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Veröffentlicht am 07.06.2018

Von Abhängigkeiten und menschlichen Abgründen

Der Pflegefall
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Wer lügt? Dieser Krimi ist ein vielschichtiges Psychogramm der wenigen handelnden Personen. Zu Beginn wirkt die Geschichte gar nicht so krimilastig, als Anna Zerbst sich an ihren ersten Tag bei Herrn Brunt ...

Wer lügt? Dieser Krimi ist ein vielschichtiges Psychogramm der wenigen handelnden Personen. Zu Beginn wirkt die Geschichte gar nicht so krimilastig, als Anna Zerbst sich an ihren ersten Tag bei Herrn Brunt erinnert. Sie ist “notgedrungene” Pflegerin, nimmt solche privaten Stellen an, um nicht arbeitslos zu sein. Der alte Herr ist körperlich schwach, geistig aber umso stärker, wie sie herausfinden wird.

Zu den mühseligen Aufgaben, die sie aber gut meistert, kommen Schritt für Schritt bestimmte Eindrücke, Geschichten und Momente hinzu, die Anna an der Fassade ihres Dienstgebers zweifeln lassen. Ist er einfach der alte Mann, der von ihr und vom Haushälterehepaar Schmitts gerade so ausgehalten wird? Oder haben seine Wutausbrüche und die grausigen Geschichten, die er ihr im Geheimen erzählt, einen wahren Kern?

Anna steht zwischen den Fronten, ahnt mehr, dass etwas Schlimmes geschehen sein muss, als dass sie konkrete Beweise hätte. Mal glaubt die Brunt, mal sind die Schmitts überzeugender. Es fällt ihr schwer, beide Seiten gedanklich zu einer Geschichte zu verbinden. Was geht wirklich vor im Haus in der Magnolienstraße 71? Und was ging früher vor? Anna beschließt, sich heranzutasten und die Sache aufzudecken.

Fesselnd erzählt Olivia Monti, wie eine unbescholtene alleinstehende Frau langsam mental zwischen den Seiten aufgerieben wird. Ihre Optionen sind beschränkt, was die Situation zusätzlich spannender macht: Die Stelle aufzugeben ist finanziell nicht ratsam, also wird Anna immer tiefer in die menschlichen Abgründe hineingezogen. Doch nicht nur sie ist abhängig, auch Brunt ist es. Ebenso das Haushälterehepaar, werden sie doch gut vom Alten bezahlt. Diese unheilvolle Dreiecksbeziehung baut einen ganz eigenen Grusel auf und man wartet mit angehaltenem Atem, wann und worin dieser wohl gipfeln wird. Dass etwas passiert, ist unausweichlich...

Veröffentlicht am 07.06.2018

Ein Hamburger Journalist auf gefährlicher Mission

Blue Note Girl
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Die Krimigeschehnisse rund um eine verschwundene Hamburger Sängerin werden hier von den behutsam und detailreich ausgearbeiteten Charakteren ein wenig in den Schatten gestellt.

Die Story des zum unfreiwilligen ...

Die Krimigeschehnisse rund um eine verschwundene Hamburger Sängerin werden hier von den behutsam und detailreich ausgearbeiteten Charakteren ein wenig in den Schatten gestellt.

Die Story des zum unfreiwilligen Ermittler werdenden Journalisten (Eric Teubner) der auf ehemalige Ermittler und Wegbegleiter der Sängerin trifft, ist klassisch aufgebaut, kann aber immer wieder mit Wendungen aufwarten. Teubner sticht unabsichtlich in ein überraschend großes Wespennest und die in Gang gesetzten Ereignisse reißen ihn mit und wirbeln sein Dasein kräftig durcheinander.

Die Stars sind aber die handelnden Personen und die Momente, wo im scheinbaren Plauderton während der vielen Gespräche, die Teubner gekonnt führt, viele menschliche Schichten und auch Abgründe aufgedeckt werden. Der Leser kann wie selbstverständlich seine eigenen Antennen ausfahren und erfühlen, wer wann die Wahrheit sagt, welche Figur welche Art Mensch ist.

Neben den Befragten und weiteren kuriosen, gefährlichen und amüsanten Hauptpersonen steht auch Teubners (Privat-)Leben im Fokus. Dies kann zwischendurch etwas langatmig werden, dient aber mitunter auch der Vorbereitung auf weitere Bände mit dem hartnäckigen Journalist. “Blue Note Girl” ist der Start einer geplanten Reihe von insgesamt fünf Krimis.

Veröffentlicht am 21.05.2018

Spannung zwischen Geld, Macht und Drogen

Auf zerbrochenem Glas
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Mehrdeutig ist der Titel des neuen Krimis von Alexander Hartung, der mit diesem Buch eine neue Hauptperson kreiert hat: den ebenso sturen wie fast schon schizophrenen Nik Pohl, Ermittler beim KDD München. ...

Mehrdeutig ist der Titel des neuen Krimis von Alexander Hartung, der mit diesem Buch eine neue Hauptperson kreiert hat: den ebenso sturen wie fast schon schizophrenen Nik Pohl, Ermittler beim KDD München. “Auf zerbrochenem Glas” ist der Start einer Reihe um Pohl, der sich, als er beginnt, alte ungelöste Fälle näher zu beleuchten, auf gefährliches Terrain begibt.

Gut, auch wenn eigentlich klar ist, dass er sich nicht nur in die (manchmal vorher schon offensichtlich) gefährlichen Situationen hinein- sonder auch wieder hinausmanövrieren wird, sind diese doch durchaus blutig und spannend beschrieben.

Gut gewählt sind auch die Charaktere, denen Nik im Laufe der Ermittlungen begegnet - sowohl die ihm verbündeten als auch seine Gegner. Es bleibt großteils bis zum Schluss rätselhaft, wer nun genau wofür verantwortlich ist. Hartung kann am Ende aber zumindest mit einem kleinen Kniff aufwarten, auch wenn dieser gar nicht direkt zu den Ermittlungen gehört.

Die 283 Seiten bieten auf jeden Fall einiges, was Krimi- oder Thrillerleser gerne haben: Verbale und physische Auseinandersetzungen, Beschattung, Schusswaffen, polarisierende Charaktere und einiges an Blut. Stellenweise klappt einiges vielleicht zu einfach für Nik und seine Verbündeten, was an anderer Stelle wieder ausgeglichen wird, wenn der Gegner allzu allwissend und übermächtig scheint.

Veröffentlicht am 21.05.2018

Südfranzösische Scheinidylle

Madame le Commissaire und die tote Nonne
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Passend zur Jahreszeit entführt Pierre Martin den Leser zum fünften Mal in die Provence. Im beschaulichen Städtchen Fragolin, wo die ehemalige Top-Polizistin Isabelle Bonnet das Büro der police nationale ...

Passend zur Jahreszeit entführt Pierre Martin den Leser zum fünften Mal in die Provence. Im beschaulichen Städtchen Fragolin, wo die ehemalige Top-Polizistin Isabelle Bonnet das Büro der police nationale leitet, passiert ja eigentlich nie viel. Sobald es aber einen neuen Roman der Reihe gibt, kann der Leser sich sicher sein, in einen spannenden Fall gezogen zu werden.

Und wie meist setzt Isabelle alles daran, scheinbar harmlose Verbrechen oder als Unfälle getarnte Taten aufzudecken und die Gerechtigkeit siegen zu lassen. Dabei legt sie schon das eine oder andere Mal Vorschriften etwas großzügiger aus und bringt sich auch gerne Hals und Kopf selbst in Gefahr. Doch da es die Gewissheit gibt, dass sie als Hauptfigur noch länger unter uns weilt, sind auch diese Stellen mit gewissem Vergnügen zu lesen.

Wer sich von der Atmosphäre und den Charakteren vereinnahmen lässt wird in eine wunderbare Welt voll mildem Klima, gutem Essen und unterhaltsamen Persönlichkeiten entführt. Wenn da nicht noch ein Mörder unterwegs wäre…

Veröffentlicht am 21.05.2018

Blut und Whisky

Der Pate von Glasgow
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Die Polizisten Jim Daley und Brian “Scooty” Scott sind in Schottland relativ bekannt. Sie leiteten eine Operation gegen die Mafia und landeten einen großen Erfolg. Daley, nun im beschaulichen Kinloch stationiert, ...

Die Polizisten Jim Daley und Brian “Scooty” Scott sind in Schottland relativ bekannt. Sie leiteten eine Operation gegen die Mafia und landeten einen großen Erfolg. Daley, nun im beschaulichen Kinloch stationiert, glaubt schon alles in seiner Laufbahn gesehen zu haben. Zwischen illegalem Handel mit Tabak und anderen kleinen Vergehen holt ihn und Scott die Vergangenheit aber wieder ein. Haben sie damals einen folgenschweren Fehler begangen?

Die Ereignisse schreiten voran, die aktuellen Ermittlungen kommen zwischen viel (gutem und schlechterem) Whisky anfangs nur schleppend voran. Der Leser erfährt zwischen den Zeilen mehr und ist der Polizei genau wie der Täter einen Schritt voraus.

Manche Stellen im Buch beziehen sich klar auf den Vorgänger der Reihe, aber der Krimi lässt sich insgesamt auch gut ohne Vorwissen lesen. Positiv zu erwähnen ist auch die richtige Prise “Highland-Humor”, die immer wieder durchblitzt. Zudem schafft er der Autor immer wieder, sobald dem Leser einige Details als stimmig erscheinen, durch wenige Sätze Verwirrung zu stiften, somit wird es nie zu vorhersehbar und es bleiben Fragen offen, anhand derer man mitermitteln kann.

Auch taugt der Krimi nun im kommenden Sommer gut als Abkühlung, spielt er doch nicht alleine in Schottland, sondern auch noch im Winter. Ein rundum solides nordbritisches Abenteuer.