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Venatrix

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Veröffentlicht am 17.07.2018

Das Leben in Österreichs Justizanstalten

Der Häfen-Report
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Derzeit sind etwa 9.000 Menschen in Österreichs Gefängnissen inhaftiert, davon sind rund 550 Frauen, manche davon mit ihren Säuglingen.

Grund genug für die Journalisten Monika Krisper einen Blick hinter ...

Derzeit sind etwa 9.000 Menschen in Österreichs Gefängnissen inhaftiert, davon sind rund 550 Frauen, manche davon mit ihren Säuglingen.

Grund genug für die Journalisten Monika Krisper einen Blick hinter die Kulissen, äh, ins Gesperre zu machen. Stellvertretend für die Justizanstalten (JA) wie die Gefängnisse eigentlich heißen, hat sie sich intensiv mit der JA Graz-Karlau beschäftigt. Hier sitzen die „schweren Jungs“.

In zwölf Kapitel versucht sie uns den Gefängnisalltag aus den unterschiedlichen Blickwinkeln zu beschreiben. So kommen Insassen, Justizwachebeamte, Staatsanwälte und Rechtanwälte zu Wort.

Der überwiegende Teil des Buches ist sachlich geschrieben. Wir erfahren welche Gefängnisse es gibt, wie sich der Strafvollzug in den letzten Jahrzehnten geändert hat und welche Möglichkeiten für die Insassen bestehen, einen Beruf zu erlernen und resozialisiert zu werden. Interessant ist das Bemühen eines Anstaltsleiters, dass „seine“ Außenstelle Maria Lankowitz nicht geschlossen wird, wie es ein Papier des Justizministers vorgesehen hat.

Dass es auch im gut bewachten Gefängnis Graz-Karlau zu einer Geiselnahme kommen konnte, zählt wohl zu den spektakulären Vorfällen, die zum Glück nur äußerst selten vorkommen.

Wenn es dann um die Insassen geht, gleitet das Buch leider ein wenig in den Boulevard ab. Das hätte meiner Ansicht nach nicht unbedingt sein müssen. Hier kommt ein bisschen die Faszination des „wohligen Schauderns“ und der Voyeurismus durch: Wie lebt ein ehemaliger Fußballpräsident in Graz-Karlau? Wird der auf Grund seiner Bekanntheit bevorzugt behandelt? Er darf selbst über seine Haftzeit berichten und tut dies seinem Stil entsprechend.

Es gäbe noch einiges mehr über den Alltag in Österreichs Justizanstalten zu berichten. Was ich hier vermisst habe: Wie z. B. der Alltag von Frauen, die ihre Babys während ihrer Haftzeit bekommen. Kindergarten im Häfen? Ja, das gibt es. In der JA Schwarzau gibt es die Mutter-Kind-Abteilung. Bis zum dritten Geburtstag dürfen die Kinder bei ihren inhaftierten Müttern bleiben.

Fazit:

Möge uns der Anblick einer Vollzugsanstalt von innen erspart bleiben.

Veröffentlicht am 09.07.2018

November-Depression in Venedig

Heimliche Versuchung
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In dem nunmehr 27. Fall für Guido Brunetti bekommt er es zu Beginn mit den diffusen Ängsten einer Mutter zu tun, die glaubt, dass in der teuren Privatschule Albertini ihrer Kinder gedealt wird und der ...

In dem nunmehr 27. Fall für Guido Brunetti bekommt er es zu Beginn mit den diffusen Ängsten einer Mutter zu tun, die glaubt, dass in der teuren Privatschule Albertini ihrer Kinder gedealt wird und der Sohn Drogen nimmt. Allerdings hält sie sich sehr bedeckt und ergeht sich lediglich in Andeutungen. Für Brunetti sind das viel zu wenige Anhaltspunkte und tatsächlich Ermittlungen anzustellen. Überhaupt scheinen sich nun im November die Gangster auf den Winterschlaf vorzubereiten, nichts ist los in Venedig. Nur die Touristenströme scheinen nicht zu versiegen. Sogar Vize-Questore Patta ist milde gestimmt. Erst als Brunetti das vorerst unbekannte Opfer eines möglichen Überfalls als Tullio Gasparini, den Mann ebem jener besorgten Mutter identifiziert, geht er den Gerüchten um den Drogenhandel im Albertini nach. Trotz der tatkräftigen Mithilfe von Signorina Elettra, die wieder virtuos und illegal in allen möglichen fremden Datenbanken herumschnüffelt, kommen Brunetti und sein Team nicht wirklich zügig weiter. Vielmehr enden ihre Verdachtsmomente in einer Sackgasse.

Meine Meinung:

Als Brunetti-Fan der ersten Stunde beobachte ich die Entwicklung der Figuren seit längerer Zeit mit leichter Sorge. In welche Richtung streben sie? Patta wirkt diesmal milde und Tenente Scarpa intrigant wie immer. Signorina Elettra stattet Pattas Büro mit einer Wanze aus, um auch von dort bestens informiert zu sein. Diese Genese betrachte ich mit Argwohn. Was ist hier Elettras Motiv? Schon eher kann ich die Anleitung zur Selbstjustiz verstehen, in der sie eine Freundin vor Schaden bewahrt. Dennoch, was reitet Elettra, die bisher fast untadelig auf der Seite der Gerechtigkeit (nicht immer des Rechts) stehende Sekretärin Pattas? Vianello tritt zu Gunsten von Claudia Griffone ein wenig in den Hintergrund. Doch gerade seine erfrischenden Dialoge mit Brunetti, wenn es um vegetarisches Essen oder die Umweltzerstörung geht, fehlen mir diesmal ein bisschen.

Wie immer streifen wir mit Brunetti durch „sein“ Venedig und beklagen den Verfall der Lagunenstadt und den Einfall der Heerscharen von Touristen. Dass Brunetti ein Fan der (alt)griechischen Mythologie ist, ist bekannt. Diesmal spielen seine philosophischen Betrachtungen eine dominante Rolle und versprühen den Charme einer November-Depression.
Auffallend ist, dass es diesmal einige lose Enden gibt. Nicht alle aufgeworfenen Fragen werden im Laufe der Geschichte weiterverfolgt bzw. schlüssig beantwortet. Das eine oder andere wirkt sogar konstruiert oder zumindest doch recht zufällig. Was ist nun z.B. mit Drogenproblemen im Albertini?

Grundsätzlich mag ich gemächliche Krimi, die mit Kritik am herrschenden System nicht sparen. Doch diesmal scheint die Luft ein wenig draußen zu sein. Das leichte, spielerische Element scheint Donna Leon abhanden gekommen zu sein. Ob das vielleicht daran liegt, dass wir alle mit Guido Brunetti alt geworden sind? Oder liegt es an den Übersetzungen von Werner Schmitz? Oder ist Brunetti inzwischen eine Art Bürde für die Autorin geworden? Immerhin schreibt sie ja jährlich (manchmal auch zwei) einen neuen Krimi und das seit mehr als 25 Jahren.

Fazit:

Leider nicht der beste Brunetti. Vom venezianisches Flair und Esprit ist diesmal wenig zu spüren. Ich kann daher nur 3 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 08.07.2018

Undercover-Aktion

In tödlicher Gesellschaft
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In ihrem dritten Falle müssen Alex und Kathleen „undercover“ ermitteln.
Graf Felix von Keitenburg ist spurlos verschwunden – liegt hier eine Entführung vor oder hat sich der Mann eine Auszeit genommen?

Alex ...

In ihrem dritten Falle müssen Alex und Kathleen „undercover“ ermitteln.
Graf Felix von Keitenburg ist spurlos verschwunden – liegt hier eine Entführung vor oder hat sich der Mann eine Auszeit genommen?

Alex und Kathleen werden, um mehr über das mysteriöse Verschwinden des Grafen herauszufinden, als Verwandte aus Uruguay in die adeligen Kreise eingeschleust. Dass das nicht ganz reibungslos abläuft, ist wohl vorprogrammiert. Zwar entpuppt sich Kathleen als geübte Reiterin und macht auf dem Pferd eine gute Figur, doch Alex ist damit heillos überfordert.
Je tiefer sie in das Familienleben der Keitenburgs eindringen, desto mehr Ungereimtheiten treten zu Tage.

Meine Meinung:

Die Stimmung in der Dienststelle ist nach wie vor gespannt, weil Kollege Lukas Meister seinen Launen ungebührlich breiten Raum bietet und der Chef nicht einschreitet.

Dieser Krimi gefällt mir besser als sein Vorgänger (Haremsblut). Ein paar Dinge sind mir jedoch aufgefallen, die ich anmerken muss:

Alex‘ Freundin Susa ist seit dem Marokko-Abenteuer, das im Sommer spielt schwanger. Dieser Krimi hier ist im Winter angesiedelt. Susa leidet noch immer unter Schwangerschaftserbrechen, dabei müsste sie ja schon mindestens Ende 6. Monat oder weiter sein. Das erscheint mir etwas unüblich. Warum geht sie nicht zum Arzt? Ich kenne jetzt das Mutterschutzgesetz in Deutschland nicht, aber bei uns in Ö werden Grundschullehrerinnen häufig in vorzeitigen Mutterschutzgeschickt, weil die Gefahr besteht, sich in der Volksschule mit Kinderkrankheiten wie Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken anzustecken, und damit das Baby zu gefährden, recht hoch ist.

Die österreichische Gendarmerie (S. 144) gibt es seit 2005 nicht mehr (siehe dazu: https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/ZusammenlegungvonPolizeiundGendarmerie)

Die Auftritte in der Familie Keitenburg erscheinen ein wenig gekünstelt. Hin und wieder haftet den Mitwirkenden der Touch von Slapstick an. Ich kenne einige Angehörige (hoch)adeliger Häuser, die einem ganz normalen Beruf wie Land- und Forstwirt, Architekt, Banker, Rechtsanwalt, Arzt, Universitätsprofessor, Fernsehmoderator oder Buchautor nachgehen.

Die Idee Alex und Kathleen als Verwandte aus Uruguay auszugeben finde ich witzig, birgt der geborgte Lebenslauf doch auch Potential für Verwicklungen. Gerade in Südamerika ist der Polosport sehr populär. Und da kann der männliche Spross nicht reiten?

Der eigentliche Kriminalfall tritt leider zu Gunsten der Milieu-Studie zurück. Da hätte ich mir ein wenig mehr Ermittlungsarbeit gewünscht. Die Auflösung kommt dann letztlich irgendwie zu schnell.
Die „Nebenfronten“ wie Susa, Frau Wolf und Kathleens Sohn Mathis sind diesmal nicht ganz so präsent. Trotzdem ist mir Frau Wolfs Erkrankung ein bisschen zu viel gewesen. Alex hat ja mit dem komplizierten Fall und seiner schwangeren Freundin, die noch dazu 600km weit von ihm entfernt wohnt, alle Hände voll zu tun.

Fazit:

Dieser 3. Fall hat mir besser als „Haremsblut“ gefallen, hat aber trotzdem noch Luft nach oben. Gerne gebe ich 3 Punkte.

Veröffentlicht am 28.06.2018

Wie aus Karl Marx ein Kommunist wurde

Karl Marx in Paris
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Autor Jan Gerber widmet sich in diesem Buch Karl Marx, genauer gesagt, den 1843-1845, die Marx mit seiner Frau Jenny in Paris verbracht hat und die lt. Marx-Biograf Isaiah Berlin prägend für sein weiteres ...

Autor Jan Gerber widmet sich in diesem Buch Karl Marx, genauer gesagt, den 1843-1845, die Marx mit seiner Frau Jenny in Paris verbracht hat und die lt. Marx-Biograf Isaiah Berlin prägend für sein weiteres Schaffen waren.

Ausgehend von den Jahren in Paris, beschäftigt sich Jan Gerber sowohl ausgiebig mit der Vergangenheit als auch mit der Gegenwart. Er zeichnet ein interessantes historisches Bild von Preußen im Biedermeier. Die Angst vor sozialen Unruhen lässt die Zensur und Polizei hart durchgreifen. Daher gehen engagierte Leute wie Marx ins Ausland, weil sie hoffen, vor allem in Paris Gleichgesinnte (Deutsche) zu finden. Doch leider sind die Exilanten mit sich selbst und dem Verdienen ihres Lebensunterhaltes beschäftigt. Wir begegnen interessanten Persönlichkeiten, wie Heinrich Heine oder Friedrich Engels mit dem Marx in engem Briefkontakt steht. Man philosophiert über die Anhänger Hegels.

Jan Gerber versucht zu analysieren, wie aus Marx, der ursprünglich kein Kommunist war, ein solcher wurde.

Der Aufbau des Buches ist gut gelungen. Mitunter wird einiges Fachwissen vorausgesetzt und die Schachtelsätze erfordern einiges an Zeit und Konzentration. Der Autor ist promovierter Politikwissenschaftler und habilitierter Historiker. Er lehrt an der Universität Leipzig.

Ich habe einiges Neues erfahren und werde zum besseren Verständnis die Marx-Biografie von Isaiah Berlin lesen, denn ganz hat mich das Buch nicht überzeugen können. 3 Sterne

Veröffentlicht am 18.06.2018

Ein wichtiges BUch, dass mich allerdings nicht restlos überzeugt hat

Nazis in Tibet
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Autor Peter Meier-Hüsing bearbeitet in vorliegendem Buch ein Thema, das schon seit langem Anlass zu wilden Spekulation bietet: Die Expedition des Ernst Schäfer nach Tibet.

Im Dezember 1938 überschreiten ...

Autor Peter Meier-Hüsing bearbeitet in vorliegendem Buch ein Thema, das schon seit langem Anlass zu wilden Spekulation bietet: Die Expedition des Ernst Schäfer nach Tibet.

Im Dezember 1938 überschreiten fünf junge Deutsche den Himalaya-Pass Nathu-La und streben der verbotenen Stadt Lhasa zu. Diese Tibet-Expedition in das bislang unerforschte Gebiet ist eine Marotte zweier schwieriger Personen: Zum einem Ernst Schäfer selbst, der sich in den Kopf gesetzt hat, die verbotene Stadt Lhasa zu betreten sowie biologische Studien zu betreiben. Zum anderen Heinrich Himmler, der mit seinem okkulten Glauben vom „Urarier“ Schäfers Expedition fördert, um seiner SS-Organisation „Ahnenerbe“ wissenschaftlichen Touch zu verleihen.

Wer waren nun die fünf Deutschen? Neben Ernst Schäfer, dem Ornithologen und Leiter, waren der SS-Hauptsturmführer und Anthropologe Bruno Beger, der Geophysiker Karl Wienert, der Entomologe und Fotograf Ernst Krause und Karawanenführer Edmund Geer

Die fünf Deutschen haben neben Wagemut noch jede Menge Hakenkreuzwimpel und Messinstrumente im Gepäck. Was sollen die Deutschen dort oben, am Dach der Welt erforschen?
Ging es nur um zoologische Forschungen, anthropologische Vermessungen und erdphysikalische Experimente? Oder hat diese Reise vielleicht auch politische Ziel? Sollten hier, hinter dem Rücken des britischen Empire diplomatische Kontakte geknüpft werden? Nur mit wem? Mit China? Oder sollten sie in Tibet doch das Geheimnis der Ur-Arier lüften?

Die Spekulationen rund um diese Expedition 1938/39 sind bis heute nicht gänzlich verstummt. Der Autor versucht nun, aufgrund erhalten gebliebener Unterlage den Sinn dieser Unternehmung zu rekonstruieren.

Recht bald ist klar, dass sich die Vertreter mit ursprünglich naturwissenschaftlichen Interesse willfährig vor den ideologischen Karren spannen lassen. Damit verraten sie die Wissenschaft und gehen in weiterer Folge ruhigen Gewissens über Leichen.
Doch nicht nur die Expeditionsteilnehmer entpuppen sich als wenig wissenschaftlich. Auch das als asketisch betrachtete Tibet erweist sich als Mythos. Man zecht mit den Deutschen und grölt (Reichs)deutsches Liedgut, was wiederum ein wenig später Heinrich Harrer verwundern wird.

Meine Meinung:

Der Autor versucht Licht ins Dunkel der Expedition zu bringen, der nach wie vor der Mythos des Okkulten anhängt.
Hin und wieder widerspricht sich der Autor diesbezüglich. Letztendlich scheint der Beweis gelungen, dass die Expedition eben nichts mit okkultem Gedankengut zu tun hatte (z.B. S. 266).

Sehr aufschlussreich und interessant finde ich den weiteren Werdegang der Expeditionsteilnehmer während des Zweiten Krieges und natürlich danach. Gerade Ernst Schäfer ist kein „Mitläufer“, wie er gerne erklärt, nein er ist ein skrupelloser Opportunist.

Bruno Beger widmet sich weiter den anthropologischen Studien und benützt dafür KZ-Häftlinge aus Auschwitz. Er wird von den Amerikanern verhaftet und trotz Beteiligung an mehrfachem Mord in seinem Entnazifizierungsverfahren als „minder belastet“ eingestuft.

Der Schreibstil ist der eines Journalisten. Manches wie die Beschreibung der Reise selbst, liest sich wie ein Abenteuerbericht. Allerdings orte ich eine Menge Tipp-Fehler.
Immer wieder verlässt Peter Meier-Hüsing die chronologische Abfolge und springt durch Zeit und Raum.
Was mich persönlich stört, ist die, ein wenig selbstgerechte, Darstellung mit dem Wissen von heute. Hier hätte ich mir eine objektivere Berichterstattung gewünscht, auch wenn viele Taten der Protagonisten zu verurteilen sind.


Fazit:

Das Buch ist wichtig, dennoch muss ich weitere Informationen zu diesem Thema einholen.