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Veröffentlicht am 04.06.2018

Nachdenklich machender Roman über die Sinnlosigkeit von Kriegen!

Das Dorf der Wunder
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Der Roman "Das Dorf der Wunder" von Autor "Roy Jacobsen" erscheint seit 2012 im "Aufbau Verlag".

Finnland im Winter 1939: Die Sowjets überfallen mit einer riesigen Armee Finnland. Auf finnischer Seite ...

Der Roman "Das Dorf der Wunder" von Autor "Roy Jacobsen" erscheint seit 2012 im "Aufbau Verlag".

Finnland im Winter 1939: Die Sowjets überfallen mit einer riesigen Armee Finnland. Auf finnischer Seite kämpfen gerade mal 2000 Männer.
Der Holzfäller Timo Vatanen ist der Einzige von circa 4000 Einwohnern in Suomussalmi, der nicht flieht und in aller Seelenruhe auf die heranrückenden Truppen wartet. Bald wird sein Wissen für die Russen unentbehrlich. Denn er weiß, wie man im eisigen finnischen Winter bei minus 40 Grad überlebt.


Ein Menschenleben ist nicht viel wert, aber man klammert sich doch gern daran, wenn man es nun schon hat. (Timo Vatanen)


Der in Norwegen lebende Schriftsteller Roy Jacobsen, hat einen bemerkenswerten Erzählstil. Schon in "Die Unsichtbaren" hat mir seine Ausdrucksfähigkeit sehr gut gefallen. Diesem Roman liegen wahre Ereignisse von 1939 zugrunde. Es geht um Überleben, Kampf und die kleinen Freuden des Alltags in dieser schweren Zeit. Denn viele Zivilisten wurden unweigerlich in diesen Krieg hineingezogen, ohne ihn zu unterstützen oder auch zu verstehen.

Jacobsen erzählt vom Finnen Timo Vatanen, einem einfachen, ungebildeten Holzfäller, der vor den näher kommenden russischen Truppen aus Überzeugung und Sturheit seinen Wohnort nicht verlassen will und dort zum Lebensretter einiger Männer im eisigen finnischen Winter wird. Zwischen Trümmern und Asche bleibt Timo zurück und zieht sich ins Haus von Krämer Antti zurück, besorgt sich nützliche Dinge, die er im Dorf findet, bunkert Feuerholz und alle Lebensmittel, die er finden kann. Damit wirkt sein Rückzugsort fast wie eine Oase inmitten der Gewalt. Dort nimmt er Menschen gleich jeder Nationalität oder Religion auf, versorgt Wunden oder Erfrierungen, kocht und wärmt und rettet so arme Seelen vor dem Tod. Auch die Russen können den stoischen Timo nicht zum Abzug bewegen. Aber auch sie profitieren von seinen Fähigkeiten und seinem Feuerholz.

Interessant finde ich, wie die Grenzen zwischen den Militärmächten verschwimmen. Wie Menschen kämpfen, die Fronten wechseln und wie das Schicksal ihnen mitspielt. Wer ist Freund, wer Feind?
Bei Timo ist das egal, seine Fürsorge ist spürbar. Nach dem Lesen des Romans noch lange Zeit.


Diese Erzählung zeigt rührende Menschlichkeit, die nicht aus pazifistischer Überzeugung heraus wächst, sondern aus Timos tiefer Anteilnahme für seine Mitmenschen. Timo steht als wunderbarer Sonderling und Held und Retter der Geschichte da.
Dieses Buch rührt an, wärmt mit angewandter Menschlichkeit und zeigt, wie unsinnig Kriege sind.

Veröffentlicht am 02.06.2018

Atmosphärisch, düsterer Krimi aus Schweden

Sommernachtstod
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Es ist wie ein düsterer Schatten, der über einem Dorf in Südschweden liegt. Dort verschwand vor 20 Jahren der kleine Junge Billy Lindh spurlos. In der Folge nahm sich die Mutter des Jungen das Leben und ...

Es ist wie ein düsterer Schatten, der über einem Dorf in Südschweden liegt. Dort verschwand vor 20 Jahren der kleine Junge Billy Lindh spurlos. In der Folge nahm sich die Mutter des Jungen das Leben und der von allen Verdächtige tauchte unter und ging zur See.
Billys Schwester Vera Lindh ist inzwischen Therapeutin in Stockholm und bekommt von ihrem neuen Patienten Isak eine beunruhigende Geschichte über einen verschwundenen Jungen erzählt. Vera ist sofort alarmiert und möchte das Rätsel von damals endlich aufklären. Sie geht zurück in ihr Heimatdorf und trifft auf eine Mauer des Schweigens.

"Sommernachtstod" ist mein erster Krimi von Anders de la Motte, der bereits in Schweden einige Preise verliehen bekam.
Wie bei den Wallander-Krimis und bei anderen schwedischen Krimis, ist es hier der ruhige und dennoch düstere und bedrückende Erzählstil, der mir gut gefällt. Der Autor zeigt genaue Einblicke in die menschlichen Abgründe und verwirrt mit einem stimmungsvollen Wechsel von Perspektiven aus Vergangenheit und Gegenwart.



Nach langer Zeit kehrt Vera in ihr Elternhaus zurück, denn sie möchte das Rätsel um das Verschwinden ihres kleinen Bruders Billy aufklären. Sie lernt den Patienten Isak kennen, der durchaus ihr Bruder sein könnte. Warum sollte er sonst Einzelheiten des Verschwindens kennen?

Vera taucht in ihren eigenen Gedanken in die Vergangenheit zurück und versucht sich an Details zu erinnern. Dabei wird sie auch mit eigenen Ängsten konfrontiert. Sie leidet noch immer sehr am Tod ihrer Mutter und nun ist sie selbst Therapeutin für Trauerbewältigung geworden.

Ihr Charakter hat mir einige Schwierigkeiten gemacht und ich konnte mit ihr nicht warm werden. Dennoch hat mich die Story gefesselt und die raffiniert eingebauten Einblicke haben mich an das Buch gefesselt.

Ihre Nachforschungen bleiben nicht ohne Folgen, es kommt zu Problemen mit verschiedenen Personen. Ihre Verwandten sind nicht einfach zu durchschauen und so baut sich beim Lesen ein düsteres Bild auf. Bei diesem Krimi kann man selbst gut miträtseln und das Ende nimmt einen unerwarteten Ausgang, der auch absolut logisch erscheint.

Die gelungenen Wechsel der Erzählstränge sorgen für fesselnde Spannungsmomente und die Figuren mit ihren teilweise schwierigen Charakterzügen für eine unheilvolle und bedrückende Atmosphäre. Es gibt Andeutungen zwischen den Zeilen, die eine quälende Ungewissheit auf das Verschwindens des kleinen Jungen werfen. Die Handlung ist atmosphärisch dicht und punktet durch den ruhigen Erzählstil.
Von der gedrückten Stimmung wurde ich mitgerissen, es hat mir lediglich eine Sympathiefigur, ein Held oder Ermittler gefehlt. Das konnte Vera mit ihrer etwas labilen Art nicht darstellen.


Bei diesem Buch hat der Autor neben den Gefühlen auch die menschlichen Abgründe gut eingefangen. Für Liebhaber von Krimis mit psychologischem Tiefgang ist dieses Buch sicher gut geeignet.

Veröffentlicht am 01.06.2018

Interessante Reisereportage, die Historie und persönliche Abenteuer eines Seglers vorstellt

Die vergessenen Inseln
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Dieses Buch ist eine Mischung von Roman und Erlebnisbericht des literarischen Segelfans Thomas Käsbohrer. Er hat lange Zeit als Verleger in einem Buchverlag gearbeitet und hat stets von einer großen Reise ...

Dieses Buch ist eine Mischung von Roman und Erlebnisbericht des literarischen Segelfans Thomas Käsbohrer. Er hat lange Zeit als Verleger in einem Buchverlag gearbeitet und hat stets von einer großen Reise geträumt. Mit seinem Schiff Levje hat er sich diesen Traum erfüllt und segelte durch das Mittelmeer. Neben nautischen Informationen stellt er seine persönlichen Erfahrungen und historische Einblicke in diesem Buch vor. Er schreibt auch für die Zeitschrift YACHT und hat den Blog Mare Blu.


Dabei bekommt man als Leser seine eigenen Erfahrungen auf hoher See hautnah mit, wie er alleine den Gewalten des Meeres und den Gefahren von Stürmen ausgesetzt ist, diesen trotzt und welche Erlebnisse und Gedanken ihn dabei begleiten.

Er verbindet auf seiner Mittelmeerreise aber auch historische Hintergründe mit seinem eigenen Erleben. So taucht man in die Steinzeit ein, erlebt längst versunkene Inseln und Urlaubs-Inseln, die früher andere Namen trugen, und sieht die Griechen und Römer besiedeln, kämpfen und werkeln.


Stets verbindet er aktuelle Anekdoten und Hintergründe mit diesen historischen Anfängen. Wir erfahren von Lepra-Inseln, entdecken Kitesurf Hotspots, erleben Soldaten im 2. Weltkrieg auf Rhodos, sehen Thunfischer in Aktion und hören vom Leben der Jackie O. Auch von Flüchtlingsbooten und Schwammtauchern ist in diesem Buch die Rede.


Seine Berichte sind absolut vielfältig und sehr interessant. Es ist für jeden etwas dabei, man lernt, hört und staunt beim Lesen.
Daneben bekommt an genaue Abläufe und Vorgänge an Bord geschildert, erfährt von den vielen nötigen Handgriffen beim Segeln, von Nautik und von der nervenzehrenden Situtation bei Nacht auf See im Sturm. Seine Ängste scheinen nicht besonders stark zu sein, denn er trotzt allen Gefahren und meint auf See weniger Angst zu haben als an Land.


Ich habe einige zu detailgenaue Schilderungen des Segelns überflogen, dafür bin ich nicht die richtige Zielgruppe. Man muss sich etwas einlesen, dann bekommt man ein Gefühl für den Erzählstil des Autors. Denn er springt von Insel zu Insel, segelt natürlich dorthin und springt von Vergangenheit zu Gegenwart hin und her.
Es geht von Sizilien nach Malta, von dort nach Kreta, nach Venedig und Mallorca und zwischendurch auf türkische Inseln. Leicht verwirrend das Ganze, aber man folgt gebannt und sieht die Abenteuer im Laufe der Geschichte plötzlich in einem anderen, viel kleineren Blickwinkel.

Im Grunde zieht Thomas Käsbohrer eine Route, die der Geschichte des Mittelmeeres folgt. Von den ersten Ansiedlungen zu Christi Geburt, von den ersten Kreuzzügen bis zur heutigen Zeit mit den Flüchtlingsströmen. Hier erlebt man die Historie im Zeitraffer und saust mit dem kleinen Segelboot dahinter her.


Dieses Buch ist die richtige Lektüre für gestandene Seefahrer, Segler und Weltenbummler. Aber auch Historiker werden ihre Freude an den verschiedenen Stationen haben. Ich habe einige Geschichten und die historischen Begebenheiten nicht alle gleich interessiert gelesen. Doch insgesamt bin ich sehr angetan von diesem besonderen Buch.


Eine interessante Reisereportage mit vielen gelungenen Einblicken und den historischen Bezügen.

Veröffentlicht am 25.05.2018

Ein schöner Cornwallroman mit Sommerfeeling

Sommerhaus zum Glück
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Anne Sanders bringt uns in ihrem sehr unterhaltsamen Roman die Lebens- und Liebesgeschichten von drei Frauen vor der malerischen Kulisse des Küstenstädtchen St. Yves in Cornwall näher.


Elodie Hoffmann ...

Anne Sanders bringt uns in ihrem sehr unterhaltsamen Roman die Lebens- und Liebesgeschichten von drei Frauen vor der malerischen Kulisse des Küstenstädtchen St. Yves in Cornwall näher.


Elodie Hoffmann stammt aus Frankfurt, entflieht der Großstadt aus verschiedenen Gründen und kauft ein B&B in Cornwall, ohne es vorher angesehen zu haben. Wie kann man nur so unbedarft sein? Schnell bemerkt sie ihren Fehler, denn am romantischen, aber doch altersschwachen Häuschen ist einiges zu tun, doch Elodie hat Glück. Sie bekommt Hilfe in Person des vermeintlichen Coffeeshop-Betreibers, Tom de la Chaux, der zwar einen klangvollen Namen trägt, den sie aber zunächst gar nicht leiden kann. Sie findet schnell Anschluss und lernt Helen und Brandy kennen und schon bald werden die drei echte Freundinnen und stehen sich bei ihren Sorgen und Nöten bei.


Helen ist bereits 25 Jahre mit ihrer großen Liebe Liam verheiratet, sie führen gemeinsam ein Café, haben zwei pubertierende Kinder und kaum noch freie Zeit miteinander. Die Beziehung bekommt Brüche und nun muss diese Liebe neu entfacht werden.

Brandy ist eine ältere Frau in den Siebzigern, jeder kennt und mag sie und ihren Marotten. Sie erzählt Touristen ihre Geistergeschichten und ist sich damit in St. Ives stadtbekannt. Gerne verwöhnt sie ihre Freundinnen mit kostbaren Geschenken. Woher nimmt sie nur das Geld dafür?

Elodie findet sich schnell ein, akzeptiert die nötige Renovierung an ihrem neuen Haus und plant die Umsetzung ihres Traums von eigenen B&B. Sie bekommt Unterstützung von vielen Seiten und trinkt beim unfreundlichen Tom weiterhin ihren Kaffee, der so unvergleichlich gut schmeckt. Nur der Typ ist schwierig, sie sind wie Katz und Hund und begegnen sich stets auf Abwehrhaltung.


Anne Sanders beschreibt die Landschaft und das Städtchen St. Yves in Cornwall so lebendig und wunderschön, dass man beim Lesen gleich in Urlaubsstimmung versetzt wird. Und ihre Charaktere haben mit ihren Ecken und Kanten und ihren Lebensbedingungen viele Aspekte, die für Interesse und Anteilnahme beim Leser sorgen. Es macht Spaß zu beobachten, wie die drei Frauen zu Freundinnen werden. Mit ihrem lockeren und lebensnahen Schreibstil führt die Autorin ihre Leser hautnah durch die Geschichte und lässt sie die dargestellten Gefühle hautnah miterleben.


Mit diesem Roman wurde ich prima unterhalten und ich konnte mich gut in die wunderschöne Landschaft träumen.

Veröffentlicht am 24.05.2018

Ein toller Roman über Londons Kaufleute im Mittelalter

Der König der purpurnen Stadt
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Diesen historischen Roman lässt die Autorin wieder im Mittelalter in England spielen, doch dieses Mal ist kein Adliger der Protagonist, sondern ein Kaufmann und Wollhändler aus London. Jonah Durham ist ...

Diesen historischen Roman lässt die Autorin wieder im Mittelalter in England spielen, doch dieses Mal ist kein Adliger der Protagonist, sondern ein Kaufmann und Wollhändler aus London. Jonah Durham ist eine Figur, mit der man sich auf eine abenteuerliche Reise machen kann, denn sein Erfolg im Beruf, sein Aufstieg in die elitäre Tuchhändlergilde ist seinen Neidern ein Dorn im Auge. Er muss einiges einstecken, bis er diesen Aufstieg geschafft hat und auch danach hat er einige Feinde. Seine Liebe zur Königin Philippa macht die Sachen um einiges schwerer als es schon der Fall ist.


Auch dieser Roman ist der Autorin wunderbar gelungen, das London des 14. Jahrhunderts und das damalige Kaufmannsleben zeichnet sich als Kopfkino ab und die Hauptfigur Jonah hat mit seinem Lebenswandel einige Intrigen und Abenteuer zu bestehen, die mit Liebe, Leid und Freud beim Leser für gute Unterhaltung sorgen.


Es entsteht ein guter Einblick in die Gebräuche der Zünfte und Gilden und das Leben des Mittelstands wird hier authentisch nachempfunden. Aus dieser Sicht hat man eine neue Perspektive auf die Adelsherren, den König und die Ritter und lernt die politische und gesellschaftliche Struktur Londons kennen.

Anhand einiger weiblicher Charaktere verdeutlicht die Autorin gezielt die Rolle der Frau im Mittelalter mit ihrer unterwürfigen Stellung, sie zeigt die vorherrschende Gewalt und Unterdrückung, jedoch ohne diese Rolle zu stark zu dramatisieren. Die Darstellung von Königin Philippa gefällt mir ausgesprochen gut, denn sie weiß sich trotz der Abhängigkeit von ihrem Mann durchaus geschickt und mit intelligenten Schachzügen zu wehren und ihre Interessen durchzusetzen.

Es ist die Kunst der Autorin, ihren Charakteren Leben einzuhauchen und man kann sich gut in die Figuren hineinversetzten und ihr Handeln nachvollziehen, wenn auch nicht billigen. Mir erschien die Hauptfigur Jonah mit seinen negativen Zügen zwar nicht unbedingt als Sympathieträger, doch er wird damit auch glaubhaft. Gegen die anderen Romane fehlt es der Geschichte insgesamt ein wenig an Spannung.

Doch auch dieser Roman ist wieder gut recherchiert und hat reichlich Unterhaltungspotential.
Obwohl hier einige Figuren aus anderen Bänden eingebunden werden, ist dieser Roman eine eigenständige Geschichte.

Am Ende lösen sich die Intrigen und Bosheiten von Jonahs Neidern und Gegner in Wohlgefallen auf, was einem Roman dieser Art einen guten Abschluss verpasst.


In diesem Roman taucht Rebecca Gablé ins Tuchhändler-Milieu ein und bringt mit stimmiger Hintergrund-Zeichnung eine interssante Geschichte zu Papier, die mit ihren bisherigen Romanen vielleicht nicht ganz mithalten kann, aber dennoch für gute Leseunterhaltung sorgt.