelassenheit oder Gemütsruhe kann es nur geben, wenn zum einen Zeit ins Land geht und zum anderen die Menschen beginnen miteinander zu reden. Ob ein Verzeihen möglich ist, kann nur ein Augenblick entscheiden. Der Augenblick, in dem der eine entscheidet, um Verzeihung zu bitten, der Augenblick, in dem der andere die Bitte gewährt. Nichts wird dadurch ungeschehen, doch es kann eine Art Frieden mit dem Erlebten geschlossen werden, der es erlaubt, nicht mehr nur das Leben der Schuld zu leben.

Ein umfangreicher Roman, in dem kein Wort überflüssig ist, der Weg des Verzeihens ist nicht an einem Tag gegangen.

Veröffentlicht am 11.05.2018

Miefing

Kluftinger
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ist so ziemlich die beste Worterfindung in dem Buch. Gute Sätze oder Aussprüche bietet der Roman natürlich noch viele weitere.

Da steht es: Ein Kreuz mit Kluftingers vollständigem Namen und Klufti steht ...

ist so ziemlich die beste Worterfindung in dem Buch. Gute Sätze oder Aussprüche bietet der Roman natürlich noch viele weitere.

Da steht es: Ein Kreuz mit Kluftingers vollständigem Namen und Klufti steht davor. Das kann doch nur ein missglückter Scherz sein oder wünscht tatsächlich jemand, der Kommissar möge den Weg alles Irdischen gehen? Dabei läuft es doch gerade so gut. Riesig freut er sich über sein erstes Enkelkind, das jetzt das Buzele ist. Nun gut, eigentlich ist das Erikas Kosename für Klufti, der will jetzt auch wie er betont nicht nur noch Opa genannt werden. Und der Dr. Langhammer ist wie ein Dorn in Kluftingers Seite. Aber sonst ist alles Bestens. Als dann jedoch auch noch eine Todesanzeige in der örtlichen Zeitung erscheint, kommt bei Klufti und seinen Kollegen doch eine gewisse Unruhe auf.

Wer kann es sein? Wem ist Kluftinger dermaßen auf die Füsse getreten, dass es jetzt zu diesen Taten kommt? Die Polizei rätselt, der Täter hat keine verwertbaren Spuren hinterlassen, weder am Kreuz noch beim Aufgeben der Anzeige. Für Kluftiger selbst beginnt eine Phase des Nachgrübelns. Er erinnert sich an alte Fälle, an seine Jugend, die Les Humphries Singers. Aber es selbst hat sich doch nichts zuschulden kommen lassen. Er hat doch immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Wer kann es also sein? Keine Frage, die sich einfach so beantworten lässt. Und die Zeit wird knapp.

Dies ist nun der Jubiläumsband, der zehnte Fall um Kommissar Kluftinger, in dem endlich das Geheimnis um seinen Vornahmen gelöst wird. Gewarnt wird in diesem Zusammenhang allerdings vor Gesprächen mit Arbeitskollegen über das Namensrätsel. Die platzen mitunter schneller mit der Lösung heraus als man die ersten Seiten umblättern kann. Wobei eine gehörige Last haben die Eltern dem Klufti mitgegeben. Wie schön wäre es, man könnte sich ab einem gewissen Alter selbst einen Namen aussuchen. Mit diesem und noch anderen Bonmots erfreuen die Autoren ihre Leser. Klug wird jedoch nicht zu viel abgeschweift, Klufti und seine Kollegen behalten den Fall im Blick. Geschickt wird dargestellt wie sich nach und nach die Schlinge um Kluftis Hals zuzuziehen scheint. Die Einschläge scheinen näher zu kommen. Und so hängt man gebannt an den Seiten und wünscht Klufte möge mit seinen Fähigkeiten, die Zusammenhänge zu erkennen, schneller sein als der Täter mit der Fähigkeit, anderen Übles zuzufügen.

Ein sehr gelungener zehnter Fall für Kommissar Kluftinger, der mit einigen Überraschungen aufwartet.

Veröffentlicht am 10.05.2018

Lass mich verschwinden

Blutroter Sonntag
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Endlich glaubt die Polizei Friedas Worten, doch um welchen Preis. Der ehemalige Polizist Bruce Stringer wurde tot unter Friedas Dielen gefunden. Es kann nur Dean Reeve gewesen sein, er ist in Friedas Leben, ...

Endlich glaubt die Polizei Friedas Worten, doch um welchen Preis. Der ehemalige Polizist Bruce Stringer wurde tot unter Friedas Dielen gefunden. Es kann nur Dean Reeve gewesen sein, er ist in Friedas Leben, in ihrer Wohnung. Fieberhaft sucht die neue Ermittlerin Petra Burge gemeinsam mit Chief Inspector Karlsson nach Reeve. Der erweist sich wie gewohnt als gewieft und unauffindbar. Doch dann verschwindet Friedas Nichte Chloe. Zwar taucht sie bald unversehrt wieder auf, aber ihr fehlt die Erinnerung an ein paar Tage. Frieda ist schockiert und versucht der jungen Frau zu helfen.

In diesem angekündigt vorletzten Band der Reihe um die Psychologin Frieda Klein bekommt man den Eindruck, dass Dean Reeve immer mehr in ihr Leben eindringt. Er scheint Zugang zu ihrem Haus zu haben, zumindest schafft er es die Leiche unbemerkt dort zu verstecken. Kann Frieda in ihrem Refugium und Rückzugsort überhaupt noch wohnen, nachdem es von diesem Verbrecher kontaminiert wurde? Möglicherweise ist Frieda auch in großer Gefahr, schließlich scheint sie nirgends vor Reeve sicher zu sein. Aber Frieda ist nicht jemand, der klein beigibt. Sie nimmt ihre Wanderungen durch London wieder auf. Sie versucht, den Gedanken des Killers zu folgen, um so vielleicht seine Spur zu finden.

Man möchte von Frieda Kleins eigentümlicher aber auch einnehmender Persönlichkeit überhaupt nicht Abschied nehmen müssen. Immer näher kommt ihr Dean Reeve und man fragt sich, was das Autorenduo Nicci French für das Finale in petto hat. Dieser vorletzte Band besticht wie seine Vorgänger mit einer durchdachten Story, die Frieda ein letztes Mal auf Abwege führt. Ihr sympathisches Grüppchen von Freunden, die einen wunderbaren Familienersatz bilden, bleibt ihr in jeder Situation gewogen und sie alle sind bereit, sich für sie einzusetzen. Und so haben Nicci French einen tollen Krimi-Cosmos geschaffen, in dem eigentlich noch viel mehr Geschichten stecken als die zu erwartende Letzte.

Ein ausgesprochen packender Kriminalroman, in dem Frieda Klein und ihre Freunde die Kräfte für den Showdown sammeln.

Veröffentlicht am 05.05.2018

Mrs. Richardson

Kleine Feuer überall
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Die Richardsons sind sind eine wohlhabende Familie, er ist Anwalt, sie Lokalreporterin, vier wohlgeratene Kinder. Ein zusätzliches Einkommen haben sie aus einem kleineren Zweifamilienhaus. Als Mia und ...

Die Richardsons sind sind eine wohlhabende Familie, er ist Anwalt, sie Lokalreporterin, vier wohlgeratene Kinder. Ein zusätzliches Einkommen haben sie aus einem kleineren Zweifamilienhaus. Als Mia und ihre Tochter Pearl in Shaker Heights ankommen, mieten sie eine der Wohnungen. Mia ist Fotografin und immer wenn sie ein Thema durchdrungen hat, geht es an einen anderen Ort. Diesmal jedoch soll es anders sein, diesmal wollen sie bleiben. Pearl freundet sich mit den Kindern der Richardsons an, Mia nimmt eine Arbeit an und beginnt mit einer neuen Fotoserie. Zwischen den Familien entwickelt sich eine engere Verbindung als man zunächst vermuten könnte.

Shaker Heights, ein Vorort von Cleveland, Ohio, zur Zeit der Clinton-Regierung. In dieser Stadt ist alles geplant, die Farbe der Häuser, die Größe der Häuser in verschiedenen Viertel, die Straßen, der Autoverkehr, das Angebot an Schulen. Wenn man will bekommt am vieles vorgesetzt und muss wenig selbst entscheiden. Der Ort ist so sicher, dass man die Türen auf mal offen lassen kann. Nur mit der Freiheit ist es nicht so weit her und Herausforderungen begegnen einem eher weniger. In dieser Stadt kann man ein Leben aus Zufriedenheit und Wohlstand leben, allerdings ohne Höhen und Tiefen, kein Abenteuer. Mit dem Einzug von Mia und ihrer Tochter kommt doch eine Art Abenteuer zur Familie Richardson.

Celeste Ng versteht es nahezu perfekt aus einer kleinen Geschichte ein großes Drama zu machen. Ein eher unbedeutender Einzug verändert das Leben der Richardsons für immer. Gesagtes und Ungesagtes führt auf Spuren, die in die Vergangenheit weisen oder die eine Blick in die Zukunft erlauben. Fein sind die einzelnen Fäden der Story zu einem Ganzen versponnen. Es gibt eine Story hinter dem Hinweis, eine Beziehung hinter der offensichtlichen. Viele zumindest vermeintliche gute Absichten führen auf einen Weg, der nicht nur Gutes bringt. Die meisten der handelnden Personen erwecken Verständnis um ihre Beweggründe, doch bei manchen wird es mühsam, Sympathie zu empfinden. Während hin und wieder eine kleine Länge auftaucht, so ist man doch meist hin- und mitgerissen von diesem Zusammentreffen zweier Welten wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Auf der einen Seite die extreme Regulierung, auf der anderen, das sich treiben lassen von einem Ort zum anderen. Keine Welt ist ideal, doch beide sind verändert als die Berührung sich dem Ende entgegen neigt.

Veröffentlicht am 03.04.2018

Liebe Schwarzweiß-Filme

The Woman in the Window - Was hat sie wirklich gesehen?
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Seit fast einem Jahr hat Dr. Anna Fox, Kinderpsychologin, ihr Haus nicht mehr verlassen. Eigentlich sollte das Haus verkauft werden, nachdem sich ihr Mann von ihr getrennt hatte. Die gemeinsame Tochter ...

Seit fast einem Jahr hat Dr. Anna Fox, Kinderpsychologin, ihr Haus nicht mehr verlassen. Eigentlich sollte das Haus verkauft werden, nachdem sich ihr Mann von ihr getrennt hatte. Die gemeinsame Tochter Olivia ist bei ihrem Mann. Doch das ist erstmal aufgeschoben. Anna geht es schlecht, sie ist depressiv, sie hat eine Agoraphobie entwickelt, sie trinkt zu viel, sie hat ihre Patienten verloren. Erstaunlich jedoch, wie viel man von zu hause aus erledigen kann, es gibt das Internet, wo sie neue Gruppen gefunden hat, Onlineschach, sie hat einen Mieter, der Kleinigkeiten für sie erledigt, das Essen wird ins Haus gebracht, der Psychologe und die Physiotherapeutin kommen zu ihr und sie kann die Nachbarn beobachten. Bis sie eines Tages meint, zu sehen, dass eine Nachbarin überfallen wird.

Man kann sich mit einer Einschränkung auch einrichten. Obwohl Anna Panikattacken bekommt, wenn sie das Haus verlässt, und das kann sehr überzeugen, das Haus nicht zu verlassen, hat sie sich ganz gut arrangiert. Sie hat allen Grund, am Boden zu sein, wenn das Leben zuschlägt, hilft auch kein Psychologiestudium. Anna bekommt alle Hilfe, die sie zulässt. Allzu viel ist das jedoch nicht, lieber verbringt sie die Zeit mit einem Glas Wein, einem alten Kriminalfilm am liebsten in Schwarzweiß oder dem Beobachten der Nachbarn, um die sie phantasievolle Geschichten rankt, so dass sie sich einbilden kann, am Leben teilzunehmen. Mit dem Einzug der Neuen wird es jedoch anders. Sie schenken ihr zu deren Einzug eine Kerze.

Das Buch lässt einen wirklich schaudern. Manchmal fühlt man sich tatsächlich wie in einem alten Schwarzweiß-Film, lauscht der unheimlichen Filmmusik, sieht Lichter flackern, hört Türen knarren. Das, was man nicht sieht, macht den Grusel aus. Anna lebt in ihrer eigenen Welt, bedingt durch den Konsum von Alkohol und Medikamenten, fragt man sich, was nur in ihrer Wahrnehmung passiert oder was real ist. Die Einschätzung von dem, was logisch und wirklich ist, wird durch das Handeln der vermeintlich Gesunden immer unsicherer. Kann man Anna in ihrer Krankheitswirklichkeit trauen? Tiefer und tiefer gerät man hinein in den Wirbel aus Depression, Medikamentennebel und doch Aufblitzen des scharfen Verstandes, der Anna einmal ausgemacht hat. Je näher man dem Kern, der Ursache zu Annas Krankheit kommt, desto mehr verändert sich die Einschätzung. Obwohl man mit Anna empfindet, neigt man doch dazu einiges der Krankheit zuzuschieben. Und so lässt man sich leiten, die Nase tief ins Buch gesenkt, bis zur letzten überraschenden Entwicklung. Ein Spannungsbogen wie in einem klassischen Thriller, der von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.