Profilbild von milkysilvermoon

milkysilvermoon

Lesejury Star
offline

milkysilvermoon ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit milkysilvermoon über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.06.2018

Als noch die Apartheid in Südafrika herrschte

Summ, wenn du das Lied nicht kennst
0

Südafrika in den 1970er-Jahren: Durch einen Gewaltakt verliert die neunjährige Robin Conrad, die zuvor eine behütete Kindheit in einem Vorort von Johannesburg hatte, ihre Eltern. Sie kommt zu ihrer Tante ...

Südafrika in den 1970er-Jahren: Durch einen Gewaltakt verliert die neunjährige Robin Conrad, die zuvor eine behütete Kindheit in einem Vorort von Johannesburg hatte, ihre Eltern. Sie kommt zu ihrer Tante Edith, die mit dem Kind aber überfordert ist. Als Kindermädchen beschäftigt sie Beauty Mbali. Die farbige, gebildete Xhosa-Frau hat auf der Suche nach ihrer 17-jährigen Tochter Nomsa ihr Heimatdorf verlassen. In unruhigen Zeiten entwickelt sich zwischen Robin und Beauty eine innige Beziehung. Doch dann trifft das Mädchen eine Entscheidung mit Folgen…

„Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ ist der bewegende Debütroman von Bianca Marais über die Wirren des Schüleraufstands in Soweto und die Auswirkungen der Apartheid.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 58 Kapiteln, die abwechselnd in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Robin und der von Beauty erzählt werden. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist angenehm, flüssig, anschaulich und einfühlsam. Viel wörtliche Rede macht den Roman lebhaft. Mir fiel es leicht, in die Geschichte einzutauchen.

Mit Robin und Beauty gibt es zwei Hauptprotagonistinnen, die sich in mehreren Punkten wie Hautfarbe und Alter sehr stark unterscheiden. Die Charaktere sind vielschichtig und mir ans Herz gewachsen. Ihre Gedanken und Gefühle ließen sich gut nachvollziehen. Vor allem Beauty war mir schon nach wenigen Seiten sympathisch.

Inhaltlich konnte mich der Roman sehr beeindrucken. Die Zeit und Umstände der Apartheid führt die Autorin sehr eindringlich vor Augen. Dabei geht es um gesellschaftliche Probleme der damaligen Zeit, die sich auf erschütternde Weise im Alltag in Südafrika niederschlagen: Rassenhass, Homophobie, Antisemitismus, weitere Vorurteile, Gewalt und einiges mehr. Ich fand es sehr interessant, etwas über die Aufstände und diese Zeit insgesamt zu erfahren. Dabei merkt man deutlich die gründliche Recherche. Verknüpft werden diese Aspekte mit menschlichen Themen und Schicksalsschlägen wie Tod, aber auch Liebe und Freundschaft. Der Roman ist dadurch sowohl unterhaltsam und emotional sehr bewegend als auch eine lehrreiche Lektüre, die aufwühlt und zum Nachdenken anregt.

Ein Pluspunkt sind die Landkarte und ein Glossar. Lesenswert ist auch das Nachwort der Autorin.

Die Aufmachung des Romans ist sehr hochwertig. Das schlichte, aber liebevoll gestaltete Cover ist sehr hübsch. Auch der Titel, der sich stark am Original („Hum If You Don’t Know The Words“) orientiert, gefällt mir gut.

Mein Fazit:
„Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ von Bianca Marais ist ein empfehlenswerter Roman, der mich begeistern und berühren konnte. Die Geschichte wird bei mir noch eine Weile nachklingen.

Veröffentlicht am 07.06.2018

Zwei Herzen, zwei Seelen, ein Körper

Einsame Schwestern
0

Die 16-jährige Lina und ihre gleichaltrige Schwester Diana führen ein einsames Leben. Die siamesischen Zwillinge sind von der Taille abwärts miteinander verbunden. Von der Außenwelt abgeschirmt, wohnen ...

Die 16-jährige Lina und ihre gleichaltrige Schwester Diana führen ein einsames Leben. Die siamesischen Zwillinge sind von der Taille abwärts miteinander verbunden. Von der Außenwelt abgeschirmt, wohnen die beiden mit ihrer Großmutter in einem kleinen Haus unter ärmlichen Umständen im postsowjetischen Georgien. Ihre Mutter Elene ist tot, ihr Vater Rostom Mortschiladze, der als Professor an einer Fachhochschule unterrichtet, hat sie schon in der Schwangerschaft verlassen. In einer Gesellschaft, die für Behinderte wenig Mitgefühl hat, ist Elenes Cousin Zaza der einzige Kontakt zur Welt draußen. In ihren Tagebüchern finden die Jugendlichen einen Rückzugsort und die Möglichkeit, ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten Ausdruck zu verleihen. Doch dann stirbt die Großmutter und die Zwillinge sind plötzlich ganz auf sich alleine gestellt…

„Einsame Schwestern“ von Ekaterine Togonidze ist ein aufrüttelnder, eindringlicher Roman über das Leben mit einem besonderen Schicksal.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen, die wiederum in etliche Abschnitte untergliedert sind. Neben den Passagen, die aus der Sicht von Rostom erzählt werden, wechseln sich die Tagebucheinträge von Lina und Diana ab. Dabei ist es der Autorin gut gelungen, einen authentischen Sprachstil für die Eintragungen der beiden Teenager zu finden. Auch die in Linas Passagen eingestreuten Gedichte sowie die wunderbaren Metaphern und Symbole, die an mehreren Stellen im Text zu entdecken sind, machen den Roman in sprachlicher Hinsicht besonders.

Mit Diana und Lina geht es um zwei Hauptprotagonistinnen, die es besonders schwer im Leben haben. Durch ihr Tagebuch wird ihre Gefühls- und Gedankenwelt sehr anschaulich und nachvollziehbar. Dabei stellt der Leser schnell fest, wie unterschiedlich die beiden Charaktere sind: Während Lina eher unbeschwert, verträumt und etwas naiv ist, ist Diana die vernünftigere und bodenständigere von beiden. Beim Lesen kommt man den Zwillingen sehr nahe, sodass ich schon nach wenigen Seiten viel Mitgefühl für die beiden entwickelt habe. Ihr Denken und Handeln ist zum Teil ihrer speziellen Situation geschuldet, zum Teil aber auch recht typisch für ihr Alter. Auch die übrigen Personen wirken realitätsnah.

Die Thematik der siamesischen Zwillinge spricht mich sehr an. Mit einem Schwesternpaar in den USA gibt es ein reales Vorbild für die Geschichte. Bemerkenswert ist es, dass die georgische Autorin die erste Schriftstellerin war, die in ihrem Heimatland körperliche Behinderung als Thema literarisch verarbeitet hat. Es hat mich tief erschüttert, wie Diana und Lina missbraucht werden, was man ihnen alles zumutet und wie die beiden von der Gesellschaft geächtet werden. Kaum jemand nimmt sie als eigenständig denkende Individuen wahr. Zudem gelingt es der Autorin gut, die inneren Konflikte der beiden Heranwachsenden deutlich zu machen und gleichzeitig einfühlsam darzustellen, wie sie mit dem Fehlen von Freiheit und Privatsphäre umgehen müssen. Die Geschichte regt somit in mehrfacher Hinsicht zum Nachdenken an und lässt den Leser so schnell nicht wieder los.

Natürlich kann das Cover ein solches Schwesternpaar nicht so einfach zeigen, weshalb ich die optische Umsetzung des Themas durch den Verlag als sehr gelungen betrachte. Auch der Titel ist passend gewählt.

Mein Fazit:
„Einsame Schwestern“ von Ekaterine Togonidze ist eine aufwühlende, beeindruckende Lektüre, die betroffen macht und noch eine Weile bei mir nachklingen wird. Ich kann diesen bewegenden Roman uneingeschränkt weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 07.06.2018

Eine Erbschaft, die viel abverlangt

Die Frauen vom Löwenhof - Agnetas Erbe (Die Löwenhof-Saga 1)
0

Schweden im Jahr 1913: Als sie an ihrem Studienort Stockholm ein Telegramm ihrer Mutter Stella erhält, ist Agneta Lejongård voller Sorge. Ihr Vater Graf Thure und ihr Bruder Hendrik seien verunfallt, sie ...

Schweden im Jahr 1913: Als sie an ihrem Studienort Stockholm ein Telegramm ihrer Mutter Stella erhält, ist Agneta Lejongård voller Sorge. Ihr Vater Graf Thure und ihr Bruder Hendrik seien verunfallt, sie soll umgehend nach Hause kommen, heißt es darin. Beide sterben, nachdem sie während eines Brands auf dem heimischen Gut verletzt werden. Vor zwei Jahren hat sich Agneta von ihrer Familie losgesagt, um sich als Malerin in der Hauptstadt den Künsten und ihrem Studium zu widmen. Jetzt macht sich die 27-Jährige umgehend auf den Weg und erfährt, dass sie das Erbe ihres Vaters als Gutsherrin vom Löwenhof antreten soll. Selbstlos stellt sie sich der Pflicht. Doch ihr Herz und ihre Gedanken sind bei Michael, einem ehrgeizigen Jurastudenten. Was wird aus ihrer Liebe?

„Die Frauen vom Löwenhof - Agnetas Erbe“ ist der gelungene Auftaktband einer Trilogie von Corina Bomann.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen, die wiederum in insgesamt 70 Kapitel untergliedert sind. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Agneta. Die Handlung spielt über einen Zeitraum von ungefähr zwei Jahren.

Der Schreibstil mit vielen anschaulichen Beschreibungen ist angenehm, flüssig und lebhaft. Es fiel mir nicht schwer, in die Geschichte einzufinden. Den Roman habe ich nur ungerne zur Seite gelegt.

Als starke Hauptprotagonistin hat mir Agneta gut gefallen. Sie war mir schon nach wenigen Seiten sympathisch. Ich mag ihre moderne Art zu denken und konnte ihre Gefühls- und Gedankenwelt gut nachvollziehen. Auch die übrigen Charaktere werden glaubwürdig dargestellt.

Die Handlung war schlüssig und abwechslungsreich. Sie konnte mich an einigen Stellen überraschen. Trotz der recht hohen Seitenzahl kommt beim Lesen keine Langeweile auf.

Nicht nur das Setting, Schweden kurz vor dem Ersten Weltkrieg, finde ich ansprechend. Ein Pluspunkt sind für mich auch die Themen, die in dem Roman auftauchen. Das Rollenbild der Frau steht dabei im Fokus. Als Suffragette tritt Agneta für die Rechte der Frau und feministische Ideale ein.

Das hübsche Cover passt wunderbar zum Inhalt des Romans. Auch den Titel finde ich passend gewählt.

Mein Fazit:
„Die Frauen vom Löwenhof - Agnetas Erbe“ von Corina Bomann ist ein historischer Roman, der mich überzeugen konnte. Auf die Folgebände, die ich sicherlich auch noch lesen werde, bin ich schon gespannt.

Veröffentlicht am 03.06.2018

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Die Fäden des Glücks
0

Turin im April 2016: In der Welt der Stoffe ist die 30-jährige Carlotta Calma in ihrem Element. Sie betreibt mit der Hilfe ihrer Schwestern Rosina und Susa eine Schneiderei, und das schon seit zehn Jahren. ...

Turin im April 2016: In der Welt der Stoffe ist die 30-jährige Carlotta Calma in ihrem Element. Sie betreibt mit der Hilfe ihrer Schwestern Rosina und Susa eine Schneiderei, und das schon seit zehn Jahren. Lola, wie sie auch genannt wird, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen durch Kleidung zu verändern. Gerne stickt sie ihnen heimliche Botschaften unter das Futter. Sie selbst ist etwas fülliger und davon überzeugt, dass jede Frau schön sein kann. Das lebt ihre Mutter Mimi, die Gewandmeisterin an der Turiner Oper, ihr schließlich seit Langem vor. Seit ihrer Kindheit, als die beiden schon im bekannten Teatro Regio gespielt haben, kennt sie Daniele Giordano, den Sohn des Inhabers einer der besten Webereien Italiens. Nun sind beide erwachsen und Daniele soll das Familienunternehmen übernehmen. Carlotta hat sehnsüchtig auf seine Rückkehr nach Turin gewartet. Doch kann sie sein Herz erobern und ist er überhaupt der Richtige für sie?

„Die Fäden des Glücks“ von Julia Fischer ist ein vielschichtiger und gefühlvoller Roman.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 49 Kapiteln mit einer angenehmen Länge sowie einem Pro- und einem Epilog. Erzählt wird aus der Sicht unterschiedlicher Figuren, denn außer der Haupthandlung gibt es einige Nebenstränge, die die Geschichte komplex und interessant machen. Darüber hinaus sind immer wieder Rückblenden in die Kapitel gewebt. Dieser Aufbau hat mir sehr gut gefallen.

Der liebevolle, teils etwas poetisch anmutende Erzählstil ist sehr atmosphärisch und lässt mit vielen Details beim Lesen Bilder im Kopf entstehen. Die tollen Kulissen und deren Beschreibungen vermitteln anschauliche Einblicke und sorgen für Fernweh. Ich bin gerne in die Geschichte eingetaucht und konnte mich schnell in das Buch einfinden.

Im Mittelpunkt stehen neben Carlotta und Daniele weitere Charaktere wie Danieles Vater Vincenzo (49), die Mutter und die Schwestern Carlottas, Rüstmeister Gino Occelli und Butler Pasquale Rossi, die zum Teil recht unterschiedlich sind, mir aber dennoch sympathisch waren. Sie werden vielschichtig und authentisch dargestellt. Ein wenig überspitzt werden Danieles (Ex-)Freundin Luisa und seine Mutter Beatrice beschrieben, was mich jedoch nicht sehr gestört hat.

Auch inhaltlich hat die Geschichte einiges zu bieten. Neben der Liebesgeschichte um Carlotta geht es um die Vergangenheit zweier Familien und damit verbundene Geheimnisse und Probleme. Aspekte wie unter anderem Freundschaft, Lügen, Verantwortungsbewusstsein und die Lasten, die man mit sich herumträgt, werden thematisiert. Positiv finde ich auch, dass eine Hauptprotagonistin mit etwas mehr Kilos auf den Hüften ein Bild von Mode zeigt, das im Gegensatz zu Schlankheitswahnsinn und bearbeiteten Fotos aus der Werbung steht.

Obwohl es vielerlei Verflechtungen gibt, bleibt der Roman bis zum Ende schlüssig und kann eine gelungene Auflösung präsentieren. Dabei gelang es, durch unerwartete Wendungen für die eine oder andere Überraschung zu sorgen. Nur an manchen Stellen war die Handlung etwas vorhersehbar. Beim Lesen kam jedenfalls keine Langeweile auf.

Bemerkenswert ist, wie viel Recherche die Autorin für ihren Roman betrieben hat. Der Geschichte ist anzumerken, dass sie vieles selbst erlebt und mit eigenen Augen gesehen hat. Nicht zuletzt werden auf unterhaltsame Art und Weise interessante Fakten zur Herstellung von Stoffen, zur Textilgeschichte Italiens und weiteren Dingen rund um die Stadt Turin geliefert, wodurch die Lektüre lehrreich ist. Zusätzliche Infos bieten das umfassende Nachwort, was ich ebenfalls lesenswert finde, eine Literaturliste und eine Linksammlung.

Das hübsche Cover ist ebenso gelungen wie der treffende und ansprechende Titel des Romans.

Mein Fazit:
Nicht nur für Italienfans ist „Die Fäden des Glücks“ von Julia Fischer eine empfehlenswerte Lektüre, die zum Träumen verleitet. Der Roman verbindet auf gekonnte Weise eine bewegende Liebesgeschichte, interessante Familiengeheimnisse und wissenswerte Fakten.

Veröffentlicht am 28.05.2018

Ein Funke, ein Knistern, ein Lodern, ein Brand

Kleine Feuer überall
0

Shaker Heights im US-Bundesstaat Ohio im Jahr 1998: Elena Richardson, eine fast 40-jährige Lokaljournalistin, steht fassungslos vor dem Haus ihrer Familie. In jedem der Schlafzimmer hat jemand ein Feuer ...

Shaker Heights im US-Bundesstaat Ohio im Jahr 1998: Elena Richardson, eine fast 40-jährige Lokaljournalistin, steht fassungslos vor dem Haus ihrer Familie. In jedem der Schlafzimmer hat jemand ein Feuer gelegt. War es ihre jüngste Tochter, Sorgenkind Isabelle, genannt Izzy? Und, falls ja, warum hat sie so etwas getan? Ihr ganzes Leben lang hat Mrs. Richardson die Erfahrung gemacht, „dass Leidenschaft so gefährlich ist wie Feuer“. Deshalb passte sie nach Shaker Heights, den wohlhabenden Vorort von Cleveland, in dem der Anstrich der Häuser ebenso geregelt ist wie der sonstige Alltag der Bewohner. Ihre Ehe mit Bill, einem Anwalt, verläuft ohne Schwierigkeiten, auch ihre übrigen drei Kinder Trip, Lexie und Moody machen ihr keine Sorgen. Doch mit dem Brand droht Elenas Idylle in Flammen aufzugehen…

„Kleine Feuer überall“ von Celeste Ng ist eindrucksvoller Roman über Lügen, Geheimnisse und andere Katastrophen, die ein geregeltes Leben durcheinanderbringen können.

Meine Meinung:
Eingeteilt ist der Roman in 20 Kapitel. Erzählt wird im auktorialen Stil, der die Ereignisse aus der Sicht der Hauptpersonen beleuchtet. Nach der Schilderung des Brandes folgt ein Zeitsprung in die Vergangenheit, der dem Leser Stück für Stück offenbart, wie es soweit kommen konnte. Insgesamt ist der Roman mit Raffinesse konstruiert. Geschickt werden unterschiedliche Stränge der Erzählung miteinander verwoben. Der Aufbau der Geschichte ist sehr gut durchdacht und äußerst gelungen.

Auch sprachlich konnte mich das Buch ab der ersten Seite begeistern. Das schriftstellerische Können der Autorin zeigt sich beispielsweise daran, dass die Feuer-Metapher sich gekonnt durch den gesamten Roman zieht. Der angenehme Schreibstil lässt viele Bildern entstehen und schwenkt den Fokus gekonnt von einer Person zur anderen, ohne dass die Geschichte ins Stocken gerät oder unübersichtlich wird. Dabei wird der Roman zu keiner Zeit langatmig, sondern bleibt – auch dank einiger Wendungen und Überraschungen - durchweg spannend.

Gut gefallen haben mir ebenfalls die Charaktere. Authentisch und glaubwürdig werden die Akteure und deren Handeln dargestellt. Dabei gibt es viele Grautöne. Sowohl die Mitglieder der Familie Richardson als auch die 36-jährige Künstlerin Mia Warren und ihre 15-jährige Tochter Pearl werden als vielschichtige Personen beschrieben, die nicht nur gute, sondern auch schlechte Seiten haben. Bewusst wird der Finger in Wunden gelegt, um zu zeigen, wie Lebensentwürfe aufeinanderprallen und welche Erlebnisse ein Schicksal bestimmen können.

Auch thematisch ist der Roman recht komplex. Dabei werden zentrale Fragen aufgeworfen: Lässt sich das Leben regeln? Wie wichtig ist Liebe, wie wichtig Wohlstand, wie wichtig Moral? Wie sollte man mit Fehlern umgehen? Was muss eine Familie aushalten? Mit ihrer Geschichte legt die Autorin eine interessante Gesellschaftstudie vor, die zum Nachdenken anregt. Schritt für Schritt werden Oberflächlichkeit, Arroganz und Egoismus entlarvt. Doch dabei verzichtet die Autorin bewusst auf den erhobenen Zeigefinger und lässt dem Leser den Raum, sich seine eigene Meinung zu bilden.

Das schlichte und gleichzeitig ansprechende Cover passt gut zum Inhalt des Romans. Auch der Titel, der sich am amerikanischen Original orientiert, ist sehr treffend.

Mein Fazit:
„Kleine Feuer überall“ von Celeste Ng ist ein besonderer Roman, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird und schon jetzt als eines meiner Lesehighlights in diesem Jahr bezeichnet werden kann. Ich kann die Geschichte wärmstens empfehlen und freue mich schon auf die angekündigte Verfilmung.