Honoria gehört wie ihre Schwestern und zahlreichen Cousinen zur Smythe-Smith Familie, die berühmt berüchtigt ist, für ihre recht unmusikalische Ader und die jährlichen Soireen, auf denen unverheiratete Damen dieser Familie vor ausgewähltem Publikum spielen müssen. Es ist jedoch nicht so, als ob Honoria und ihre Cousinen nicht wüssten, dass sie die Zuhörer mit ihren musikalischen Ergüssen beinahe zu Tode erschrecken und ihnen schweres Ohrensausen bescheren. Doch Honorias Mutter und auch alle anderen erwachsenen Damen der Familie sind hinsichtlich der (mangelnden) Musikalität ihrer Sprösslinge beneidenswert taub auf beiden Ohren; mehr noch; voller Stolz fiebern sie den musikalischen Veranstaltungen Jahr für Jahr entgegen. Und da es nun mal seit langer Zeit die Tradition erfordert, dass Smythe – Smith Mitglieder öffentlich musizieren, will auch Honoria, um ihre geliebte Familie nicht zu enttäuschen, keinesfalls mit diesem Brauch brechen.
Marcus Holroyd, der beste Freund von Honorias Bruder Daniel, ist dagegen ein Einzelkind und hat schon in der Kindheit viele Urlaube und Feiertage auf dem Anwesen der Smythe – Smith Familie verbracht; er gehört praktisch schon zum Inventar dort und liebt die familiäre Atmosphäre dort sehr, weil seine Familie ihm gegenüber stets jegliche Wärme vermissen ließ.
Doch nachdem Daniel einen Fehler beging, der von der Gesellschaft nicht gut aufgenommen wurde und dazu führte, dass Daniel außer Landes fliehen musste, hat auch Marcus sich bei den Smythe- Smiths ein wenig rarer gemacht. Lediglich auf Bällen begegnen sich Honoria und er immer wieder, wo Marcus sie stets mit einem mürrischen Gesichtsausdruck mustert, der andere Mitglieder der Gesellschaft zumeist in die Knie zwingt oder verschreckt das Weite suchen lässt.
Für Honoria jedoch ist Marcus wie ein Bruder- zumindest glaubte sie dies bislang, bis sich ihre und Marcus Wege zuerst in London und später bei einer Landpartie, die bei Nachbarn von Marcus stattfindet, erneut kreuzen. Mit ungeahnten Folgen, die Marcus eine schwere Beinverletzung und Honoria jede Menge Sorgen um Marcus Wohlergehen einbrocken.
„Mit List und Küssen“ ist der erste Teil einer neuen Serie um die Smythe-Smith Familie, die Fans der Romane von Julia Quinn schon längst ein Begriff sind, da die Autorin sie bereits in anderen Serien ihrer Romane erwähnte. Bislang erfuhr man über die Familie lediglich, dass die Smythe-Smith’s Frauen allesamt fürchterlich unmusikalisch sind und ehrlich gesagt hatte ich im Vorfeld die Befürchtung, dass eine eigene Serie über eben diese Familie vielleicht nicht ganz so interessant sein würde, bzw. dass sie als Hauptfiguren eventuell ein wenig langweilig wirken könnten. Doch weit gefehlt!
Nachdem ich von Julia Quinns „Bevelstoke“ Serie bis auf den sehr guten ersten Teil leider enttäuscht war, habe ich meine Erwartungen im Vorfeld eigentlich schon ziemlich heruntergeschraubt. Umso mehr hat es mich gefreut, dass die Autorin in ihrem neuen Roman meiner Meinung nach wieder zu alter Form zurückgefunden hat.
Sowohl der Schreibstil selbst, der abermals beschwingt und heiter wirkt, aber auch die Tatsache, dass Julia Quinn ihren spitzfindigen Humor wieder gefunden; pointiert und an richtiger Stelle einzusetzen vermochte, waren diesmal Garanten dafür, dass ich diesen Historical mit dem größten Lesevergnügen gelesen habe.
Aber auch das Heldenpaar dieses Romans habe ich auf Anhieb in mein Herz geschlossen. Honoria und Marcus kennen sich bereits seit ihrer Kindheit. Früher war sie der kleine Quälgeist, der Marcus und Honorias Bruder Daniel die Ferien vermiesen wollte, doch nun, erwachsen, haben sie eigentlich ein sehr freundschaftliches Verhältnis füreinander entwickelt und beide mögen den Humor des anderen sehr. Marcus wirkt auf den ersten Blick sehr ernst, in sich gekehrt und mürrisch, doch da die Autorin den Roman aus der Sicht beider Hauptfiguren schildert, wird man sich dadurch, dass sie den Leser mit Marcus Gefühlsleben konfrontiert, schnell darüber gewahr, dass Marcus im Grunde ein zwar sehr einsamer, aber sehr interessanter, freundlicher und witziger Mann ist.
Honoria dagegen ist sehr schlagfertig, neugierig, plaudert sehr gerne mit ihren Cousinen und Schwestern und ist eigentlich erfrischend unkompliziert. Ihr Einfallsreichtum (ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen… ich erwähne hier nur das Stichwort „Maulwurfshügel“) hat mir hier und da ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert.
Zwar ist es dem Leser eigentlich von Anfang an klar, dass die beiden zusammengehören, doch die Art und Weise wie beide dann langsam ihre Gefühle füreinander entdecken; ist so romantisch, warmherzig und einfach schön beschrieben, dass einem das Leserherz direkt aufgeht. Humorvolle Dialoge, interessante Nebenfiguren (Honorias Cousinen) und auch ernstere Momente machen dieses Buch zu etwas ganz Besonderem.
Abgerundet wird dieser tolle Historical den man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte, durch eine wunderbare Ausdrucksweise und eine sehr gelungene Übersetzung von Frau Lingsminat. (die zu meinen Lieblingsübersetzerinnen in diesem Genre gehört)