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Veröffentlicht am 25.05.2018

Als die Wunden des Krieges noch nicht verheilt waren

Kaltenbruch
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Das rheinische Provinznest Kaltenbruch im Frühsommer 1954: Der 17-jährige Heinrich Leitner, der Sohn eines Bauern, wird mit einer Axt erschlagen. Kommissar Peter Hoffmann, der von der Düsseldorfer Kripo ...

Das rheinische Provinznest Kaltenbruch im Frühsommer 1954: Der 17-jährige Heinrich Leitner, der Sohn eines Bauern, wird mit einer Axt erschlagen. Kommissar Peter Hoffmann, der von der Düsseldorfer Kripo strafversetzt wurde, nimmt die Ermittlungen zusammen mit seiner Mitarbeiterin Lisbeth Pfau auf. Auf der Suche nach dem Täter passiert ein weiterer Mord. Der Polizist und seine Kollegin machen eine erschütternde Entdeckung und müssen bei ihrer Arbeit feststellen, dass der Krieg tiefe Spuren bei der Dorfgemeinschaft hinterlassen hat…

„Kaltenbruch“ von Michaela Küpper ist ein gelungener historischer Roman, bei dem nicht nur ein Kriminalfall, sondern auch die Folgen des Zweiten Weltkriegs im Mittelpunkt stehen.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 66 Kapiteln. Erzählt wird aus der Perspektive unterschiedlicher Figuren. Die Vielzahl an Charakteren ermöglicht es, Einblicke in die jeweiligen Schicksale und ihre Verbindungen zu erhalten und ein breites Spektrum an Biografien darzustellen, die typisch für die Zeit der 1950er-Jahre sind und die man durch Rückblenden erfährt. Allerdings fiel es mir anfangs etwas schwer, in die Geschichte einzutauchen, weil erst einmal viele Personen eingeführt wurden. Dies ist zunächst etwas verwirrend, erfordert viel Aufmerksamkeit vom Leser und sorgt dafür, dass die Handlung zu Beginn nur langsam Fahrt aufnimmt.

Der Erzählstil ist flüssig, angenehm und anschaulich. Der Einsatz von viel wörtlicher Rede macht das Geschehen lebendig.

Nicht nur das Ermittlerteam, Peter Hoffmann und die sympathische Lisbeth Pfau, hat mir gut gefallen. Auch die übrigen Charaktere werden vielschichtig und authentisch dargestellt, wobei es mir an manchen Stellen jedoch noch etwas an psychologischer Tiefe fehlt.

Die Handlung hält einige überrasche Wendungen bereit und ist spannend. Die Auflösung ist glaubwürdig und nicht vorhersehbar. Stück für Stück tun sich dunkle Geheimnisse auf.

Eine Stärke des Romans ist es, dass sie die Nachwehen des Krieges eindrucksvoll beschreibt. Die harte Arbeit der Menschen, der Verlust von Angehörigen, die schwierige Situation von Flüchtlingen und das Schicksal von Frauen, die ihre Kinder alleine versorgen mussten, sind nur einige Aspekte der Traumata und Auswirkungen, die noch in den 1950er-Jahren zu spüren sind. Die Aufarbeitung dieser Thematik hat mich überzeugt. Die Autorin zeichnet ein berührendes Porträt der Nachkriegszeit, ohne dass die Geschichte dabei zu rührselig wird. Die Lektüre ist somit nicht nur kurzweilig, sondern regt auch zum Nachdenken an.

Das hübsche Cover ist sehr atmosphärisch und passt gut zum Inhalt der Geschichte. Der kurze Titel ist ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Kaltenbruch“ von Michaela Küpper ist ein lesenswerter Roman, der gleichsam spannend wie bewegend ist. Nicht nur Krimifans kommen auf ihre Kosten.

Veröffentlicht am 15.05.2018

Drei Frauen, ein Mann und viele Geheimnisse

The Wife Between Us
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Die 28-jährige Erzieherin Nellie ist glücklich: Bald wird sie den attraktiven Hedgefondsmanager Richard (36) heiraten. Doch etwas stimmt nicht: Dinge verschwinden aus ihrem neuen Heim, sie bekommt merkwürdige ...

Die 28-jährige Erzieherin Nellie ist glücklich: Bald wird sie den attraktiven Hedgefondsmanager Richard (36) heiraten. Doch etwas stimmt nicht: Dinge verschwinden aus ihrem neuen Heim, sie bekommt merkwürdige Anrufe und sie wird von einer Frau beobachtet. Vanessa, die Ex von Richard, ist seit der Scheidung ein Wrack. Sie wohnt bei ihrer Tante und muss als Verkäuferin jobben. Ihr früheres Luxusleben hat sie verloren. Sie ist nun von einem Plan besessen: Sie will die Hochzeit von Nellie und Richard verhindern. Und dann ist da noch Emma, die einen Brief erhält, in dem es heißt, dass sie die Wahrheit über Richard erfahren soll. Welche Geheimnisse gibt es zu verbergen? Wer ist ein Opfer?

„The Wife Between Us" ist ein fesselnder Spannungsroman von Greer Hendricks und Sarah Pekkanen.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 42 Kapiteln. Er beginnt mit einem spannenden Prolog und endet mit einem Epilog. Zusätzlich ist das Buch in drei Teile gegliedert. Erzählt wird einerseits aus der Ich-Perspektive von Vanessa und andererseits aus der Sicht von Nellie. Beide wechseln sich im ersten Teil ab, später bleibt es bei der Ich-Perspektive. Der raffinierte Aufbau erfordert Aufmerksamkeit beim Lesen, ist aber sehr gut gelungen und durchdacht.

Der Erzählstil ist unspektakulär, aber flüssig und sehr angenehm zu lesen. Die Geschichte konnte mich schnell packen, sodass ich den Thriller nur ungern zur Seite gelegt habe.

Die beiden Hauptprotagonistinnen Vanessa und Nellie sind interessante und vielschichtige Charaktere. Ihr Innenleben wird anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Ihre Entwicklung ist authentisch dargestellt.

Ein Pluspunkt des Thrillers ist seine psychologische Tiefe. Es geht um Zwangsstörungen und andere ernste Themen. Dadurch regt der Roman zum Nachdenken an.

Die Handlung bleibt – trotz mancher Längen und Wiederholungen - durchgehend spannend und kann mit einigen Wendungen überraschen. Beiden Autorinnen gelingt es gut, den Leser lange Zeit im Unklaren zu lassen und zu verwirren. Auch die Auflösung finde ich schlüssig und nicht vorhersehbar.

Das Cover ist ansprechend und passt sehr gut. Mir gefällt, dass es von der Originalausgabe übernommen wurde. Auch der deutsche Titel ist identisch mit der amerikanischen Version.

Mein Fazit:
„The Wife Between Us" von Greer Hendricks und Sarah Pekkanen ist ein empfehlenswerter Psychothriller, der bis zur letzten Seite spannend ist. Ich bin schon neugierig auf die geplante Verfilmung.

Veröffentlicht am 13.05.2018

Luisas letzter Wille

Der Letzte von uns
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Dresden im Jahr 1945: Während der Bombennächte kommt Werner Zilch, kurz Wern, zur Welt. Seine Mutter Luisa ist schwer verletzt und stirbt direkt nach der Geburt. Ihr letzter Wille ist es, dass das Kind ...

Dresden im Jahr 1945: Während der Bombennächte kommt Werner Zilch, kurz Wern, zur Welt. Seine Mutter Luisa ist schwer verletzt und stirbt direkt nach der Geburt. Ihr letzter Wille ist es, dass das Kind in Sicherheit gebracht wird. Sie ist überzeugt: Er ist der Letzte von ihnen. Rund 25 Jahre später verliebt sich Wern, der im Alter von drei Jahren adoptiert wurde, in New York in die schöne Rebecca Lynch, eine Kunstmalerin und der Spross einer reichen Familie. Die Liebe der beiden scheint voller Leidenschaft. Doch mit einem Mal bricht Rebecca den Kontakt zu ihm ab - ohne eine Erklärung. Wern muss sich einer schmerzhaften Wahrheit stellen.

„Der Letzte von uns“ von Adélaïde de Clermont-Tonnerre ist ein Roman über Geheimnisse und bewegende Ereignisse.

Meine Meinung:
Es gibt mehrere Erzählstränge, die sich abwechseln. Zum Teil findet die Handlung im Deutschland der 1940er-Jahre statt. Der andere Teil, der in den USA Ende der 1960er- und in den 1970er-Jahren spielt, wird erzählt aus der Ich-Perspektive aus der Sicht von Wern. Auch gibt es einige Ortswechsel. Diesen Aufbau finde ich gut gelungen.

Der Erzählstil ist sehr flüssig und angenehm. Die Sprache ist klar und anschaulich. Es fiel mir nicht schwer, in die Geschichte einzutauchen. Trotz der recht hohen Seitenzahl ließ sich der Roman schnell lesen.

Während mich die Schilderungen aus den 1940er-Jahren begeistern konnten, bin ich mit dem erwachsenen Wern und seiner Angebeteten Rebecca nicht so recht warmgeworden. Beide Protagonisten sind durchaus reizvoll angelegt. Allerdings gelang es mir nicht so gut, ihre Gedanken und Gefühle nachzuvollziehen. Beide blieben etwas blass und fremd. Sie waren mir nicht so sympathisch wie erhofft.

Trotz der unterschiedlichen Erzählstränge und einiger Zeitsprünge ist die Handlung äußerst schlüssig und wirkt authentisch. Die Geschichte bietet Spannung und ist kurzweilig. Stück für Stück werden Geheimnisse, Lügen und Verrat enthüllt. Vor allem die dramatischen Umstände von Werners Geburt und die folgenden Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs und danach konnten mich bewegen.

Das Cover gefällt mir außerordentlich gut. Der Titel ist treffend gewählt und macht neugierig.

Mein Fazit:
„Der Letzte von uns“ von Adélaïde de Clermont-Tonnerre ist ein unterhaltsamer Roman, bei dem vor allem Geschichtsfans und New-York-Liebhaber auf ihre Kosten kommen.

Veröffentlicht am 06.05.2018

Die Abgründe zwischen uns

Die Lichter unter uns
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Anna Falk, eine freie Journalistin, ist 43 Jahre alt, als sie mit ihrem Mann Jo, Tochter Judith (11) und Sohn Bruno (6) an den Ort ihrer Hochzeitsreise zurückkehrt. Die Gegend um den Ort Taormina auf Sizilien, ...

Anna Falk, eine freie Journalistin, ist 43 Jahre alt, als sie mit ihrem Mann Jo, Tochter Judith (11) und Sohn Bruno (6) an den Ort ihrer Hochzeitsreise zurückkehrt. Die Gegend um den Ort Taormina auf Sizilien, die damals so romantisch erschien, kann sie dieses Mal nicht so begeistern, denn das Geld ist knapp und die Leidenschaft in ihrer Ehe passé. In der zweiten Ferienwoche begegnet sie dem Blick von Alexander von Leppin (52), der mit seiner schwangeren und 25 Jahre jüngeren Freundin Zoe sowie seinem Sohn Florian ebenfalls Urlaub in dem italienischen Ort macht. Sie sucht die Nähe des Fremden und ist nahezu besessen von ihm. Er führt das sorglose Leben, das sie selbst gerne hätte. Doch ist er tatsächlich glücklich? Und welche dunklen Geheimnisse verbergen die anderen?

„Die Lichter unter uns“ von Verena Carl ist ein Roman über die Zweifel am eigenen Leben und die menschlichen Abgründe.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 17 Kapiteln. Die Handlung spielt – neben einigen Rückblenden – während der Urlaubstage auf der italienischen Insel. Erzählt wird aus der Perspektive von Anna und Alexander, aber auch aus der Sicht der anderen Erwachsenen: Florian, Zoe und Jo. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Sprachlich ist der Roman besonders gelungen. Die Autorin versteht es auf hervorragende Weise, die Stimmung und Gedanken der Personen sowie die Handlung in der Beschreibung der Natur und Umgebung zu spiegeln. Ihr poetischer Schreibstil enthält viele, teils originelle Metaphern, ist sehr atmosphärisch und schafft eine melancholische Grundstimmung. Die Sprache des Romans macht ihn zu einer lohnenswerten Lektüre.

Anna und Alexander sind zwei sehr unterschiedliche Hauptprotagonisten. Stück für Stück werden ihre menschlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten entblößt. Allerdings blieb mir vor allem Annas Verhalten leider bis zum Schluss fremd und nicht nachvollziehbar. Auch an der Gedanken- und Gefühlswelt der übrigen Personen kann der Leser teilhaben. Ein Geflecht aus Lügen, Ungesagtem und unerfüllten Träumen wird so aufgedeckt. Es zeigt sich, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Dabei überrascht die Handlung immer wieder mit Wendungen und neuen Geheimnissen.

Der Roman ist in sich stimmig. Er verzichtet auf Gefühlsduselei und Kitsch. Er bietet stattdessen viel Raum für Interpretationen und lässt bewusst einige Fragen offen. Leider driftet er gegen Ende etwas zu sehr ins Dramatische ab. Dennoch bleibt von der ersten bis zur letzten Seite ein nachdenklicher Grundton. Aufgegriffen werden universelle Fragen: Wann ist man glücklich? Hat man in seiner Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen? Wie könnte das Leben anders verlaufen? Gut gefallen hat mir auch die unterschwellige Gesellschaftskritik, die an mehreren Stellen der Geschichte aufblitzt und für weitere Denkimpulse sorgt.

Cover und Titel des Buches passen meiner Meinung nach gut zum Roman.

Mein Fazit:
„Die Lichter unter uns“ von Verena Carl ist ein insgesamt lesenswerter Roman, der vor allem in sprachlicher Hinsicht heraussticht.

Veröffentlicht am 02.05.2018

Von der Freiheit und dem literarischen Schaffen

Ich wollte nur Geschichten erzählen
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Als Rafik Schami im März 1971 in Deutschland ankam, ahnte er nicht, welche Hürden auf ihn warten würden. Mit dem Entschluss, seine Heimat Damaskus in Syrien zu verlassen, entschied er sich für die Freiheit ...

Als Rafik Schami im März 1971 in Deutschland ankam, ahnte er nicht, welche Hürden auf ihn warten würden. Mit dem Entschluss, seine Heimat Damaskus in Syrien zu verlassen, entschied er sich für die Freiheit und gegen die Diktatur. Dieser Schritt war gut überlegt. Doch wie schafft es ein Exilautor, auch im Ausland zu publizieren? Mit welchen Schwierigkeiten hat er zu kämpfen? Und wie konnte der Schriftsteller dennoch mit seinen Geschichten erfolgreich zu werden? Antworten auf diese Fragen liefert Schami selbst, indem er über sein Schaffen als Autor berichtet.

Mit „Ich wollte nur Geschichten erzählen – Mosaik der Fremde“ gibt Rafik Schami Einblick in seine literarische Arbeit und die Kunst des Erzählens.

Meine Meinung:
In 65 kurzen Kapiteln, den Steinchen des Mosaiks, berichtet Rafik Schami in der Ich-Perspektive über das Leben als Exilautor. Er beginnt mit seiner Ankunft in Deutschland und fährt fort mit den weiteren Jahren bis zur jüngsten Vergangenheit, allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge.

Sprachlich ist das Buch sehr gelungen. Die Freude am Erzählen merkt man dem Autor in jedem Kapitel an.

Intensiv beleuchtet Schami die unterschiedlichen Facetten des literarischen Schaffens eines Schriftstellers, der fernab der Heimat im Exil lebt: von den Schwierigkeiten, in einer fremden Sprache zu schreiben, von den Anfeindungen der Kollegen, von den Problemen, einen Verlag zu finden, von Rassismus und offenen Drohungen, von seinen Tricks, einen guten Roman zu verfassen, und vom freien Vortragen bei Lesungen. Dazu erwarten den Leser interessante Ansichten und Einblicke, denn Schami hält mir seiner Meinung nicht hinter dem Berg und rechnet in deutlichen Worten mit Kritikern, Kollegen, politischen Feinden und Neidern ab. Wiederholt und sehr anschaulich erklärt er die Zustände in Syrien, die dazu geführt haben, dass er seine Heimat verließ und sie bis heute meidet. Die Passagen sind von Traurigkeit und Bitterkeit bestimmt und machen nachdenklich.

Immer wieder geht es auch um sein Heimweh nach Damaskus und die Trennung von der Familie. Auch teils amüsante, teils schockierende Anekdoten, die das Buch auflockern und lebhaft machen, streut der Autor ein. Als Autobiografie würde ich dieses Buch jedoch nicht einordnen. Insgesamt blieb mir Schami als Person, also jenseits der Schriftstellerei, trotz allem leider nämlich noch ein wenig fremd, denn er lüftet den Vorhang nur leicht, was sein persönliches Leben betrifft. Darüber gibt er nicht viel preis. Dies ist schade, denn weitreichendere Einblicke hätten die Lektüre noch intensiver und emotionaler werden lassen.

Das Cover und der Titel passen gut zum Inhalt. Ich habe das Buch als ungekürzte Lesung genossen. Die Hörbuch-Edition wird auf gewohnt angenehme Art von Wolfgang Berger gesprochen.

Mein Fazit:
„Ich wollte nur Geschichten erzählen – Mosaik der Fremde“ von Rafik Schami ist nicht nur für Literaturbegeisterte eine interessante, lehrreiche und unterhaltsame Lektüre.