Ein stiller Mord, der es in sich hat
Der Kinderarzt Albert Heckeroth fährt nach einem anstrengenden Arbeitstag zum Wochenendhaus seines Vaters an den Sternberger See, um dort nach dem Rechten zu sehen. Denn bereits am Abend zuvor ist der ...
Der Kinderarzt Albert Heckeroth fährt nach einem anstrengenden Arbeitstag zum Wochenendhaus seines Vaters an den Sternberger See, um dort nach dem Rechten zu sehen. Denn bereits am Abend zuvor ist der alte Herr nicht zurück in seine Wohnung gekommen und auch der Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme scheiterte. Als Albert auf der Suche nach dem Vater das Bad betritt, bietet sich ihm ein Anblick, den er den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen wird. Mit Gürteln an eine Heizung gekettet, kauert der pensionierte Mediziner auf dem Boden und der kaum auszuhaltende, widerliche Geruch nach Urin, Exkrementen und Verwesung lässt darauf schließen, dass er schon eine geraume Zeit nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Kriminalhauptkommissar Konstantin Dünfort ist gerade mit dem Zubereiten des Abendessens beschäftigt, als ihn der Anruf eines Kollegen von der Einsatzleitung erreicht, der ihm neben wichtigen Informationen zum Tatort auch gleich einen gut gemeinten Rat mit auf den Weg gibt: „Besser du isst hinterher.“ Worte, die die Situation in dem Haus am Sternberger See passend beschreiben und Dünfort darauf vorbereiten, was ihn erwarten wird. Gemeinsam mit seinen Kollegen Alois und Gina übernimmt er die Ermittlungen und stößt nicht nur auf verschwundene Kreditkarten und ein fehlendes Auto, sondern auch auf stichhaltige Motive, die direkt auf Mitglieder der Familie weisen. Als ihm aber im Schlafzimmer des Toten ein Fotoalbum in die Hände fällt, auf dessen Bilder Frauen in prekären Situationen zu sehen sind, wachsen in ihm Zweifel, ob der Mörder des Arztes in der Familie zu finden ist. Kurz darauf wird der Hauptverdächtige tot in seinem Haus aufgefunden. Für Dünfort ein stichhaltiger Grund, seine Ermittlungen in eine andere Richtung zu lenken, die ihn geradewegs in eine Sackgasse führt. Ein schwerer Fehler, wie er letztendlich erkennen muss. Denn während Dünfort noch einer falschen Spur nachgeht, hat der Mörder sich bereits sein nächstes Opfer geschnappt und ist gewillt, auch diesmal bis zum Äußersten zu gehen.
In ihrem Kriminalroman „In weißer Stille“ zeichnet die Autorin Inge Löhnig das Bild einer Familie, wie es sie viele in Bayern gibt. Ruhig und einfühlsam berichtet sie von Eheproblemen, aber auch von erfolgreichen Karrieren und einem Zusammenhalt, der nicht nur prägt, sondern auch Sicherheit gibt. Eine Sicherheit, die trügt. Denn gerade als die Mitglieder der Familie Heckeroth beginnen, den Tod der Mutter zu verarbeiten, geschieht das Unfassbare. Vater Wolfram wird ermordet und mit Beginn der Ermittlungen zu dessen Tod stellt sich heraus, dass nie eine Einigkeit zwischen den Familienmitgliedern geherrscht hat. Im Gegenteil. Hinter der so schillernden Fassade einer heilen Familie bröckelte es gewaltig und nicht nur eines der Kinder scheint ein Motiv für diese Tat gehabt zu haben. Unaufgearbeitete Gefühle, Neid und Missgunst. Ein wahres Wespennest, in welches die Beamten während ihrer Ermittlungen stechen.
Die Autorin Inge Löhning versteht es, sehr anschaulich zu erzählen und eine Stimmung aufzubauen, die überaus authentisch erscheint. Steht man zunächst mit der Ehefrau zufrieden am Küchenfenster und hofft auf einen schönen Herbsttag, steigt man bereits kurz darauf mit einem Kriminalhauptkommissar in den Keller eines Wochenendhauses und riecht förmlich die Ausdünstungen des Todes, der dort Einzug gehalten hat. Aber nicht nur die Art und Weise zu erzählen, fesselt den Leser an das Buch, auch die gut ausgearbeiteten, interessanten Charaktere und ein vielschichtiger, wendungsreicher Plot tragen dazu bei, dass man es nicht mehr aus der Hand legen kann. Ein Kriminalroman der leise beginnt, aber viel Spannung in sich birgt.