Kriegsbericht mit einigem Witz, aber vielen Längen
Der Untergang BarcelonasAlbert Sánchez Piñols neues Buch wird in Spanien als Meisterwerk gehandelt. Vielleicht muss man Spanier sein oder aber zumindest Historiker, um dies nachvollziehen zu können. Ich kann es nicht.
Die Leseprobe ...
Albert Sánchez Piñols neues Buch wird in Spanien als Meisterwerk gehandelt. Vielleicht muss man Spanier sein oder aber zumindest Historiker, um dies nachvollziehen zu können. Ich kann es nicht.
Die Leseprobe – die ersten 59 Seiten des Romans – fand ich einfach genial. Sie sprühen vor Witz und lebendigen Szenen. Daher wollte ich dieses Buch gerne lesen. Doch die Enttäuschung kam schon bald.
Der Protagonist Martí Zuviría, genannt Zuvi, diktiert im stolzen Alter von 98 Jahren einer gewissen Waltraud, seine Erinnerungen. Diese beginnen 1705, als Zuvi mit 14 Jahren die Schule des großen französischen Baumeisters Vauban antritt, um die Ingenieurskunst zu erlernen. Die Lehrmethoden sind äußerst seltsam, dafür für den Leser umso unterhaltsamer. Mit Ingenieurskunst ist vor allem die Kunst der Belagerungstechnik gemeint, also der Bau von Angriffsgräben, Mauern und Bastionen.
Schon bald befindet sich Zuvi mitten im Kriegsgeschehen, im spanischen Erbfolgekrieg. Und so begann mein Martyrium. Nicht nur die Soldaten kämpfen – nein, auch ich musste mich durch die Seiten kämpfen. Hier zeigte sich, dass es sich bei diesem Werk weniger um einen Roman als vielmehr um einen subjektiv angereicherten minutiösen Bericht über den spanischen Erbfolgekrieg handelt. Ich habe gefühlt jeden einzelnen Soldaten mit Namen kennengelernt, jede Bastion verteidigt und zig Angriffsgräben gegraben. Mir waren das einige detaillierte Beschreibungen zu viel! Das Lesen war ermüdend bis langweilig. Die Hintergründe des Krieges und die Erläuterungen zu den verschiedenen beteiligten Parteien fand ich allerdings schon interessant.
Auch Piñols Schreibstil, die Wortwahl, der Sarkasmus haben mir sehr gut gefallen. So wirkte der Bericht nicht ganz so trocken, die unzähligen Toten blieben keine Zahlen, sondern bekamen Gesichter. Trotzdem erinnerte das Buch über weite Strecken an ein ödes Geschichtslehrbuch und nicht an einen Unterhaltungsroman.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Hauptfigur Zuvi nicht unbedingt ein Sympathieträger ist, mit dem man sich gerne identifizieren würde. Er betitelt sich selbst als Taugenichts und liegt damit nicht ganz falsch. Zwar entwickelt er als Ingenieur einigen Ehrgeiz, doch sein Charakter ist nicht wirklich so, dass man ihm nacheifern möchte. Er ist ziemlich egoistisch und unbedacht. Erst recht spät beginnt er, Verantwortung zu übernehmen.
Lobend hervorheben möchte ich die von Zeit zu Zeit eingestreuten Illustrationen, ohne die ich bei manchen Beschreibungen aufgeschmissen gewesen wäre bzw. ohne die das Buch noch theoretischer geworden wäre. Denn so kann man die Anlage von Befestigungen oder Gräben mit einem Blick erfassen, wozu in Worten mehrere Seiten erforderlich wären.
Im Anhang findet man eine kurze Zeittafel mit Ereignissen des Krieges sowie ein Personenverzeichnis.
Piñol arbeitet wohl gerade an der Fortsetzung des Romans, die ich aber mit Sicherheit nicht lesen werde, zumal der erste Band mit der Niederlage Barcelonas an einem bedeutenden Abschnitt endet, man also nicht unbedingt weiterlesen muss.