„Die Frauen vom Löwenhof – Agnetas Erbe“ ist der erste Band einer Trilogie von Corina Bomann. Die beiden Folgebände erscheinen innerhalb des nächsten Jahres, die Titel lauten „Marthildas Geheimnis“ und „Solveigs Versprechen“. Es ist das zweite Buch, das ich von dieser Autorin gelesen habe, daher lag die Latte für dieses Buch sehr hoch.
Über 700 Seiten bzw. 900 Minuten beim Hörbuch sind ganz schön viel, daher rate ich, vor dem Kauf unbedingt in die Hör- oder Leseprobe reinzuschauen, ob Schreibstil bzw. Sprechweise auch über so weite Strecken gefallen können. Wer die Erzählweise der Autorin bereits kennt, kann sich das getrost sparen – das Buch ist wieder sehr gefühlvoll und plastisch geschrieben, das Kopfkino ist bei mir schon auf den ersten Seiten angesprungen.
Der Titel des Buches nimmt schon einen Teil der Handlung vorweg – denn bei „Agnetas Erbe“ ist klar, dass sich Agneta als Erbin des Löwenhofes wiederfindet. Ich habe sehr mit ihrem Vater und ganz besonders mit ihrem Bruder mitgefiebert und mitgelitten, der Bruder war meine Lieblingsfigur im Buch, denn seine Herzlichkeit war für mich spürbar.
Agneta ist Studentin der Kunst im Stockholm, verliebt in einen anderen Studenten und muss plötzlich in ihre Heimat zurückkehren. Die Rückkehr bedeutet für sie, dass sie ihren Traum, Künstlerin zu werden, zum Wohl des Löwenhofes aufgeben muss. Für sie ist es besonders schwer, da sie kein konventionelles Leben als Ehefrau und Mutter fristen möchte. Sie glaubt daran, dass auch Frauen einen Platz in der Gesellschaft haben sollten, der zu dieser Zeit nur Männern vorbehalten war. Es war der Beginn der Frauenbewegung, Frauen wurden erstmals zu Universitäten zugelassen und begannen, dort Karriere zu machen. Agneta möchte sich nicht angepasst verhalten, sondern für ihre Träume kämpfen, doch als ihr Traum zerplatzt sieht sie, wie wenig Rückendeckung einer Frau bleibt, wenn sie nicht mit den Konventionen der Gesellschaft geht und wie wenig die Lippenbekenntnisse von Menschen in guten Zeiten in der Not wert sein können. Diese Naivität passt zum geringen Lebensalter der Protagonistin, die auch mit dem goldenen Löffel im Mund groß wurde und nie körperlich arbeiten oder um ihr finanzielles Auskommen sorgen musste.
Das Leben am Hof ist mit Agnetas verhassten Mutter, der schönen und strengen Stella verbunden, die ständig ungebeten mit Ratschlägen auf der Matte steht, verbunden. Stella hat bestimmte Vorstellungen, wie sich eine Frau in der Gesellschaft zu verhalten hat und kritisiert Agnetas Verhalten permanent und fordert mehr Haltung und würdevolleres Auftreten von ihrer Tochter, Konflikte stehen auf der Tagesordnung.
Die Geschichte erlaubt tiefe Einblicke in die damalige Zeit, besonders, wie es vielen Frauen damals ergangen ist. Die Handlung beginnt 1913 und reicht bis etwa zur Mitte des ersten Weltkrieges. Obwohl sich die Handlung in Schweden abspielt, bekommt man schon viel vom Krieg mit, da sich die Auswirkungen teilweise auch bis nach Schweden ziehen.
Interessant ist für mich auch, welche unterschiedlichen soziale Schichten die Frauenbewegung damals angezogen hat, und wie kollektiv die Probleme von Frauen zur damaligen Zeit waren und was sich seither alles getan hat.
Da ich von der Handlung nicht viel vorweg nehmen möchte, lobe ich an dieser Stelle den logischen und schlüssigen Aufbau. Ich konnte die Welt stets durch Agnetas Augen und mir ihren Gefühlen wahrnehmen und mich auch immer besser in andere Personen, wie zum Beispiel Agnetas Mutter, hineinversetzen. Ich bin schon gespannt darauf, wie die Geschichte in den weiteren Bänden fortgesetzt wird, denn im aktuellen Band sind für mich noch einige Fragen offen geblieben.
Fazit: Ein gut konstruierter historischer Roman zum Beginn der Frauenbewegung