La Vita Seconda
Wie schon der Klappentext verrät, bewegt sich die Handlung dieses Romans auf zwei Zeitebenen. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart steht eine junge Frau im Mittelpunkt des Geschehens. ...
Wie schon der Klappentext verrät, bewegt sich die Handlung dieses Romans auf zwei Zeitebenen. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart steht eine junge Frau im Mittelpunkt des Geschehens. Beide Frauen hatten einen schweren Unfall. Das Unfallopfer in der Gegenwart liegt im Koma, und die Ärzte kämpfen um ihr Leben. In der Vergangenheit kann sich die junge Frau an nichts erinnern, als sie aus einer Ohnmacht erwacht, und sie kann nicht sprechen, als sich ein Fremder besorgt über sie beugt. Mit jedem Kapitel erfolgt ein Zeitsprung in den jeweils anderen Handlungsstrang. Man kann schon an den Kapitelüberschriften gut erkennen, in welcher Zeit man sich befindet, denn sie sind in unterschiedlichen Schriftarten gedruckt. Auch findet man auf jeder Seite eine kleine Illustration. Dies ist in der Gegenwart der Kölner Dom, in den Kapiteln, die im 17. Jahrhundert spielen, ziert eine kleine französische Lilie die Seiten. Auch der Schreibstil ist unterschiedlich und jeweils der Zeit angepasst.
In der Gegenwart begleitet man Notarzt Mark, der die Patientin kurz nach dem Autounfall gerettet hat und sich nun um sie sorgt. Irgend etwas an der jungen Frau rührt ihn an, und sie verfolgt ihn in seinen Gedanken. Hier wirkte von Anfang an alles sehr klar und offensichtlich.
Anders auf der Zeitebene im 17. Jahrhundert. Hier sind die Geschehnisse rätselhaft, da man nicht weiß, was der Protagonistin zugestoßen ist. Man verfolgt alles durch ihre Augen, und da sie sich an nichts in ihrer Vergangenheit erinnert und nicht sprechen kann, gibt es kaum wörtliche Rede in diesen Abschnitten. Dadurch sieht man alles aus einer gewissen Distanz; die Handlung wirkt ziemlich geheimnisvoll, und ein gelöstes Rätsel zieht neue nach sich.
Neben der offensichtlichen Handlung gibt es immer wieder versteckte Hinweise zu entdecken, die man beim erste Mal leicht überliest. Ich finde, das ist ein Buch, das man öfter lesen kann und immer wieder auf Neues stößt, was einem anfangs vielleicht gar nicht aufgefallen ist. Bis zuletzt kann man rätseln, wie die beiden Handlungsstränge über die Jahrhunderte zusammenhängen. Dass es da eine rätselhafte Verbindung gibt, ahnte ich bereits sehr früh, aber die Entwicklung war bis zuletzt faszinierend. Romane mit mehreren Zeitebenen gibt es viele, dieser hier jedoch ist außergewöhnlich, denn die gesamte Handlung und die Auflösung sind bei dieser Geschichte völlig anders. Am Ende waren in meinem Kopf noch ein paar Fragen offen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich diese beim zweiten Lesen klären werden bzw. dass ich dann die Zusammenhänge noch besser verstehe, weil ich inzwischen weiß, wie die Geschichte ausgeht.
Mir hat der Schreibstil dieses Romans sehr gut gefallen, und auch wenn (oder vielleicht auch weil) mir die Handlung zum Teil Rätsel aufgab, war ich völlig gebannt und musste immer weiter lesen. Die Charaktere sind alle sehr plastisch ausgearbeitet, sowohl die fiktiven als auch die historischen Persönlichkeiten, die in die Handlung verwickelt sind. Äußerst interessant finde ich auch, dass die Autorin jede Menge an historischen Fakten in die Geschichte integriert und hierbei viel Wert auf die versteckten Kleinigkeiten gelegt hat, die man anfangs gerne überliest, aber dann schnell feststellt, dass sie von Bedeutung sind.
Charlotte Zeiler hat mit ihrem Debüt einen vielschichtigen Roman geschaffen, der durch eine außergewöhnliche Entwicklung der Handlung und durch viele historische Details besticht. Mir gefallen solche direkten Bezüge zur realen Geschichte, denn sie verleihen einem Roman Lebendigkeit.