Profilbild von tinstamp

tinstamp

Lesejury Star
offline

tinstamp ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit tinstamp über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.07.2018

Kindesentführung a la Hammesfahr

Als Luca verschwand
0

Im neuem Spannungsroman/Krimi von Petra Hammesfahr geht es wieder um das Verschwinden eines Kleinkindes. Diesmal ist es sogar noch ein neun Monate altes Baby, welches aus dem Kinderwagen geraubt wurde, ...

Im neuem Spannungsroman/Krimi von Petra Hammesfahr geht es wieder um das Verschwinden eines Kleinkindes. Diesmal ist es sogar noch ein neun Monate altes Baby, welches aus dem Kinderwagen geraubt wurde, während die Mutter mit dem älteren Sohn Max im Drogeriemarkt einkaufen war. Der Fall wirft viele Fragen auf, vorallem warum Mel ihr Baby im Winter draußen vor der Tür stehen lässt. Eine halbherzige Lösegeldforderung liefert der Polizei keine weiteren Hinweise und die Oma, die als erfolgreiche Autorin genug Geld hätte, ist ebenfalls verschwunden. Steckt sie etwa dahinter, weil sie ihren jüngsten Enkel nicht sehen darf? Oder ist die Mutter selbst die Täterin? Auch der Vater hat Geldsorgen und eine Entführung wäre eventuell die Lösung seiner Probleme... Und was hatte die vernachlässigt aussehende Frau mit dem Poncho, die man vor den Eingang beobachtet hat, am Kinderwagen zu schaffen? Fragen über Fragen...

Man ist bereits zu Beginn mitten im Geschehen und wir begleiten Mel mit ihrem Sohn in den Drogeriemarkt. Der Einkauf wird sehr detailliert beschrieben, ebenso wie die Beobachtungen der Verkäuferinnen im Geschäft. Erst nach und nach erfährt man mehr über die eher verworrene Familiensituation. Zusätzlich erhält man noch Einblicke in die Vergangenheit von Mels Mann Martin und seiner Mutter, wie auch in die der mysteriösen Frau mit dem Poncho. Dazu kommen noch die polizeilichen Ermittlungen und das Problem, dass Kommissar Klinkhammer vom KK11 eigentlich gar nicht ermitteln darf, da er die Familie persönlich kennt.

Die unzähligen Protagonisten machen es anfangs etwas schwer die Figuren auseinanderzuhalten. Die vielen Verwandschaftsverhältnisse und Namen verwirren zusehends und beeinträchtigen den Lesefluss. Ein Personenregister hätte ich für sinnvoll gehalten. Es werden auch viele Details geschildert, die eigentlich nicht wirklich relevant für den Krimi sind. So schleichen sich einige Längen ein. Man sollte aber trotzdem versuchen an der Geschichte dranzubleiben, denn es ist schwer wieder in diese hineinzufinden, wenn man mal pausiert hat. Durch die vielen Personen braucht man länger, bis man sie gedanklich wieder zuordnen kann und verliert sonst schnell den Überblick. Ich war zwar immer am lesen, aber trotzdem fehlte mir schlussendlich der Zugang zu den Protagonisten. Einzig die Geschichte um Anni, die Frau mit dem Poncho, konnte mich erschüttern und ich empfand tieses Mitleid mit ihr. Sonst war ich eher am Rätseln, wer denn nun den kleinen Luca entführt hat und stellte einige Thesen auf. Petra Hammesfahr unterstützte meine Überlegungen noch mit einigen überraschenden Wendungen und neuen Erkenntnissen.

Anstatt den üblichen Kapiteleinteilungen finden wir Überrschriften wie "Die Polizisten", "die Zeugen", "der Frontmann", "der Verbindungsmann" oder "die Engelssucherin". Die vielen verschiedenen Sichtweisen sind zunehmen verwirrend, da auch bei der Engelssucherin die Vergangenheit ins Spiel kommt. Ab der zweiten Hälfte hat man dann aber den Überblick und auch die Spannung zieht etwas an.
Der Spannungsbogen ist im ersten Teil eher niedrig gehalten und ist mehr Einführung in die Figuren und deren Vergangenheit. Petra Hammesfahr versucht mit unerwarteten Wendungen die Spannungskurve anzuheben und lenkt den Verdacht auf neue Personen. Die vielen Sichtweisen führen jedoch am Ende logisch zusammen. Trotzdem hatte ich von Beginn an einen Verdacht, der sich dann auch am Ende teilweise bestätigte.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist diesmal leider eher nüchtern gehalten, aber auch sehr detailliert. Das bin ich von der Autorin nicht wirklich gewöhnt.

Fazit:
Ein Krimi, der viel Aufmerksamkeit braucht und nicht viel Spannung beinhaltet. Trotzdem sind die Hintergründe der Entführung interessant dargelegt, der Schreibstil aber eher nüchtern gehalten. Es gibt eindeutig bessere Bücher der Autorin. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 03.07.2018

Der verschwundene Raffael

Die Toten von Paris
0

1944. Jean Ricolet, ein junger Inspektor aus dem Süden Frankreichs erhält eine neue berufliche Chance in Paris. Sein erster Fall ist der Mord an einem Metzger, der Hundefleisch verkauft haben soll, und ...

1944. Jean Ricolet, ein junger Inspektor aus dem Süden Frankreichs erhält eine neue berufliche Chance in Paris. Sein erster Fall ist der Mord an einem Metzger, der Hundefleisch verkauft haben soll, und vom wütenden Mob erschlagen wurde. Ricolet ist enttäuscht, denn er hoffte in der Hauptstadt endlich interessantere Fälle zu bearbeiten. Zusätzlich wird seiner Gruppe noch der Form halber ein Mord an einem Nazi zur Untersuchung weitergeleitet, der geraubte Kunstwerke nach Deutschland schaffen sollte. Die Franzosen sind aber nicht wirklich daran interessiert, diesen Mord aufzuklären, nachdem der Krieg dem Ende zusteuert. Einzig Ricolet kann seine Finger nicht vom Fall des mysteriösen deutschen Toten in einer Dachkammer lassen. Als er auf Pauline Drucat trifft, die beim ERR (Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg), als Kunstexpertin für die Deutschen arbeitet, jedoch in Wahrheit der Résistance angehört, beschließen die Beiden den Fall näher zu betrachten. Pauline vermisst nämlich ein berühmtes Gemälde von Raffael mit dem Titel "Junger Mann", das im Besitz ihrer Familie war. Das Bild hatte der tote Deutsche zuletzt auf seiner Liste zur Überstellung nach Deutschland, doch nun ist es verschwunden. Jean ermittelt auf eigener Faust und entdeckt, dass einige Kollaboratuere noch dem Feind zuarbeiten....

Der Einstieg in den historischen Krimi hat mir gut gefallen. Das Parisfeeling ist vorhanden. Die Autorin lässt den Leser durch die Straßen der französischen Hauptstadt wandeln. Auch die Atmosphäre der Menschen, die das Kriegsende herbeisehnen und sich gegen Kollaboratuere auflehnen, wird gut eingefangen. Es geht noch immer ums Überleben, aber gleichzeitig kommt auch die Euphorie des Kriegsgewinner durch. Es werden viele französische Wörter eingestreut, die zusätzlich das besondere Flair vermitteln. Da ich Französisch gelernt habe, war es für mich kein Problem. Ich kann allerdings nicht sagen, wie es Nichtkenner der Sprache beim Lesen geht.
Michelle Cordier hat auch die grausame Geschichte des Arztes und Massenmörders Marcel Petiot miteinbezogen. Er hat untergetauchten Juden für viel Geld angeboten sie außer Landes zu schaffen. In seiner Praxis hat er sie betäubt, ermordet und ihre Habseligkeiten an sich genommen. Ich habe bereits in einem anderen Krimi über Petiot gelesen und fand die Erwähnung bzw. Miteinbeziehung in die Geschichte gut, hätte mir aber noch ein bisschen mehr davon gewünscht.

Leider fand ich die Umsetzung des Plots nicht ganz gelungen. Die anfängliche Spannung konnte die Autorin nicht halten und vieles war vorhersehbar. Einige Situationen waren zu unglaubwürdig. Erst zum Ende hin zog der Spannungsbogen wieder an, konnte aber den historischen Krimi nicht mehr retten.

Ebenfalls fand ich die Charaktere flach. Jean Ricolt ist ein junger, dynamischer und ehrgeiziger Südfranzose. Er freut sich auf interessante Fälle in Paris und ist dementsprechend motiviert. Ein großes Plus, welches ihm beim Ermitteln hilft. Er lässt sich nicht so schnell ein x für ein u vormachen. Trotzdem fand ich es unglaubwürdig, dass seine Kollegen mit erheblich mehr Berufserfahrung im Vergleich zu Ricolet wie Trottel dastanden. Hier wirkte vieles sehr konstruiert und Ricolet wurde zum Superman....
Auch die Liebesbeziehung zu Pauline kam zu plötzlich, war unnötig und nicht nachvollziehbar. Ich konnte zwar Jeans Schwärmerei nachempfinden, aber mehr war da einfach nicht.
Pauline war für mich nicht wirklich greifbar. Sie ist ein widersprüchlicher Charakter. Sie ist egoistisch und verfolgt ihre eigenen Ziele.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin konnte wiederum bei mir punkten. Er lässt sich gut lesen, ist flüssig und vorallem sehr bildhaft. Die atmosphärische Beschreibung von Paris zum Kriegsende konnte mich ebenfalls überzeugen.

Fazit:
Ein historischer Krimi mit nur teils guter Umsetzung. Der starke Anfang konnte nicht gehalten werden, ebenso die Spannung. Atmosphärisch gut, interessanter Plot, aber die Charaktere etwas flach. Kein schlechter historischer Krimi, aber mit sehr viel mehr Potential!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Figuren
  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 30.06.2018

Wer war der letzte Gast?

Der letzte Gast
0

Dogwalkerin Mia Kaminski lebt gemeinsam mit ihrer Freundin Charlotte, einer Personal Trainerin, und Video-Cutter Lukas in einer WG in München. Sie kennt den Großteil ihrer Kunden sehr gut. Zu diesen gehört ...

Dogwalkerin Mia Kaminski lebt gemeinsam mit ihrer Freundin Charlotte, einer Personal Trainerin, und Video-Cutter Lukas in einer WG in München. Sie kennt den Großteil ihrer Kunden sehr gut. Zu diesen gehört auch die unheilbar kranke Berna Keining, die sich auf ihren selbstgewählten Tod in der Schweiz vorbereitet. Doch jemand scheint andere Pläne zu haben, denn als Mia Bernas Hund Coco abholen will, ist diese tot - brutal ermordet. Berna war Mia zuvor schon etwas merkwürdig und leicht benommen vorgekommen, als sie Coco vom Morgenspaziergang zurückbrachte. Auch ihr Verhalten war untypisch. Nun macht sich Mia schwere Vorwürfe und ist außerdem auch noch verdächtig. Wer war Bernas letzter Gast?

Der Krimi beginnt spannend und sehr vielversprechend. Man durchlebt mit Mia's Zweifel, ob sie richtig gehandelt hat oder ob sie nicht wegen Bernas merkwürdigen Verhalten Eintritt ins Haus hätte fordern sollen. Mias Aussage, dass Berna Besuch von ihrem Neffen Nico hatte, der ihr Ex-Freund ist, wird von Nico und seiner Familie natürlich nicht gern gesehen. Außerdem vermissten sie einen wertvoller Ring. Mia wird beschuldigt ihn gestohlen zu haben und wird von Nicos Familie gezwungen ihre Aussage zurückzunehmen. Doch Mia denkt gar nicht daran und wird bald darauf tätlich angegriffen. Obwohl sie sich nicht einschüchtern lässt, fand ich viele ihrer Aktionen einfach nur unglaublich dumm. Sie vernichtet Beweismittel, sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht und reagiert total kopflos. Verhält man sich so, wenn man gleichzeitig Zeuge und Verdächtiger ist?

Der polizeiliche Ermittler war nur eine Randfigur, denn in diesem Krimi ist die Spürnase..nein, nicht vierbeinig, sondern Mia. Sie ist zwar tough, aber sehr unüberlegt.

Im Mittelteil des Krimis entstanden leider einige Längen. Es gab viele Wiederholungen und die Spur zum Täter drehte sich etwas im Kreis. Mias Gedanken kreisten in einer Dauerschleife um daselbe, was mit der Zeit etwas ermüdend war.
Ich habe gerne mitgerätselt, doch leider hatte ich ziemlich schnell den richtigen Riecher, wer hinter den Morden steckt. Ich wartetet nur noch darauf zu erfahren, welches Motiv der Täter hatte. So bereitete mir die zweite Hälfte des Krimis etwas weniger Spaß.

Die Charaktere fand ich facettenreich und authentisch. Ich hatte sie alle vor Augen - mit Ausnahme von Nicos Bruder, der für mich nicht greifbar war. Besonders ans Herz gewachsen ist mir Greta, eine ältere Dame, die mit ihrer Tochter einen Stock ober Mia wohnt. Die nächtlichen Spaziergänge durch München, die Mia und Greta unternehmen, lassen auch vor meinen Augen die Plätze und Straßen der Stadt bildhaft entstehen. Und dann sind natürlich noch die Vierbeiner, die eine nicht unwesentliche Rolle im Krimi spielen.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin konnte mich hingegen überzeugen. Er ist flüssig, lebendig und man fliegt richtig durch die Seiten. Die Kapitel sind eher kurz , die Schrift eher groß gehalten. Die Story wird aus der Sicht von Mia erzählt.

Fazit:
Ein Krimi mit einer untypischen "Ermittlerin", der spannend beginnt, aber ab dem Mittelteil einige Längen aufweist. Mir war der Täter ebenfalls ziemlich schnell klar, was aber das Miträtseln nicht schmälerte. Trotzdem hätte ich mir mehr Wendungen und Überraschungen gewünscht.

Veröffentlicht am 13.06.2018

Archers vom Tellerwäscher zum Millionärssaga

Abels Tochter
0

Bevor ich den zweiten Band der "Kain & Abel Reihe" zur Hand nahm, war mir bereits bewusst, dass ich auf den ersten 100-200 Seiten vieles lesen werde, was mir bereits bekannt ist. Durch einige Rezensionen, ...

Bevor ich den zweiten Band der "Kain & Abel Reihe" zur Hand nahm, war mir bereits bewusst, dass ich auf den ersten 100-200 Seiten vieles lesen werde, was mir bereits bekannt ist. Durch einige Rezensionen, die dieses negativ auslegten, war ich also "vorgewarnt". Ich empfand es allerdings nicht so schlimm, denn dies ermöglicht einige Einblicke in Florentynas Leben, die aus ihrer Sicht manchmal ein bisschen differenzierter rüberkommen.
Wie aus dem Titel ersichtlich, steht im zweiten Band der Reihe Abels Tochter Florentyna im Mittelpunkt der Geschichte. Wir begleiten sie als Kleinkind bis hin zur (mittel-)älteren Frau in den Fünfzigern. Dadurch entstehen auch die oben angesprochenen Wiederholungen. Vieles ist dem Leser aus Band 1 bekannt, jedoch erfährt man auch Neues über Florentyna, die sehr facettenreich ist und die den Ehrgeiz ihres Vaters, dem Chef der "Baron-Hotels" geerbt hat. Durch ihre Zielstrebigkeit gelingt ihr der Aufbau eines erfolgreichen Modeunternehmens, bevor sie sich ihren Traum erfüllt und sich der Politik widmet. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Ehemann Richard, dem Sohn von Abels Erzfeind William Kane, und ihrem ehemaligen Studienkollegen und Freund Edward, der auch die Führung der Baron-Hotelkette übernimmt.

Die gewohnte Sogwirkung von Archers Schreibstil bleibt ebenfalls nicht aus. Wir erleben die übliche Mischung aus Intrigen, Verschwörungen und sehr viel Politik. Dies macht den Roman kurzweilig und man ist schnell durch die fast 600 Seiten. Wer die Clifton Saga gelesen hat, wird auch hier einige Parallelen dazu finden. Das politische System wird wieder und wieder vorgekaut, nur sind wir diesmal nicht in Großbritannien, sondern dürfen uns quer durch die amerikanische Politik lesen. Wahlen, die Auszählung der Stimmzettel, Vorstandssitzungen, Abstimmungen und Intrigen sind gewohnte Inhalte und zeigen sehr gut auf, dass Jeffrey Archer selbst in der Politik tätig war. Wo er nicht aufhören kann zu schreiben, beginnt den Leser mehr und mehr zu langweilen. Einzig der rasante und mitreißende Schreibstil lässt einem trotzdem am Buch dranbleiben, ebenso wie die Vielschichtigkeit der Protagonistin.

"Abels Tochter" wurde bereits 1982 veröffentlicht und erschien nach dem Erfolg der Clifton Saga als Neuauflage bei Heyne. Insgesamt hat mir dieser zweite Band der Reihe weniger gefallen, da mir der politische Teil zu langatmig war.

Ich habe bereits Rezensionen zum letzten Teil gelesen und mit Verwunderung feststellen müssen, dass "Kains Erbe" anscheinend nicht wirklich Band 3 dieser Familiensaga ist, sondern dass dieser Teil bereits vor mehr als dreißig Jahren als alleinstehender Roman mit dem Titel "Das Attentat" erschienen ist. Die Neuauflage wurde nur etwas umgeschrieben und Florentyna taucht dabei kaum auf. Für mich ein Grund Band 3 nicht mehr zu lesen. Schade!

Schreibstil:
Jeffrey Archers Schreibstil ist rasant und temporeich. Die Charaktere sind sehr lebendig. Was mir weniger gefällt ist, dass alle richtige "Wunderwuzzis" sind und die berühmte "vom Tellerwäscher zum Millionär" Geschichte erleben.


Fazit:
Viele Wiederholungen aus dem ersten Band und etwas zu viel Politik sind meine Kritikpunkte am zweiten Band der Reihe. Trotzdem gelingt es dem Autor mich wieder an die fast 600 Seiten zu fesseln, die man rasend schnell gelesen hat. Die sprichwörtliche Sogwirkung kann Archer wie kein anderer! Band 3 werde ich aus oben genannten Gründen allerdings nicht mehr lesen.

Veröffentlicht am 06.06.2018

Ein excellenter Butler

Was vom Tage übrig blieb
0

Kazuo Ishiguro wurde 2017 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Somit war es endlich an der Zeit auch einmal ein Buch des Autors zu lesen. Mit "Was vom Tage übrig blieb" habe ich bereits vor Wochen ...

Kazuo Ishiguro wurde 2017 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Somit war es endlich an der Zeit auch einmal ein Buch des Autors zu lesen. Mit "Was vom Tage übrig blieb" habe ich bereits vor Wochen meinen ersten Ishigura gelesen. Nun habe ich auch meine Rezension fertig...

Die Roman erzählt die Geschichte des Butlers Stevens in einem englischen Adelhaus. Der Leser begleitet Mister Stevens auf seiner mehrtägigen Reise durch Südengland. Er ist auf dem Weg zur ehemaligen Hausdame Miss Kenton. Der neue Besitzer von Darlington Hall, der Amerikaner Mister Farraday, legt zwar nicht mehr so viel Wert auf gesellschaftliche Anlässe und Festivitäten wie sein Vorgänger, jedoch mangelt es an einer richtigen Hausdame. Für Mister Stevens gibt es keine Alternative zu Miss Kenton, die er gerne nach Darlington Hall zurückholen möchte.
Wir begleiten Mister Stevens, dessen Vornamen der Leser nie erfährt, auf seinem Weg zu seiner ehemaligen Kollegin, die er sehr geschätzt hat und für die er auch einige Gefühle hegte. Auf der langen Autofahrt begegnen wir interessanten und vielschichtigen Personen. In Rückblenden finden wir mehr über seine Vergangenheit und seinen Arbeitsalltag als Butler, sowie über die Unterschiede zu seinem alten Hausherren Lord Darringotn gegenüber Mister Farraday heraus. Die straffen Benimmregeln und wie ein richtig guter Butler zu arbeiten hat, sind Mister Stevens sehr wichtig. Auch sein Vater war bereits Butler bei Lord Darrington und hat ihm gelehrt, dass Pflichterfüllung und Traditionen das Wichtigste im Leben sind.

Stevens lebt für seinen Beruf und der Loyalität seinem Lord gegenüber, der viele Gesellschaften gab und politisch sehr interessiert war. Es erfüllt ihn mit Stolz, dass er einige wichtige Politiker auf Darlington Hall empfangen und bedienen durfte. Deutsche und Engländer geben sich genauso die Türklinke in die Hand, wie auch Amerikaner. Stevens ordnet sein Leben völlig seinem "Butler sein" unter, wie er es von seinem Vater gelernt hat. Persönliche Befindlichkeiten und Gefühle spielen dabei keine Rolle. Besonders schmerzlich empfand ich die Sterbeszene mit Stevens Vater, der noch auf Darlington Hall lebt und bis zum Ende nicht einsehen will, dass er seine Aufgaben nicht mehr vollwertig erfüllen kann. So viel Gefühlskälte, wie der Vater seinen Sohn auf dem Sterbebett vermittelt, ist sogar beim Lesen erschreckend. Das ganze Leben machte für Stevens und seinem Vater nur Sinn, wenn man sich wie ein perfekter Butler verhält. Das eigene Leben, die Liebe oder Gefühle werden vollkommen ignoriert. Selbstaufgabe und Verzicht bestimmen seinen Alltag. Doch die Zeiten ändern sich. Mit Wehmut blickt Stevens deswegen auf die Zeit mit seinem alten Dienstherren zurück, denn der Amerikaner, der nun sein neuer Chef ist, vertritt auch den Wandel der Zeit. Butler zu sein erscheint nicht mehr zeitgemäß und Stevens fühlt sich "aus der Zeit gefallen"... Man fragt sich als Leser, was das Leben ausmacht und ob die völlige Aufgabe für seine Arbeit sinnvoll ist.

Der sehr ruhige Roman hat mich in eine längst vergangene Zeit in England versetzt. Er spiegelt die englische Kultur wider und entführt uns in die Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotz der einfühlsamen Erzählung gab es für mich einige Längen, die mich das Buch hin und wieder zur Seite legen ließen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr poetisch, der erahnen lässt, warum der Autor den Literaturnobelpreis erhalten hat. Es gibt lange verschachtelte Sätze und einige Szenen sind sehr ausschweifend und detailverliebt. Die Einblicke in Stevens Denken und Handeln werden sehr eindrucksvoll erzählt.

Cover:

von links nach rechts:
Die schwedische, zwei englischsprachige und die polnische Ausgabe. Danach das Cover der Verfilmung mit Anthony Hopkins und Emma Thompson, sowie ein weiteres englisches Cover.


Fazit:
Ein sehr ruhiger, aber eindringlicher Roman über ein Leben der absoluten Hingabe an den Beruf und der Loyalität gegenüber seinen Hausherren. Für mich trotz der wunderschönen poetischen und detailverliebten Sprache etwas zu langatmig.