Cover-Bild Wir sind dann wohl die Angehörigen
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Piper
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 01.03.2018
  • ISBN: 9783492059091
Johann Scheerer

Wir sind dann wohl die Angehörigen

Die Geschichte einer Entführung

Johann Scheerer erzählt auf berührende und mitreißende Weise von den 33 Tagen um Ostern 1996, als sich sein Vater Jan Philipp Reemtsma in den Händen von Entführern befand, das Zuhause zu einer polizeilichen Einsatzzentrale wurde und kaum Hoffnung bestand, ihn lebend wiederzusehen.

»Es waren zwei Geldübergaben gescheitert und mein Vater vermutlich tot. Das Faxgerät hatte kein Papier mehr, wir keine Reserven, und irgendwo lag ein Brief mit Neuigkeiten.« Wie fühlt es sich an, wenn einen die Mutter weckt und berichtet, dass der eigene Vater entführt wurde? Wie erträgt man die Sorge, Ungewissheit, Angst und die quälende Langeweile? Wie füllt man die Tage, wenn jederzeit alles passieren kann, man aber nicht mal in die Schule gehen, Sport machen, oder Freunde treffen darf? Und selbst Die Ärzte, Green Day und die eigene E-Gitarre nicht mehr weiterhelfen?

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.01.2020

Von einem auf den anderen Tag veränderte sich die Welt: vom abrupten Ende einer Kindheit...

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Das Buch „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Johann Scheerer hat mich sehr beeindruckt, berührt und hallt noch immer nach... Meistens lese ich mindestens zwei Bücher parallel – das war mir bei dieser ...

Das Buch „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Johann Scheerer hat mich sehr beeindruckt, berührt und hallt noch immer nach... Meistens lese ich mindestens zwei Bücher parallel – das war mir bei dieser Geschichte unmöglich, ich hatte das Gefühl, hier könne ich mich nur auf dieses eine Buch konzentrieren!
Als Hamburgerin kenne ich Jan Philipp Reemtsma, wobei das Wort „kennen“ natürlich vollkommen übertrieben ist: ich hatte viel von ihm gehört, als er in den 80er Jahren als Mäzen einer pädagogischen Einrichtung tätig wurde. Und ich kann mich gut an die Nachricht vom positiven Ende seiner Entführung erinnern: mein großes Erstaunen darüber, dass alle Medien tatsächlich geschwiegen hatten (der zähe Kampf um dieses Schweigen ist mir jetzt erst durch das Buch bekannt geworden!)
Johann Scheerer ist der Sohn von Ann Kathrin Scheerer und Jan Philipp Reemtsma, er wurde im November 1982 geboren, war also zum Zeitpunkt der Entführung (25.3.1996) seines Vaters 13 Jahre alt. Er beschreibt 2018 – 22 Jahre später – wie er sich während der 33 Tage dauernden Geiselnahme gefühlt hat. Und das hat er m.E. ganz ausgezeichnet gemacht!
Ein 13-jähriger ist per se in einer schwierigen Phase: Pubertät, Abgrenzung vom Elternhaus, eigene Wege finden – ein schwieriger Balanceakt zwischen dem Wunsch nach Selbstständigkeit und dem Wunsch nach Geborgenheit... Und in diese Zeit „knallt“ die Entführung des eigenen Vaters!
Johann Scheerer erinnert sich an seine widersprüchlichen Gefühle: der intensive Wunsch, dass der Vater überlebt, Sorge/Angst, dass Entführungsopfer niemals überleben (deshalb: sich selbst keine Hoffnungen machen). Liebevolle Erinnerungen an den Vater, aber auch genervte Gedanken („Warum war ich am Tag zuvor nur so genervt gewesen von meinem penetrant schlauen Vater?“ E-book, S. 11). Er versteht sich manchmal als einen „Jungen ohne Gefühle. Ohne Hoffnung. Ohne eine leise Ahnung, was jetzt passieren würde.“ (E-book, S. 27). Johann fragt sich, ob er überhaupt noch lachen dürfe und ist beruhigt, als er einen Polizeibeamten mit dem helfenden Rechtsanwalt scherzen hört: “Man durfte also lachen. Das beruhigte mich.“ (E-book, S. 38) Aber gleichzeitig auch: „Ich stellte mir kurz den erschrockenen mitleidigen Blick vor, der sich auf mich richten würde. Mitleid, das meine Trauer, meine Panik und meine Verzweiflung nur befeuern würde. Das wollte ich nicht. Keine Hoffnung, keine Angst, keine Trauer, keine Tränen.“ /E-book, S. 93)
Ja, natürlich merkt man am Schreibstil, dass dieses Buch von einem erwachsenen Menschen geschrieben wurde, aber Johann Schereer hat seine damaligen Empfindungen, Ideen, Gedanken, Hoffnungen sehr authentisch und wunderbar nachvollziehbar beschrieben. Der Stil ist eher „cool“, passt aber deshalb sprachlich sehr gut zu einem 13-jährigen, dessen bekannte Welt gerade zusammenbricht... Bis zum Schluss mit der Illusion, „ich könnte doch noch irgendwie wieder zurück in mein früheres Kinderleben, ...“ (E-book, S. 171)
Obwohl ich den „Ausgang“ der Entführung kannte, konnte ich dieses Buch kaum aus der Hand legen, es hat mich regelrecht in seinen Bann gezogen (von „fesselnd“ möchte ich gerade in diesem Zusammenhang nicht schreiben). Aus diesem Grund spreche ich hier eine absolute Leseempfehlung aus!

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Veröffentlicht am 19.06.2018

Zwischen Angst, Aufregung und einer besonderen Vater-Sohn-Beziehung

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"Es war der 25.März 1996, es war Frühling, und mein Leben sollte von da an ein anderes sein. Es sollte keinen unbeschwerten Frühling mehr für mich geben, kein Vogelgezwitscher ohne diesen Satz in meinem ...

"Es war der 25.März 1996, es war Frühling, und mein Leben sollte von da an ein anderes sein. Es sollte keinen unbeschwerten Frühling mehr für mich geben, kein Vogelgezwitscher ohne diesen Satz in meinem Kopf, ohne meinen ersten Gedanken an die Lateinarbeit, die ich hätte schreiben sollen und die ich [...] verpassen würde."

Was geht in einem Kind vor, wenn es aufwacht und seine Mutter ihm erklärt, dass sein Vater entführt wurde und sie nun für eine gewisse Zeit ein "Abenteuer" bestehen müssen? Genau darum dreht es sich in dem Buch "Wir sind dann wohl die Angehörigen" von Johann Scheerer. Mit diesem Buch erzählt er seine Erlebnisse während der Entführung von Jan Philipp Reemtsma im März 1996. Es geht um Verlustangst, um das Herausreißen aus der Normalität und die polizeilichen Ermittlungen aus Sicht eines 13 Jährigen. "Wenn alle Forderungen erfüllt werden, wird Herr Reemtsma 48 Stunden nach Erhalt des Lösegelds von uns unverletzt freigelassen." heißt es. Doch vielleicht ist das alles auch nur ein Spiel, dass die Entführer hier spielen und sie werden ihn gar nicht frei lassen?! Vielleicht ist er ja auch schon tot. Jedenfalls muss Johann die angekündigte Lateinarbeit nicht schreiben, denn an Schule wäre momentan nicht mehr zu denken. Es ist ja auch nur eine kurze 'Auszeit', doch aus den ursprünglichen 48 Stunden, sollten ganze 33 Tage werden. Vielleicht liegt es auch einfach an der desaströsen Arbeit der Polizei, vielleicht ist es aber auch seitens der Entführer so provoziert. Und so lernen wir die Geschichte Johanns kennen, der sich zwischen dem polizeilichen Wust aus Ermittlungen, Warten und Angehörigenbetreuung wiederfindet, abgeschirmt von der Normalität.

"Ich hatte Angst vor einem weiteren Schritt ins Unbekannte, ins Unberechenbare. Ich sehnte mich nach der Normalität, die mir genommen worden war"

Wer hier nun ein sehr detailliertes, klassisches und gewaltiges Entführungs-/Kriminal-/Alles-ist-so-furchtbar-Buch erwartet, wäre mit diesem Buch eher falsch bedient. Es ist nämlich die Geschichte aus der Sicht eines Jungen, der die damaligen Vorgänge während der Entführung seines Vaters schildert. Damit ist es auch nicht so ein detailliertes Abbild, wie es Reemtsma selbst in seinem Buch beschreibt. Es ist diese Mischung aus kurzer Freude über die verpasste Arbeit, die Besuche im Musikladen und die Betreuung seitens der Polizei, die Angst, dass er seinen Vater vielleicht nicht mehr wiedersehen wird, die zu überbrückende Langeweile und das Warten auf einen neuen Anruf der Entführer... Und stets schwingt eine gewisse kindliche Distanziertheit und Unverständnis mit. Es ist nicht nur ein Bericht über eine Entführung, seitens der Familie selbst, es ist viel mehr und gerade das hat es für mich zu einer sehr interessanten Geschichte gemacht. Der einzige Nachteil: Ich habe dieses Buch innerhalb eines Sonntags komplett durchgelesen und war dann schon irgendwie enttäuscht, dass es bereits vorbei war.

Veröffentlicht am 22.05.2018

Hautnah!

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Das geht unter die Haut.
Dieses Buch erzählt nicht nur irgendeine fiktive Geschichte, es erzählt vom einschneidensten Erlebnis, das die Reemtsma-Familie 1996 durchleben musste. Johann Scheerer, der Sohn ...

Das geht unter die Haut.
Dieses Buch erzählt nicht nur irgendeine fiktive Geschichte, es erzählt vom einschneidensten Erlebnis, das die Reemtsma-Familie 1996 durchleben musste. Johann Scheerer, der Sohn vom Entführungsopfer Jan Philipp Reemtsma, gibt seine ganz private und dreizehnjährige Sicht auf die Entführung preis. Schonungslos und ohne Auslassungen durchleben wir beim Lesen was sein Leben so sehr geprägt hat, dass er es sich erst von der Seele schreiben musste.
Seit ich von der Existenz dieses Buches erfahren habe, wollte ich es lesen, durch einen glücklichen Umstand fiel es mir schneller als gedacht in die Hände und was soll ich sagen: Ich ziehe meinen Hut vor Scheerer. Keine Frage das literarische Feingefühl liegt in der Familie.
Ich selbst bin zu jung und habe die mediale Verarbeitung dieses Vorfalls nicht miterlebt, konnte das Buch also völlig unbefangen und ohne Vorkenntnisse lesen. Die Erzählstimme ist von Anfang an stark und stimmungsvoll ohne dabei zu sehr erwachsen oder durchdacht zu klingen. Wir lauschen der Stimme eines Teenagers, der auch seine Vorliebe zu Gitarren, die ihm ein Trostpflaster werden, nicht auslässt, weil es möglicherweise besser klingt. Der grausame Alltag während der Entführung und die schmerzliche Ungewissheit, die sich während der 33 Tage der Reemtsma-Entführung durch sein Zuhause ziehen, finden sich auf den Buchseiten wieder. Da kommt man beim Lesen selbst ins Grübeln und stellt sich die gleichen Fragen, der gleichen Angst, um im nächsten Moment erleichtert aufzuatmen und das eigene Leben einmal mehr zu schätzen wie es ist.
Scheerer heischt nicht nach Mitleid oder großen Gefühlen mit seiner Art zu Schreiben und trotzdem ist das Buch weder langeilig noch trostlos. Wir verfolgen gebannt das Geschehen an seiner Seite und merken wie sich das Blatt wendet. Er beobachtet die kleinen Details, die sich verändern und wie die Nerven der Beteiligten mehr und mehr unter dem Druck leiden.
An Intimität und Details gewinnt das Buch durch die Briefe des Vaters und die Botschaften der Erpresser, die privateste Einblicke in diese schmerzvolle psychische Farce gewähren und die Entführung illustrieren.
Psychologisch gesehen sehr wertvoll und interessant zu verfolgen, gerade wenn Interesse am Thema Entführungen besteht.
Vor dem Lesen dachte ich 230 Seiten wären eventuell zu kurz um diese Wahrheit darzustellen, aber im Nachhinein erscheint mir diese Länge gut gewählt. Die Handlung kommt nicht dazu auszuufern und trotzdem verschafft sie einen umfassenden Überblick. Gelungene Gratwanderung zwischen zu ausführlich und vollständig.
Das einzige was ich mir noch gewünscht hätte, wäre eine Art Fazit oder ein paar abschließende Worte gewesen, da diese Reise in Scheerers Seelenwelt den Leser mit vielen Gedanken und Fragen zurücklässt, was die Zukunft angeht. Ich versteh aber auch, dass es dem Autor hier nicht darum ging alles aufzuklären. Seinen Interviews entnehme ich, dass er sich die ganze Sache von der Seele schreiben wollte und das ist ihm gelungen.
Ein Buch, das einen so schnell nicht mehr loslässt und einen neuen Blick auf Entführungen öffnet, den Leidensweg der Angehörigen, die mit der Ungewissheit leben müssen in völliger Ohnmacht.

Veröffentlicht am 24.04.2018

Eindringlich

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Wir sind dann wohl die Angehörigen Die Geschichte einer Entführung erzählt die Geschichte der Entführung von Jan Philipp Reemtsma aus der Sicht des Sohnes Johann Scheerer, der auch der Autor des Buches ...

Wir sind dann wohl die Angehörigen Die Geschichte einer Entführung erzählt die Geschichte der Entführung von Jan Philipp Reemtsma aus der Sicht des Sohnes Johann Scheerer, der auch der Autor des Buches ist. Der Autor schildert die Sicht auf die Entführung seines Vaters mit den Augen des damals 13 jährigen. Die Wortwahl ist eindringlich und als Leser bekommt man tiefe Einblicke in das Seelenleben des Jungen. Seine Angst um den Ausgang der Entführung, die Versuche ihn abzulenken die immer wieder scheitern, die Handlungen der Polizei die nicht zum gewünschten Ergebnis führen, lassen die damaligen Geschehnisse sehr lebendig wirken. Auch wenn man als Leser weiß das Jan Philipp Reemtsma die Entführung überlebt ist es dennoch ein spannendes Buch das die Dramatik der vielen Tage deutlich macht.

Der Schreibstil ist lebendig und gut lesbar, ich wollte das Buch in einem Rutsch durchlesen. Die Sätze auf den letzten Seiten fand ich sehr erschütternd. Wie oft sagt man etwas scherzhaft und für andere bedeuten die Sätze Leid und Gefahr. Das Leben der Familie wurde nie wieder wie zuvor.

Veröffentlicht am 20.04.2018

Sehr interessant und berührend

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Johann Scheerer, der Sohn von Jan Philipp Reemtsma, erzählt nach 22 Jahren die Geschichte der Entführung.
Am 25. März 1996 wurde sein Vater entführt und 33 Tage festgehalten, Johann war damals 13.

Der ...

Johann Scheerer, der Sohn von Jan Philipp Reemtsma, erzählt nach 22 Jahren die Geschichte der Entführung.
Am 25. März 1996 wurde sein Vater entführt und 33 Tage festgehalten, Johann war damals 13.

Der Schreibstil liest sich sehr leicht und flüssig.
Es ist dem Autor sehr gut gelungen, sich in sein 13-jährige Ich zu versetzen.
Diese Autobiografie ist sehr mitreißend und spannend geschrieben.
Obwohl ich den Ausgang der Entführung damals in den Medien verfolgte und auch wusste, wie das Ganze ausging, war es sehr packend. Ich fieberte mit und musste unbedingt weiterlesen und erfahren, wie es weitergeht.
Ich habe dieses Buch deshalb binnen weniger Stunden in einem Rutsch ausgelesen.

Sehr berührend erzählt der Autor seine Geschichte und lässt auch den Galgenhumor nicht zu kurz kommen.
Mich hat die Lektüre emotional sehr berührt, ich habe so manche Träne vergossen aber auch geschmunzelt.