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Veröffentlicht am 15.09.2016

Schwäbisch schlemmen.

Schwäbisch vegetarisch
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Dieses wunderschöne Buch von Joanna Karon behandelt die schwäbisch-vegetarischen Küche in all ihrer Vielfalt. Die Autorin, welche sich selbst als „Back- und Kochbuch auf zwei Beinen“ bezeichnet, betreibt ...

Dieses wunderschöne Buch von Joanna Karon behandelt die schwäbisch-vegetarischen Küche in all ihrer Vielfalt. Die Autorin, welche sich selbst als „Back- und Kochbuch auf zwei Beinen“ bezeichnet, betreibt den Blog http://www.kuechenzuckerschnecke.de.
Zu Beginn des Buches wird die schwäbische Küche vorgestellt und die Autorin beschreibt, wie viel Herzblut in dem Buch steckt, dabei erscheint sie sehr sympathisch. Und tatsächlich bemerkt man die Mühe, welche in das Buch geflossen ist, von Anfang an: So finden sich bespielsweise bereits im Buchdeckel hilfreiche Informationen zu Werkzeug und Technik für selbstgemachte Spätzle.
Es folgt das besonders schöne Inhaltsverzeichnis, bei dem sich zu jedem Kapitel eine Art Zusammenfassung finden lässt, sodass man schon große Freude auf das weitere Durchblättern bekommt.
Die Kapitel, „Vesper und pikant Gebackenes für den großen und kleinen Hunger zwischendurch“, „Salate und Leckeres aus der Suppenschüssel“, „Alles zum Sattessen“, „Für Süßmäuler und Kuchenliebhaber“ und „Süßes Happy End – das Dessert“, lassen schon erahnen, dass sich in diesem Werk für jede Mahlzeit und jeden Geschmack das Richtige finden lässt.
Dann folgt noch ein Info-Böxchen mit Tipps und Anmerkungen zu den Rezepten, sodass eigentlich nichts mehr schiefgehen kann.
Jedes Kapitel wird durch eine sehr schön gestaltete Doppelseite eingeleitet, auf der beschrieben wird, was einen nun erwartet. Dann folgen schon die super leckeren und abwechslungsreichen Rezepte.
Diese sind auch jeweils sehr ansprechend aufgebaut, denn verschiedene Symbole am Seitenanfang zeigen bereits auf einen Blick bestimmte Eigenschaften des Gerichts, also: „gelingt leicht“, „braucht etwas Zeit“, „mögen Kinder gerne“, „vegan“, „aus eins mach zwei“ (verbunden mit einer Seitenzahl, damit man das Rezept, welches man auf dem Gericht aufbauen könnte, finden kann), „super für to go“ und „prima Fingerfood“. Daneben ist immer die Zubereitungsdauer zu finden, wobei hier auffällt, dass viele Rezepte mehr Zeit in Aspruch nehmen, einige gehen aber auch überraschend schnell von der Hand.
Außerdem werden die Rezepte durch eine genauere Vorstellung des Gerichtes von der Autorin eingeleitet, was den persönlichen Charme des Buches unterstützt. Darüber hinaus erhält man immer wieder wertvolle Hilfestellungen durch „Mein Tipp“-Boxen.

Ich bin von diesem Buch sehr angetan! Mir fiel es – auch der appetitanregenden Farbfotos wegen – zunächst schwer, ein Rezept auszusuchen – schließlich ist dieses Buch sehr abwechslungsreich und vielseitig, sodass von herzhaft bis süß jeder Geschmack vertreten ist, wobei glücklicherweise auf Schicki-Micki-Kram verzichtet wird. Dennoch – oder gerade deswegen – werden die mehr als 50 schwäbisch-vegetarischen Rezepte nicht langweilig; außerdem sind viele beispielsweise vegane Variantionsmöglichkeiten erklärt, sodass man ein Gericht immer noch abwandeln und anpassen kann. Besonders gut gefallen mir auch die Tipps, wie man aus einem Rezept zwei Gerichte zaubern kann, da dies besonders praktisch für die Planung der Mahlzeiten der nächsten Tage ist.
Außerdem sind die Rezepte so verständlich geschrieben, dass eigentlich nichts schief gehen kann – selbst bei anspruchsvolleren Rezepten. Was mich sehr beeindruckt ist, dass mich tatsächlich jedes Rezept anspricht, denn sonst findet man meist eine Reihe von Rezepten, welche man gar nicht erst ausprobieren möchte – hier habe ich mir jedoch vorgenommen, alles nachzukochen und -zubacken.
Meine beiden besonderen Highlights sind die „Laubfrösche mit Kartoffel-Chamignion-Füllung“ (S. 76) sowie der „Nuss-Hefekranz“ (S. 108)!
Bemerkenswert ist auch die wunderbar ansprechende Gestaltung: Der Hintergrund der Seiten ist ganz süß gepunktet und wobei die Farbe der Punkte bei jedem Kapitel sehr stimmig wechselt, sodass man auch schnell erkennt, wo welches Kapitel beginnt und endet.

Es macht sehr viel Spaß in diesem Buch zu stöbern und Rezepte nachzumachen, da man von der ersten Seite an merkt, wie viel Liebe in das Buch geflossen ist. Darüber hinaus gelingen die Gerichte dank der verständlichen Anleitungen problemlos, manchmal dauert die Zubereitung zwar länger, diesen Aufwand ist es aber stets wert. So zufrieden, kann ich das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Äußerst interessant!

Was sagt mir meine Kindheit?
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Die Bedeutung der Kindheit in Bezug auf die eigene Entwicklung – auch im Erwachsenenalter – wird oftmals unterschätzt. Wie wir beispielsweise durch unsere ersten Lebensjahre bereits geprägt werden, ist ...

Die Bedeutung der Kindheit in Bezug auf die eigene Entwicklung – auch im Erwachsenenalter – wird oftmals unterschätzt. Wie wir beispielsweise durch unsere ersten Lebensjahre bereits geprägt werden, ist eine spannende Frage, der die Gesundheits- und Arbeitspsychologin Dr. Julia Umek in ihrem Buch „Was sagt mir meine Kindheit“ auf den Grund geht.
Dazu wird erst betrachtet, welche Einflüsse bereits während der Schwangerschaft auf das Kind einwirken und wodurch der Säugling nach der Geburt gestärkt werden kann. Dabei werden mehrere Faktoren, welche Resilienz begünstigen, erläutert. Auch auf Bindungen wird ausführlich eingegangen, wobei ebenfalls erklärt wird, was gute Bindungen auszeichnet. Wie an vielen Stellen im Buch, wird der Leser dazu angehalten, ein paar Fragen zu beantworten, um sich bewusst zu machen, wie er mit Bindungen umgeht, usw..
Im Folgenden wird darauf eingegangen, wie Kinder Selbstsicherheit, Verantwortungsbewusstsein, Anpassungsfähigkeit und Kreativität ausbilden – Fähigkeiten, die, bereits so früh erworben, einen meist das ganze Leben lang begleiten – und wie Eltern, traumatische Ereignisse oder die Umstände, in die ein Mensch hineingeboren wird, nicht nur das Verhalten und damit auch die Persönlichkeit, sondern auch das Erbgut beeinflussen können.
Sehr interessant geht es dann mit der Frage weiter, in wie weit man noch das Kind von damals ist, bedenkt man doch, dass sich alle sieben Jahre „die Zellen des Körpers vollkommen erneuert“ (S.50) haben.
Danach wird die Bedeutung von Gefühlen für die Entwicklung heraus gearbeitet und sehr verständlich erklärt, aber auch der „rote Faden im Leben“ kommt nicht zu kurz. Spannend waren meines Erachtens auch die Ausführungen zum Familienmotto, welches meist ein ganzes Leben lang unbemerkt in einem schlummert und die Handlungen beeinflusst.
Aber auch Erkenntnisse der modernen Hirnforschung werden aufgezeigt und miteinander verknüpft.
Der zweite Teil des Buches befasst sich damit, wie man sein Verhalten ändern kann. Um diese Frage beantworten zu können, wird zunächst erklärt, was Verhalten ist und welche Tendenzen sich irgendwie zu verhalten bestehen, sodass man sein Handeln etwas einordnen und auf Grundlage dessen auch hinterfragen kann. Von Unselbstständigkeit über Schuldgefühle und Rastlosigkeit bis hin zu Misstrauen ist hier alles vertreten. Auch Verbesserungsvorschläge und Hilfestellungen, wenn man sein Verhalten verändern möchte, werden gegeben. Dabei spielt ein gutes Selbstwertgefühl eine zentrale Rolle und wird deswegen ausführlich behandelt.
Im Anschluss daran wird darauf eingegangen, wie man sich der Vergangenheit stellt, sein Verhalten – falls gewünscht – dauerhaft ändert und letztendlich entspannter und glücklicher mit sich selber umgeht.

Was mir an diesem Werk sehr gut gefällt ist zum einen, dass immer wieder bereits Beschriebenes aufgegriffen und neu verknüpft wird, sodass man sich ein viel umfassenderes Bild von bestimmten Zusammenhängen machen kann, als es ohne erneutes Zurateziehen wäre, und zum anderen, dass Dr. Julia Umek unglaublich viele Fallbeispiele anführt, die ihre Erklärungen viel lebensnaher und verständlicher machen. Außerdem ist sowohl durch die kurzen Abschnitte als auch die abwechslungsreichen Fallbeispiele gewährleistet, dass beim Lesen nie Langeweile aufkommt. Ebenso ist das Verhältnis von Informationen und Erklärungen sehr schön ausbalanciert, sodass dieses Buch angenehm zu lesen, aber dennoch mit viel Inhalt gefüllt ist.
Viele der Betrachtungsweisen waren für mich sehr interessant und ich war beeindruckt, wie viele Einflüsse auf ein Kind wirken und welche Reichweiten sie haben können. Gleichzeitig schenkt dieses Werk aber auch Zuversicht, dass man ungewünschtes Verhalten immer ändern und immer glücklicher werden kann. Sehr schön passen dazu auch die zahlreichen Zitate, mit denen die Autorin die Texte auflockert, da so oftmals auch Ausführungen als Resümee noch einmal genau auf den Punkt gebracht werden.
Sehr hilfreich sind darüber hinaus auch die „Fragebögen“, dank derer man sich eingehend mit der eigenen Kindheit befasst, um die Antworten dann, stets gut angeleitet, in ein anderes Licht rücken kann, um sie auch besser zu verstehen.

Mir hat „Was sagt mir meine Kindheit – Die eigene Entwicklungsgeschichte erkennen und beeinflussen“ sehr gefallen, da hier viele Aspekte behandelt und gekonnnt verknüpft werden. Das Buch liest sich sehr angenehm und flüssig, sodass es sich nie in die Länge zieht. Alles in allem kann ich es daher sehr weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vielseitige Erklärungen!

Traditionelle Europäische Medizin
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Dieses Buch befasst sich ganzheitlich mit der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM), welche sich im Verlauf von ca. drei Jahrtausenden entwickelt haben soll.
Ausgehend von vier Typen, den Phlegmatikern, ...

Dieses Buch befasst sich ganzheitlich mit der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM), welche sich im Verlauf von ca. drei Jahrtausenden entwickelt haben soll.
Ausgehend von vier Typen, den Phlegmatikern, den Sanguinikern, den Cholerikern und den Melancholikern sollen die einzigartigen Charakterzüge, die dem Typen entsprechende körperliche Konstitution, usw. betrachtet werden, um eine ganzheitliche Behandlung zu ermöglichen.
Zu Beginn des Buches wird erklärt, was TEM ist und deren Entwicklung in mehreren medizingeschichtlichen Etappen erläutert, wobei ebenso Einflüsse anderer Kulturen angeführt werden. Auch wird die TEM heute erklärt – schon in dem ersten Abschnitt dieses Unterkapitels wird deutlich gemacht, wie wichtig die Weiterentwicklung der westlichen Heilkunst doch sei.
Mir hat dieses Kapitel sehr gefallen, da es sehr spannend ist, wie sich im Laufe der Zeit verschiedene Behandlungsmethoden und Überzeugungen durchgesetzt und Kulturen einander beeinflusst haben. Sehr interessant finde ich auch den Ansatz, die Möglichkeiten der Natur an sich als therapeutisches und präventives Mittel einzusetzten (Pflanzenheilkunde, Baum- und Pilzheilkunde, Wasseranwendungen, Massagetechniken, uvm.) oder mit Gymnastik den Organismus zu stärken. Herausgestellt wird ebenfalls, dass die Achtung vor Natur und Individuum im Vordergrund stünde.
Nach diesem war ich auf das nächste Kapitel sehr gespannt. In „Die Basis der TEM – Die Säftelehre“ werden die möglichen Konstellationen von trocken und feucht sowie kalt und warm vorgestellt und erklärt. Auch die vier Säfte und die durch sie jeweils repräsentierten Funktionsprinzipien werden ausgiebig erläutert. So finden sich gleichermaßen Angaben zu den Säften (Humores), ihren Funktionen und Nahrungsqualitäten in diesem Abschnitt.
Im Folgenden wird auf die Elemente eingegangen, sodass auch das Zusammenspiel innerer und äußerer Faktoren zum Ausdruck kommt. Auch werden die Elemente, ausführlich erklärt, mit dem Vorangegangenen in Verbindung gebracht.
Das nächste Kapitel befasst sich dann mit den „Rhytmen in der TEM“, also dem Lebensrhytmus samt verschiedener Lebensabschnitte, dem Jahresrhytmus und dem Tageszyklus.
Anschließend geht es um die Lebensregeln in der TEM. Die Unterkapitel („Licht und Luft“, „Speise und Trank“, „Arbeit – Bewegung – Ruhe und Entspannung“, „Schlafen und wachen“, „Absonderungen und Ausscheidungen“, „Anregung des Gemütes“) sind alle sehr verständlich ausgeführt. Sehr interessant fand ich den Aspekt, dass Bewegung regelmäßig, in der Natur, vielfältig, an der frischen Luft und mit Konzentration stattfinden sollte.
Als nächstes werden die „fünf Säulen des Lebens nach Pfarrer Kneipp“ unter Betrachtung sehr vieler Aspekte vorgestellt. Dann werden im Kapitel „Naturheilkundliche Maßnahmen in der TEM“ die „Biochemie nach Wilhelm Heinrich Schüßler“, „Kneipp’sche Wasseranwendungen nach Dr. Heinz Schiller“, „Fasten nach Hildegard von Bingen“ sowie „weitere naturheilkundliche Möglichkeiten“ vorgestellt und ausführlich erklärt.
Danach werden „die Temperamente in der TEM“ besonders intensiv beschrieben – von der Beschreibung des Temperamentes, über Körpermerkmale, den Charakter, die Stimmungslage, die soziale sowie mentale Kompetenz, die Verdauung, den Stoffwechsel, über den Schlaf, die Entgleisungen, bis hin zu allgemeinen Tipps, Bewegung, Wydaübungen, Ernährung, Heilpflanzen und physikalischen Hausmittel – was für eine Bandbreite!

Das Buch ist sehr ansprechend gestaltet: Viele Farbfotos lockern die Texte auf, durch Stichwortlisten erhält man schnell einen Überblick, Tabellen veranschaulichen Zusammenhänge leicht verständlich, farblich anders unterlegte Abschnitte kündigen Übungen an, welche mit Zeichnungen illustriert werden, Darstellungen werden zum Erklären von Zusammenhängen und Ähnlichem angebracht. Von der Gestaltung her ist dieses Werk wirklich ganz ganz toll. Man wird nicht müde weiterzublättern und zu -lesen.
Das liegt auch an den kurz gehaltenen Abschnitten, welche sehr verständlich geschrieben sind. Auch die ausführlichen Erklärungen sprechen sicherlich für das Buch.
Was mir ebenfalls zusagt, sind die vielen Rezepte, Anwendungstipps und so weiter, die jeden Abschnitt abrunden. So findet man wirklich zu jedem Thema umfassende Informationen und Tipps.
Allerding muss ich gestehen, dass mich die Säftelehre an sich einfach nicht überzeugen konnte… Meines Erachtens kann man einen Menschen schon rein Äußerlich in den allerseltensten Fällen einem von vier Typen zuordnen… Von seiner Erscheinung dann auch noch auf seinen Charakter, seine Verdauung und zu bevorzugende Lebensmittel zu schließen, halte ich für nicht ganz so verlässlich… Auch fällt mir die Zuordnung der Attribute kalt, warm, feucht und trocken zu bestimmten Lebensmitteln oder Alterstufen schwer… Das liegt aber, so konnte ich feststellen, nicht am Buch, sondern an dem vorgestellten Ansatz an sich.
Das Buch hält voll und ganz, was es verspricht: Es erklärt die Grundsätze der TEM sehr ausführlich und verständlich und zeigt verschiedene Aspekte auf. Von der Gestaltung des Buches bin ich, wie bereits erwähnt, ganz angetan. Allerdings konnten mich einige Aspekte der TEM, auch wenn mir eine ganzheitliche Betrachtung und der Wunsch nach Balance gefallen, nicht überzeugen.

Kein Makel des Buches also, weswegen ich es jedem, der sich über die Traditionelle Europäische Medizin informieren möchte, empfehlen kann. Mit diesem Werk ist man sicherlich bestens beraten und es dürfte kaum eine Frage offen bleiben.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein beeindruckend lebendiges Sachbuch!

Berlin 1936
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16 Tage lang im August 1936, vom 1. bis zum 16.8., bietet sich dem Berlin des Dritten Reiches die Möglichkeit, die Diktatur in den Hintergrund zu rücken, um sich der Welt bestmöglich zu präsentieren. Statt ...

16 Tage lang im August 1936, vom 1. bis zum 16.8., bietet sich dem Berlin des Dritten Reiches die Möglichkeit, die Diktatur in den Hintergrund zu rücken, um sich der Welt bestmöglich zu präsentieren. Statt zu Hetzschriften wird die Presse zu fairen Berichterstattungen angehalten – weder soll auf Siege Deutschlands verstärkt hingewiesen, noch sollen sie unter den Tisch gekehrt werden. Vielmehr beeindruckt als abgeschreckt werden rund hunderttausend Gäste durch den großen Aufwand, die sorgfältige Planung und den reibungslosen Ablauf. Auch das Aufgebot an eindrucksvollen Inszenierungen ist schon allein bei der Eröffnungsfeier pompös: Erstmalig findet ein olympischer Fackellauf zur Eröffnung statt, der mit einer Länge von 246 Metern zu den größten jemals gebauten Luftfahrzeugen gehörende Zeppelin „Hindenburg“ zieht über dem Stadion seine Runden, während unten in der Arena das Olympische Synphonie-Orchester große Stücke vertont. Ebenso viel Arbeit und Mühe wird im weiteren Verlauf der Spiele in eine gute Selbstdarstellung investiert: Von den zahlreichen Kameraleuten, die das Geschehen mit ungewohnt großen Geräten aus spektakulären Perspektiven unter der Regie von Leni Riefenstahl in über vierhunderttausend Metern Filmmaterial festhalten, sodass ein zweiteiliger Kinofilm – der Kassenschlager schlechthin – entsteht, über das überwältigende Stadion bis hin zu prächtigen – sowie teuren – Feiern, scheint alles vertreten, was das Zuschauerherz begehrt. Gleichermaßen ist nicht über unzureichende Verpflegung für die Athleten aus zahlreichen Ländern zu klagen:

„Alles in allem verzehrten die Athleten im Laufe der Olympischen Spiele 80.261 Kilogramm Fleisch, 3.047 Kilogramm frischen Fisch, 8.858 Kilogramm Teigwaren, 60.827 Kilogramm Brotprodukte, 58.622 Kilogramm frisches Gemüse, 55.220 Kilogramm Kartoffeln, 2.478 Kilogramm Kaffee, 72.483 Liter Milch, 232.029 Eier, 24.060 Zitronen sowie 233.748 Apfelsinen.“ (S. 119)

Die Frage nach den Kosten für dieses hochtrabende Ereignis sei besser nicht gestellt…
Aber auch außerhalb des Stadions gibt es in den sechzehn Tagen viel zu erleben, beispielsweise locken Bars und Cafés, in denen die Zeit in den Goldenen Zwanzigern stehengeblieben zu sein scheint, sodass ausgelassenen Feiern nichts im Weg zu stehen scheint.
Wie Touristen, Nazi-Größen, Sportler, Diplomaten, Künstler, Nachtschwärmer, Bar- und Restaurant-Besitzer oder Berliner diesen Sommer wahrgenommen haben, erfährt der Leser von „Berlin 1936“ hautnah.
Oliver Hilmes nimmt einen auf eine Reise in die Zeit der Sommerspiele mit, zeigt einem die verschiedensten Schicksale auf, sodass man nicht nur Interessantes über die Olympischen Spiele, sondern auch durch die Beschreibung neben den Spielen ablaufender Geschichten ein Gefühl für die damalige Zeit erhält.

Dem Autor gelingt es, verschiedenste Schicksale und Ereignisse, welche sich in nur sechzehn Tagen zutragen, dicht miteinander zu verknüpfen. Dabei führt er einige Personen an, die man eine Weile begleitet, bis sie wieder zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen werden. Fragte man sich beispielsweise bei ersten Beschreibungen zu einer Person noch, was diese so besonders macht, dass sie in einem Buch Erwähnung findet, so wird dies von Seite zu Seite klarer.
Dadurch, dass die Personen derart unterschiedlich sind, bieten sich ebenso abwechslungsreiche Blickwinkel auf die Spiele. Ob die genaue Organisation der Spiele und ihr reibungsloser Ablauf den einen Angst macht, da man befürchtet, dass bei Kriegsausbruch die Bevölkerung ebenso problemlos zu mobilisieren sei, oder die prunkvolle Darbietung Eindruck macht und auch im Ausland seine Anhänger findet – sehr facettenreiche Standpunkte werden gezeigt.
Da man immer wieder auf die gleichen Menschen trifft, lassen sich auch Entwicklungen in ihrer Haltung wahrnehmen und man ist dem Geschehen und den Empfindungen als Leser näher.
Sehr gut gefällt mir auch der Aufbau des Buches: Jedem Tag ist ein Kapitel gewidmet, das stets mit einer Fotografie und einem kurzen Bericht des Reichswetterdienstes für Berlin beginnt, sodass man sich genau in den Sommer fühlen kann. Danach folgt man jemandem durch den Tag – beispielsweise begleitet man den Amerikaner Thomas Wolfe auf seinem Weg durch das zu Beginn von ihm so geliebte Berlin – und erfährt im Anschluss daran etwas darüber, was im Stadium vor sich geht. Es folgt ein Einschub aus den täglichen Anweisungen der Reichspressekonferenz, die einen spannenden Blick hinter die Kulissen gewähren. Im Anschluss daran wird abwechselnd der Tag aus Sportler-, Berliner- oder Politiker-Sicht beschrieben, sehr interessant sind meines Erachtens Tagebucheinträge, zum Beispiel von Goebbels. So erfährt man auch von Auseinandersetzungen oder bemerkt, wo die Fassade zu bröckeln beginnt. Immer wieder werden die Sequenzen und einzelnen Erzählstränge durch Meldungen des Pressedienstes der NSDAP, der nationalsozialistischen Parteikorrespondenz, Tagesmeldungen der Staatspolizei Berlin (, die deutlich machen, dass die nach außen so mühsam gespielte Harmonie und Weltoffenheit mit Ende der Sommerspiele ihr Ende finden wird und auch in den sechzehn Tagen der Spiele nicht tatsächlich nach diesen Werten gelebt oder regiert wird,) und durch Auszüge aus dem Berliner Lokal-Anzeiger aufgebrochen.
So sind die einzelnen Abschnitte angenehm kurz gehalten, was ein flüssig-leichtes Lesen trotz vieler Informationen ermöglicht. Ich konnte das Buch nicht beiseite legen, da es durch seinen romanähnlichen Charakter einfach so packend geschrieben ist, dass man dem nächsten Ereignis entgegenfiebert.
Was mir ausgesprochen gut gefällt, ist darüber hinaus, dass am Ende des Buches noch darauf eingegangen wird, was aus den Menschen, die man immerhin etwas über zwei Wochen begleitete, geworden ist. Dieser runde Abschluss hat noch einmal deutlich gezeigt, wer mehr und wer weniger Glück hatte oder aber auch, welche Wirkung die Olympischen Spiele 1936 auf die Menschen hatten.
Ich muss gestehen, dass ich mich für sportliche Ereignisse keineswegs begeistern kann, noch nie ein Fußballspiel oder Ähnliches gesehen habe und mir bekannte, aktuelle Sportler wahrscheinlich an einer Hand abzählen kann; dennoch hat mich dieses Buch in seinen Bann gezogen. Denn es ist keineswegs eine Berichterstattung über die sportlichen Wettkämpfe, sondern vielmehr ein unfassbar lebendiges Portrait. Ich bin noch immer beeindruckt davon, wie abwechslungsreich das Buch ist und wie sich stets ein roter Faden durch die Handlung zieht, bis sich die Erzählstränge zu einem gekonnt verwebten Ganzen bilden.
Unbekanntere sowie durchaus populärere Erscheinungen begleitet man gleichermaßen beim Lesen des Werkes, wobei ich mich bei einigen von ihnen gefragt habe, warum sie nicht bekannter sind, weswegen man nicht um ihr Schicksal weiß… So hat mich das Buch angespornt, weiterzulesen und mehr über die erwähnten Personen – sofern möglich – zu lesen.
Darüber hinaus hat mir „Berlin 1936“ mit seiner informativen, aber sehr packenden, bekömmlichen und verständlichen Art so gut gefallen, dass ich mir vorgenommen habe, die anderen Werke Hilmes‘ ebenfalls zu lesen.

Meines Erachten ist dieses Sachbuch sehr zu empfehlen, sollte man in die Zeit der Olympischen Spiele 1936 eintauchen, sie aus verschiedenen Perspektiven erleben und dabei auch hinter die Kulissen schauen wollen – auch wenn man sich nicht sonderlich für Sport begeistern kann, ist diese Lektüre sehr spannend und vermittelt, da sie sich eben mit der Zeit an sich und nicht nur den Spielen beschäftigt, Wissen zu der Diktatur. Ich hatte beim Lesen stets das Gefühl, vom Autor bestens durch die Straßen Berlins geleitet worden zu sein, da alles genau und verständlich erklärt wurde. Außerdem erscheint es mir so, dass Oliver Hilmes durch lange Recherche ein derart fundiertes Wissen erworben hatte, dass er gekonnt mit Informationen verschiedenster Quellen und Richtungen arbeiten konnte, sodass das Buch auch die ganze Zeit über abwechslungsreich war. So untermalen beispielsweise Gedichte, was zuvor über die Zeit zum Ausdruck gebracht wurde.

Ich vergebe daher 5/5 Sterne, die sich hell leuchtend, den Olympischen Ringen gleich anordnen

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine tolle Auswahl!

Hundert Gedichte
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In diesem Werk wurden Brecht-Gedichte aus den Jahren 1918 bis 1950 zusammengetragen.
Gegliedert in die Kapitel „Lieder / Betrachtungen / Kinderlieder“ (S.13-52) „Balladen“ (S.55-90), „Berichte/Chroniken“ ...

In diesem Werk wurden Brecht-Gedichte aus den Jahren 1918 bis 1950 zusammengetragen.
Gegliedert in die Kapitel „Lieder / Betrachtungen / Kinderlieder“ (S.13-52) „Balladen“ (S.55-90), „Berichte/Chroniken“ (S.93-145), „Deutsche Marginalien (1938)“ (S.149-160), „Pamphlete und Loblieder“ (S.163-208), „Zeitgedichte und Marschlieder“ (S.211-233), „Gedichte im Exil“ (S.235-253) sowie den Anhang samt „Biographischer Notiz“, „Zu dieser Ausgabe“ und einem Alphabetischen Verzeichnis, wird dem Leser ein faszinierender Einblick in die Werke Brechts ermöglicht.
Die Auswahl reicht von bekannteren Werken wie der „Kinderhymne“ (S. 51), dem „Kälbermarsch“ (S. 184) oder dem „Einheitsfrontlied“ (S. 224) bis zu weniger bekannten Werken.

Mir hat die Zusammenstellung ausgesprochen gut gefallen, da sie sich besonders zum Einstieg in seine Texte bestens eignet; so sind beispielsweise auch aus Arbeiten wie der „Dreigroschenoper“ (1928), dem „Leben des Galilei“ (1938/9) oder „Der gute Mensch von Sezuan“ (1938/42) oder der „Hauspostille“ (1927) Werke entnommen.
Ich bin von diesem Sammelband wirklich begeistert; hier wurde eine äußerst interessante Auswahl getroffen.

So kann ich dieses leinengebundene Buch jedem, der sich gerne ein Bild von Brechts Werken machen, seine Schreibweise kennenlernen oder sich starke Bilder in den Kopf pflanzen lassen möchte, empfehlen. Aber auch wer Werke Brechts bereits kennt, wird an diesem Buch seine Freude haben. Wie der Klappentext schon sagt: „Faszinierend durch die Kunst der Lakonie, durch höchste Präzision und Bildkraft.“ Ich kann nur empfehlen, sich mit dieser Sammlung auseinanderzusetzen – ich habe sie genossen.