In einem Kinderheim auf Rügen wird 1985 in einer Nacht- und Nebelaktion ein verschwundenes Kind gegen ein anderes ausgetauscht.
In der Gegenwart arbeitet Judith als Cleaner: Sie entwest die Räume, in denen verwesende Leichen gelegen haben. Für sie ein Job, wie jeder andere auch. Dann schickt ihr Chef sie mal wieder in die Wohnung eines Mordopfers. Sie merkt an den Spuren, dass das Opfer nicht leicht gestorben ist. Sie ist noch in der Wohnung, als ein Brief an die Tote ankommt. Judith nimmt den Brief entgegen und will ihn mit den übrigen Sachen entsorgen. Da sieht sie, dass der Absender das Kinderheim ist, in dem sie zehn Jahre ihres Lebens verbracht hat, in dem sie misshandelt wurde - und das seit langem nicht mehr existiert. Aus Neugier öffnet sie den Umschlag - und findet ihre eigene Heimakte, die sie schon bei allen möglichen Behörden angefordert hat und die angeblich nicht mehr vorhanden sein sollte. Was hatte die Tote aber mit ihr zu tun?
Im Folgenden wird Judith in einen Kampf verschiedener Geheimdienstleute mit hineingezogen, die alle mit der Aktion 1985 auf Rügen zu tun hatten und alle ihre persönlichen Ziele verfolgen. Judith ist dabei ein sehr spezieller Mensch, mit dem ich nie warm geworden bin. Dies hat aber wohl vor allem mit ihrer Vergangenheit zu tun, denn Judith ist eben kein Mensch, mit dem man befreundet sein will. Sie ist eine typische Einzelgängerin mit einigen seltsamen Eigenheiten. Dass sie im Endeffekt ein Produkt ihrer Vergangenheit ist - aufgewachsen in einem Heim, in dem es keinerlei Zuneigung, dafür aber jede Menge Erziehungsmethoden gab, die an Folter grenzen, ohne wirklich zu wissen, wer die Eltern waren - wird sehr gut an den Leser transportiert. Dadurch ist auch klar, warum Judith so sehr daran interessiert ist, den Grund für ihre Heimeinweisung zu erfahren, denn sie wusste unterbewusst immer, dass es nicht so war, wie ihr erzählt wurde.
Die gesamte Geschichte befasst sich mit der deutschen Vergangenheit kurz vor der Wende. Es ist gut gelungen, dieses komplexe Thema wirklich nur auf eine einzige Aktion zu beschränken und die ganzen Verwicklungen der einzelnen Personen - mit ihren privaten Problemen und Interessen - aufzuzeigen, sodass (endlich mal) nicht alles mit der Weltpolitik zu tun hat und die Welt vor einer Katastrophe bewahrt wurde. Mit der Schilderung dieser Verwicklungen hatte ich dann gegen Ende hin aber meine Probleme, denn ich habe es irgendwann einfach nicht mehr verstanden. Ich habe nicht verstanden, wieso ein Großvater seiner Enkelin zwar das Leben rettet, sich dann aber nie wieder um sie kümmert. Ich habe bis zum Schluss nicht verstanden, wer denn nun wem was verraten hat - der Verrat ist das zentrale Thema bei der schief gelaufenen Aktion -, wie die Aktion hätte ablaufen sollen und wie sie schließlich abgelaufen ist. Und warum es am Ende ein Blutbad gibt, erschloss sich mir ebenfalls nicht, schon gar nicht, warum von dieser Person. Nach dem für mich unbefriedigenden Ende - was aber durchaus mit meinen Problemen mit der Person von Judith zusammenhängen kann - habe ich das Buch ziemlich verwirrt zur Seite gelegt.
Insgesamt ist es gut gelungen, die Person von Judith darzustellen - mit iheren ganzen inneren Konflikten, ohne dies aber zu überspannen. Man muss sich eben daran gewöhnen, dass man keine normale, liebenswerte Protagonistin in diesem Buch hat. Die anderen Personen bleiben dagegen blass bzw. haben so viele Geheimnisse, dass sie wiederum oberflächlich erscheinen, denn man bekommt immer nur eine Fassade zu sehen. Dass es solche Nacht- und Nebelaktionen gegeben hat, ist ein Fakt und wurde ebenfalls gut und glaubwürdig erzählt. Die Spannung kommt ebenfalls nicht zu kurz. Ich habe dann aber mein Problem mit der Auflösung der Geschichte, die mir nicht klar genug ist. In den ganzen Verwicklungen habe ich mich selbst verfangen und bin nicht mehr herausgekommen. Trotzdem habe ich es nicht bereut, es gelesen zu haben. Wirklich empfehlen kann ich es aber auch nicht.
Dass der Klappentext und auch der Titel mal wieder nichts mit dem Inhalt zu tun hat, ist für mich inzwischen schon normal, ist aber trotzdem ärgerlich. So versucht man, Käufer in die Irre zu führen.