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Veröffentlicht am 17.08.2018

Geschichte mit Spannung & Liebe

Und wer rettet mich?
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Die ausgelassene Abifeier von Kim und ihren Mitschülern geht gehörig schief, denn die Scheune, in der sie gefeiert haben, ist vollständig abgebrannt. Was ist in der Nacht geschehen? Kims Freund Jasper ...

Die ausgelassene Abifeier von Kim und ihren Mitschülern geht gehörig schief, denn die Scheune, in der sie gefeiert haben, ist vollständig abgebrannt. Was ist in der Nacht geschehen? Kims Freund Jasper liegt nun im Krankenhaus und wird bald von der Polizei verdächtigt. Das Problem ist, dass er keine Erinnerungen mehr an die Party hat – weder an ihren Streit, noch daran, ob er das Feuer gelegt hat. Kim kann ihm auch kein Alibi geben, denn sie hat die Nacht zusammen mit ihrem früheren Schwarm Ben verbracht. Nun sitzt sie zwischen den Stühlen: Soll sie Jasper helfen oder die Wahrheit sagen? Hat sie nun mehr Gefühle für Ben oder für Jasper?

Stefanie Neeb hat einen tollen Schreibstil und die Charaktere nachvollziehbar dargestellt. Als Leser kann man sich in die unterschiedlichen Personen hineinversetzen und ihre Probleme verstehen. Vor allem Kims Zerrissenheit zwischen neuer und alter Liebe, ist verständlich dargestellt, ohne dass es zu einer nervigen Dreiecksbeziehung führt.

In „Und wer rettet mich?“ wurde eine spannende Geschichte aufgebaut. Gemeinsam mit Kim findet man nach und nach heraus, was in der Scheune geschehen sein könnte. Außerdem sind zwischen einigen Kapiteln Chatnachrichten abgedruckt, die sich über die aktuelle Situation austauschen. Vermutlich sogar von den Tätern, die sich in Sicherheit wähnen? Alles entwickelt sich sukzessive auf das Ende hin, ohne dass der Leser auch nur ahnen kann, was in der fraglichen Nacht wirklich geschehen ist.


Fazit:
„Und wer rettet mich?“ erzählt von einer Abiparty, die in Flammen aufging. Danach ist Kim nicht nur damit beschäftigt herauszufinden, was wirklich passiert ist und ob sie ihren Freund oder früheren Schwarm schützen soll, sondern auch mit der Frage, für wen von den beiden sie mehr empfindet. Stefanie Neeb hat eine spannende Geschichte mit gut gezeichneten Charakteren geschaffen.

Veröffentlicht am 11.06.2018

Auf der Suche nach dem, was fehlt

Die Dinge, über die wir schweigen
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Mimi vermisst ihre Mutter sehr stark. Außer, dass sie bei ihrer Geburt gestorben sein soll, redet ihr Vater aber nicht über sie. Zu ihrer Familie besteht kein Kontakt mehr. Mimi hat Träume und Flashbacks ...

Mimi vermisst ihre Mutter sehr stark. Außer, dass sie bei ihrer Geburt gestorben sein soll, redet ihr Vater aber nicht über sie. Zu ihrer Familie besteht kein Kontakt mehr. Mimi hat Träume und Flashbacks von einer Frau, die ihr über den Kopf streicht oder mit ihr in Schneeflocken tanzt. Sind das Erinnerungen? Als ihr Onkel, zu dem sie lange keinen Kontakt mehr hatte, eine Postkarte schreibt, dass er nun in Berlin leben würde, reist sie kurzerhand zu ihm.

Zu Beginn des Buches merkt man sehr stark, wie wichtig Mimi die Suche nach ihrer Mutter ist. Nicht nur die Frage, ob sie wirklich noch leben könnte bzw. der Besuch des Grabes, sondern auch ihr Charakter ist für Mimi wichtig. Die Jugendliche braucht Antworten, doch ihr Vater blockt immer ab. Nicht einmal über seine gemeinsame Zeit mit ihr redet er. Mimi fixiert sich total darauf und verfolgt auf der Straße Frauen, die dem Aussehen oder den Gesten her ihre Mutter sein könnten. Mit ihrer Kamera hält sie alle potenzielle Mütter fest und sammelt die Fotos. Es wird sehr intensiv geschildert, wie Mimi de Frauen fast schon stalked und kriminelle Handlungen begeht. Das Fehlen ihrer Mutter und Erzählungen über sie beherrscht Mimis Gedanken und Alltag.

Lina hatte irgendwann mal gesagt, dass sich mit Musik irgendwie alles besser anfühlte. Selbst das Traurigsein. Und sie hatte recht. - S. 157f

Lea Dittrich verwebt auf Mimis Suche auch wichtige Themen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, wenn man erwachsen wird. Mimi trifft auf chronische Krankheiten, sexuelle Orientierung und ihre erste Liebe. Diese ernsteren Themen werden stückweise in die Geschichte eingeflochten, sodass man sich trotzdem noch auf das große Geheimnis hinter Mimis Mutter konzentrieren kann und die Geschichte nie zu schwer wird.

Das Ende hat mir gut gefallen, da sich Mimi stark weiterentwickelt hat und sich die Geheimnisse um ihre Mutter aufgelöst haben. Mimi wurde während ihrer Reise erwachsen. Anfangs ist sie noch impulsiv und läuft von zu Hause weg, ohne zu ihrem Vater Kontakt zu halten und ihn zu beruhigen, weshalb die Situation etwas eskaliert. Mit der Wahrheit über ihre Mutter und der Zukunft geht sie später sehr reif und besonnen um. Der Schluss wurde nur leicht offen gehalten, sodass man sich Mimis Zukunft selbst gut ausmalen kann.


Fazit:
„Die Dinge, über die wir schweigen“ erzählt Mimis Suche nach ihrer Mutter. Sie taucht tief in die Geschichte und Charaktere ihrer Familie ein und macht auf ihrer Reise eine positive Entwicklung durch. Lea Dittrich verbindet eine lockere Sommergeschichte mit der Suche nach der Identität und einigen wichtigen Aspekten, mit denen sich Jugendliche auseinandersetzen müssen.

Veröffentlicht am 18.05.2018

Aufwühlend, emotional & erschreckend realitätsnah

Nicu & Jess
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Nicu und Jess haben beide geklaut, wurden dabei erwischt und müssen nun gemeinnützige Stunden ableisten: Mit einer Gruppe von Jugendlichen sammeln sie Müll im Park. Die beiden stammen aus völlig anderen ...

Nicu und Jess haben beide geklaut, wurden dabei erwischt und müssen nun gemeinnützige Stunden ableisten: Mit einer Gruppe von Jugendlichen sammeln sie Müll im Park. Die beiden stammen aus völlig anderen Lebenssituationen, aber eines haben beide gemeinsam: Sie sind in einem Leben gefangen, das sie nicht führen wollen. Jess fühlt sich zu Hause gar nicht wohl und es gibt ein großes Problem, das ich aber nicht nennen möchte um nicht zu spoilern. Ihren Stiefvater kann sie nicht leiden und ihre Mutter nimmt alles hin und steht nie für etwas ein. Jess zieht sich von ihren falschen Freundinnen zurück und kapselt sich auch bei der Tätigkeit im Park ab. Nicus Eltern möchten bald wieder zurück nach Rumänien, wenn sie genug Geld verdient haben. Doch der Jugendliche erkennt seine Chance, die er hier in England hat, obwohl er wegen seiner fehlenden Sprachkenntnisse oft ausgegrenzt wird, statt unterstützt, was mich besonders bei der Lehrerin in der Schule schockiert hat. Schnell fällt Jess Nicu auf, er sucht ihre Nähe und die beiden finden in der jeweilig anderen Person eine Vertraute bzw. einen Vertrauten.

Wie bereits in „Eins“ von Sarah Crossan erwartet den Leser hier ein ganz besonderer Schreibstil. Kurze Sätze und vor allem viele Absätze machen das Lesen somit außergewöhnlich. Obwohl ich überhaupt kein Fan von Kurzgeschichten oder wenigen Beschreibungen bin, finde ich den Stil sehr angenehm. Mir gefällt es, dass Sarah Crossan und Brian Conaghan mit wenigen Wörtern so viel Gefühl vermitteln können. Ich war durchweg sehr betroffen, traurig, erschüttert und erschrocken.

Das Geschehen wird aus Sicht der beiden Protagonisten beschrieben. Bei Nicus Kapiteln kommt noch eine Besonderheit dazu: Da er noch nicht lange mit der englischen (bzw. durch die Übersetzung deutschen) Sprache vertraut ist, schildert er seine Gefühle in einem sehr gebrochenen Deutsch. Hier habe ich etwas gebraucht, um mich an den Satzbau zu gewöhnen und einige Dinge habe ich trotz mehrmaligem Lesen nicht genau verstanden. Nicu nutzt viele Vergleiche und schafft somit oft eine intensivere Bedeutung, als das eigentliche Wort selbst es vermitteln kann.

"Seine Stimme tanzt
mit Worten, die zwar durcheinander sind,
aber wirklich was bedeuten."
Jess, S. 122

Die Geschichte ist sehr realitätsnah und beinhaltet einige Dinge, die sehr erschütternd und tiefgründig sind. Wir erhalten einen guten Einblick in Randgruppen unserer Gesellschaft, die mit Situationen umgehen müssen, die alles andere als leicht sind. Das Schicksal von Nicu und Jess wurde durch den Schreibstil intensiv vermittelt und hat mich sehr berührt.

Das Ende hat mich etwas enttäuscht. Ich konnte nicht genau nachvollziehen, was in Nicu vorging und das Geschehen war relativ offen. Da die Geschichte aber so realitätsnah ist, kann ich mich damit anfreunden.



Fazit:
„Nicu & Jess“ erzählt deren schwierige Lebenssituationen und ist sehr gesellschaftskritisch. Nicht nur durch die Erzählperspektive ist dieses Buch außergewöhnlich. Trotz weniger Worte ist die Geschichte sehr intensiv zu lesen, aufwühlend und realitätsnah.

Veröffentlicht am 14.03.2018

Märchen & Liebe zu Büchern

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherstadt
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Sam ist ein aufgeweckter, unbeschwerter und erfolgreicher Dieb Mitte 20, der plötzlich aus der Diebesbande aussteigen möchte, um bei der Palastwache zu arbeiten. Dort kommt er zuerst an die Tore der riesigen ...

Sam ist ein aufgeweckter, unbeschwerter und erfolgreicher Dieb Mitte 20, der plötzlich aus der Diebesbande aussteigen möchte, um bei der Palastwache zu arbeiten. Dort kommt er zuerst an die Tore der riesigen Bücherstadt, Paramythia, unterhalb der Erde. Innerhalb der Bibliothek gibt es noch einen abgeschlossenen Bereich mit Märchen und Erzählungen, die nur vom König gelesen werden. Wieder erwarten geschehen hier ungeahnte Dinge und Sam erlebt plötzlich ein gefährliches und spannendes Abenteuer.

Akram El-Baya beschreibt die Charaktere sehr lebendig, sodass man sich schon bald mitten im Geschehen befindet. Phasenweise kann man als Leser nicht ganz nachvollziehen, was in Sam vorgeht und warum er wie handelt, sodass man kurz etwas distanziert von der Geschichte ist. Im weiteren Verlauf erfährt man aber viel mehr von Sams Vergangenheit und kann seine Beweggründe nachvollziehen. Auch wenn der Schreibstil flüssig zu lesen und sehr beschreibend ist, empfand ich das Lesen manchmal etwas holprig. Die Spannung steigt immer mehr an, sodass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann und wissen möchte, was hinter den Ereignissen im Herzen der Bücherstadt steckt. Das Ende schließt das vorangegangene ab, wirft aber auch viele Fragen auf.

Die Bücherstadt tief unter Mythia wird sehr genau und ausführlich beschrieben. Ich war während des Lesens so fasziniert von den hohen Regalen, den sehr alten Büchern und den langen, gewundenen Wegen durch die Bibliothek, sodass ich das Buch zu gerne verfilmt sehen würde. Auch die Fabelwesen, die im Laufe des Buches auftauchen und eine wichtige Rolle spielen, haben mich fasziniert. Die Bücherstadt und vor allem ihr Kern haben mich sehr beeindruckt. Die Geschichte ist insgesamt sehr mystisch und geheimnisvoll.

„Die große Galerie von Paramythia. [...] Sie ist ein Wunder. Der wahre Palast, wenn man mich fragen würde. Ein Tempel des Wissens.“ - Jacobus, S. 26


Fazit:
Ich bin fasziniert von dieser fantasievollen Geschichte, die Märchen und die Liebe zu Büchern gekonnt vereint. Auch wenn das Buch manchmal holprig zu lesen war, so kam immer mehr Spannung auf, wodurch die Freude auf Band 2 der Reihe immens steigt.

Veröffentlicht am 16.01.2018

Das Abecedarium, schief und krumm

Die Anarchie der Buchstaben
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Die kleine Perry hat an jedem Nachmittag eine andere Beschäftigung, ob Klavier spielen oder den Sportkurs „Musik und Bewegung“. Als dies am Donnerstag entfällt, hat Perry die Idee zu ihrer Großmutter ins ...

Die kleine Perry hat an jedem Nachmittag eine andere Beschäftigung, ob Klavier spielen oder den Sportkurs „Musik und Bewegung“. Als dies am Donnerstag entfällt, hat Perry die Idee zu ihrer Großmutter ins Pflegeheim Santa Lucia zu fahren. Dort unterhält sie sich mit ihrer Oma, die an Alzheimer erkrankt ist, dem Pflegepersonal und den anderen verschrobenen älteren Leuten. Um sich zu beschäftigen beschließt die Kleine ein ABC zu erstellen – ein ABC über Santa Lucia. Zu jedem Buchstaben malt sie Personen oder Dinge auf ein Blatt Papier. Daneben hält sie Wörter fest, die zu dem entsprechenden Buchstaben und dem Pflegeheim passen. Von Namen wie „A wie Audrey“, über „W wie Wanderstock, den Melvyn als Waffe einsetzt“ bis zu „G wie ganz schön komisch“ ist alles vertreten. Die Handlung dreht sich hauptsächlich um das ABC und ist eher unspektakulär.

Perry ist ein kleines aufgewecktes und fröhliches Mädchen. Ihre Eltern jedoch blieben das gesamte Buch über sehr flach. Man erhält den Eindruck, als würden sie nur für ihren Job leben und sich nur gelegentlich mit ihrer Tochter beschäftigen. Diese hat auch ein Kindermädchen, das sich oft um ihren eigenen Sohn und Perry kümmert.

Trotz der wenigen Seiten konnte Kate de Goldi eine schöne Geschichte erzählen. Der Schreibstil ist sehr einfach und enthält kurze Sätze, passend zu der jungen Protagonistin. Auch die Sprache ist sehr schlicht gehalten und etwaige schwierige Wörter, die Perrys Vater benutzt, lässt sie sich direkt erklären.

„Die Anarchie der Buchstaben“ ist eine leise Geschichte, die von der Beziehung Perrys zu den Bewohnern des Pflegeheims erzählt. Obwohl die älteren Leute alle an Alzheimer oder sonstigem erkrankt sind, baut Perry eine freundschaftliche und sehr innige Beziehung zu ihnen auf. Ich schätze, dass Perry erst in die Grundschule ist und finde es sehr bewundernswert, wie wenig sie sich davon einschüchtern lässt, dass ihre Oma immer wieder fragt „Wer ist Perry?“. Auch die Pfleger des Heimes haben das kleine Mädchen ins Herz geschlossen und gehen mit den Patienten liebevoll und sehr geduldig um.


Fazit:
„Die Anarchie der Buchstaben“ ist ein kurzes und leicht zu lesendes Buch für Zwischendurch. Es wird von der geduldigen und liebevollen Beziehung zwischen der jungen Perry zu ihrer dementen Großmutter, den anderen Heimbewohnern und dem Pflegepersonal erzählt. Die eher unspektakuläre Handlung lebt von der ruhigen Erzählweise und dem, was der Leser zwischen den Zeilen liest.