Pros und Kontras der Sache namens Leben
Kim lebt auf der bretonischen Insel Groix und betreibt gemeinsam mit ihrem Freund Clovis einen Zeitungsladen. Außer ihm hat sie nur noch ihre Großmutter. Dass diese in die Schweiz fährt, um dort zu sterben, ...
Kim lebt auf der bretonischen Insel Groix und betreibt gemeinsam mit ihrem Freund Clovis einen Zeitungsladen. Außer ihm hat sie nur noch ihre Großmutter. Dass diese in die Schweiz fährt, um dort zu sterben, wirft Kim völlig aus der Bahn. Sie beginnt, in einem Notizbuch Pros und Kontras des Lebens zu sammeln und braucht dringend einen vorübergehenden Tapetenwechsel. Über eine Freundin erfährt sie, das eine Dame in einem exklusiven Seniorenheim in Antibes Unterstützung braucht. Gilonne ist in letzter Zeit immer verwirrter, akzeptiert Kim aber gleich als Mitglied in der Liga der glücklichen Rothaarigen. Die Demenz hat Gilonne verändert, und was andere über sie, ihr Verhalten und ihre Geschichte erzählen wirft für Kim so manches Rätsel auf.
Ich habe mich sehr gefreut, nach „Ein geschenkter Anfang“ mit diesem Buch der Insel Groix erneut einen Besuch abzustatten. Die beiden Bücher sind nur ganz lose miteinander verknüpft, sodass man kein Vorwissen benötigt. Gleich auf den ersten Seiten erhält Kim den letzten Anruf ihrer Großmutter, die in der Schweiz nach eigener Aussage mit Stil das Handtuch wirft. Ich konnte gut verstehen, wie sehr das Kim aufwühlt – sie war ihre einzige Familie und ihre Entscheidung kommt für sie überraschend.
Schade fand ich, dass nicht weiter auf die Entscheidung der Großmutter eingegangen wird und ihre Motive völlig im Dunklen bleiben. Es wird nur erwähnt, dass sie mit Kim schon einmal über das Thema Sterbehilfe gestritten hat. Stattdessen konzentriert sich die Geschichte auf Kim, die einen Tapetenwechsel als einzigen Ausweg sieht, um sich auf das zu besinnen, was das Leben für sie bereit hält. In Antibes angekommen konzentriert sie sich auf ihre neue Rolle als Gesellschafterin von Gilonne und darauf, ihr Vertrauen zu gewinnen.
Parallel zum Handlungsstrang in der Gegenwart springt das Buch immer wieder in die Vergangenheit und berichtet über das Schicksal eines kleinen Jungen, bei dem eine schreckliche Tat sein Leben für immer verändert. Diese Einblicke konnten mich berühren und als Leser ahnt man bald, was das mit der Gegenwart zu tun hat. In dieser wird Kim allmählich mit den Abläufen im Seniorenheim vertraut und lernt auch einige andere mehr oder weniger liebenswerte Bewohner kennen.
Bald kommt Kim einem Geheimnis auf die Spur, weshalb sie alte Bekannte von Gilonne kontaktiert, um mehr herauszufinden. Diese zeichnen ein völlig anderes Bild der alten Dame, die mich ins Nachdenken darüber brachte, wie sehr Demenz einen Menschen verändern kann und ob dies mit Vergebung einhergehen kann. Kims Liste mit den Pros und Kontras des Lebens füllt sich bei diesen ganz unterschiedlichen Begegnungen zunehmend. Die Erfahrungen, die sie in ihrer Zeit in Antibes macht, sind berührend, traurig und schön zugleich – genau wie das Ende, welches die Geschichte gelungen abrundet.
In „Die Farben des Lebens“ reist Kim nach dem Tod ihrer Großmutter von Groix nach Antibes, um dort vorübergehend in einem Seniorenheim zu arbeiten und über das Leben und Sterben nachzudenken. Das Buch bringt ins Nachdenken über das Altern und den Tod, behält dabei aber stets eine gewisse Leichtigkeit. Ein Geheimnis sorgt zusätzlich für ein wenig Spannung und Überraschungen. Sehr gern empfehle ich diesen bittersüßen französischen Roman weiter.