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Veröffentlicht am 01.07.2018

Ein eindringlicher Blick in Persiens 1001 Nacht und Willkür im Iran

Als die Tage nach Zimt schmeckten
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Dieser Roman ist einfach großartig. Er ist wunderbar zu lesen, die Familiengeschichte bringt Einblicke in persische Kultur und Lebensgewohnheiten, zeigt aber auch die schwierige Entwicklung einer religiösen ...

Dieser Roman ist einfach großartig. Er ist wunderbar zu lesen, die Familiengeschichte bringt Einblicke in persische Kultur und Lebensgewohnheiten, zeigt aber auch die schwierige Entwicklung einer religiösen Machtübernahme im heutigen Iran auf.

So einen wundervollen und bildhaften Sprachstil habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Man taucht aber nicht nur sprachlich berührt ein, sondern auch die Geschichte breitet sich wie ein Mantel über den Lesenden aus und umhüllt ihn mit den Eindrücken von dieser besonderen Familie.

Die Charaktere erlebt man eindringlich mit, ihre Gefühle, Hoffnungen und Ängste sind so deutlich aufgezeigt, dass man als Leser sich ihnen so nahe fühlt wie eigenen Freunden.

Die Schicksale offenbahren sich allmählich und man erkennt die verschiedenen Lebensziele, Wünsche und Sorgen der Menschen. Denn über ihnen schwebt Willkür, Gewalt und eine rigorose Sittenpolizei. In Rückblenden in die Familiengeschichte erfahren wir, welches tragische Schicksal die Familie zerrissen hat.

In der Familie von Zod bekommt man die Küche Persiens mit russischen Einflüssen geboten. Man kann förmlich eine Geschmacksexplosion von Gewürzen und Zutaten erleben, so oft wird gekocht und die herrlichsten Speisen gezaubert. Hier schwelgt man inmitten der verschiedensten Gerichte: Grüne Bohnen mit Hackfleisch und Tomatensauce, Lammköfte mit Piment und Thymian, Juwelenreis und Maulbeer-Kompott. Schon die Namen sind wahre Kostbarkeiten.

Noor erlebt durch die Küche ihres Vaters die alten Eindrücke aus ihrer Kindheit wieder, die politischen Veränderungen nehmen sie sehr mit. Noch härter erlebt jedoch ihre Tochter Lily die Zustände von Geschlechtertrennung u.ä. wie einen Kulturschock. Sie fühlt sich hier völlig fremd.

"Teheran war wie eine leere Seite in einem Malbuch, grau ..." Zitat Seite 233
Grau erlebt Lily die Heimat ihrer Mutter und erst allmählich bekommt sie die Korruption, Willkürherrschaft und allgegenwärtiger Gewalt mit, die hier an der Tagesordnung ist.


Es geschehen einige Dinge, die für Dramatik und ein realistisch gezeichnetes Bild des Iran sorgen.
Man liest betroffen und hofft für die Familie auf einen guten Ausgang.


Dieser Roman ist berührend und einfach großartig. Ich kann es nur wiederholen. Donia Bijan zeigt am Beispiel von Exil-Iranern und ihrer persischen Familie die gesellschaftlichen Veränderungen und die heutige Version des Iran auf. Eindrücklicher kann man das nicht zeigen!

Veröffentlicht am 30.06.2018

Inselfeeling, Bücherrausch und Wohlfühlen pur!

Die kleine Inselbuchhandlung
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Greta Wohlert arbeitet über zwanzig Jahre als Flugbegleiterin. Eines Tages bekommt sie beim Start des Jets auf einmal eine Panikattacke, nimmt sich eine Auszeit und verbringt spontan einige Tage bei ihrer ...

Greta Wohlert arbeitet über zwanzig Jahre als Flugbegleiterin. Eines Tages bekommt sie beim Start des Jets auf einmal eine Panikattacke, nimmt sich eine Auszeit und verbringt spontan einige Tage bei ihrer Tante Hille auf einer kleinen Nordseeinsel. Der ansässige Arzt schreibt sie krank und Greta hilft Hille, die umfangreiche Büchersammlung ihres verstorbenen Opas aufzulösen. Sie veranstaltet einen Bücherflohmarkt und fühlt sich in der Welt der Bücher und auch hier am Meer total wohl. Ihr kommt die Idee, hier eine Buchhandlung zu eröffnen. Doch nicht alle Inselbewohner sind von ihrem Plan begeistert.


Dieser Roman ist wundervoll geschrieben, sehr locker und leicht und damit wird auch das schwierige Thema Burnout nicht zu belastend dargestellt. Es ist bisher das beste Buch von Mommsen, das ich kenne.

Greta hat bisher immer ihren Job als Stewardess ordnungsgemäß ausgeführt, sie finanziert damit auch einen Teil des Studiums ihrer Tochter und hat sich lange Zeit nicht nach ihren eigenen Wünschen gerichtet. Sie hat einfach funktioniert. Doch dieses Burnout stellt sie vor eine Entscheidung, denn hier auf der Insel ticken die Uhren langsamer und das Leben passt sich den Gezeiten an. Greta findet langsam wieder zu sich selbst und fühlt sich hier richtig wohl. Es ergibt sich die Möglichkeit, hier ihren Traum von einer Buchhandlung zu erfüllen. Ihre Gefühle fahren auf der Insel Achterbahn und sie wird sich über einige Dinge klar.

In diesem Roman merkt man den engen Bezug des Autors zu Nordfriesland an, die Stimmungen am Meer, die Dünen, die besonderen Menschen und den dörflichen Charakter sind allgegenwärtig. Man fühlt sich inmitten des Geschehens und wandert in Gedanken mit an den Strand.

Die Handlung ist leicht zu verfolgen, es werden romantische Teile eingebunden, Lebensträume geschmiedet, aber auch Probleme aufgezeigt, die für Spannung sorgen. Dabei wird auf das Thema Burnout nicht zu tief und dramatisch eingegangen, es liest sich eher als Mahnung und bei Greta als Wendepunkt in ihrem Leben. Dadurch entsteht trotz des Krankheitsbildes eher eine Wohlfühlatmosphäre.


Sämtliche Figuren haben besondere Eigenarten und werden liebevoll und detailliert dargestellt, dass man sie zu kennen meint. Mit Greta fühlt man sich schnell verbunden und man erlebt die Insel und die Ereignisse aus ihrer Sicht. Ein altes Familiengeheimnis sorgt noch für zusätzliche Aufregung, es passiert trotz der Ruhe auf der Insel so einiges.


Mich hat der Roman gefesselt, ich konnte gut eintauchen und hatte angenehme Lesezeit mit den teilweise wortkargen Friesen und den vielen Buchvorstellungen. Der Aufbau einer Buchhandlung erschien mir zwar ein wenig fachfremd, doch das ist ein Unterhaltungsroman, kein Unternehmensberater.


Es ist ein Wohlfühlroman für Bücherfreunde, der sich für den Strandkorb im Urlaub oder für den normalen Alltag eignet und Inselfeeling streut.

Veröffentlicht am 26.06.2018

Ein intelligenter Krimi mit spannenden Einblicken in die deutsche Justiz

Eifersucht
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Die Münchner Anwältin Rachel Eisenberg bekommt eine neue Mandantin, Judith Kellermann, die aus Eifersucht ihren Lebensgefährten Eike Sandner in die Luft gesprengt haben soll. Man findet sogar Reste des ...

Die Münchner Anwältin Rachel Eisenberg bekommt eine neue Mandantin, Judith Kellermann, die aus Eifersucht ihren Lebensgefährten Eike Sandner in die Luft gesprengt haben soll. Man findet sogar Reste des verwendeten Sprengstoffs bei ihr und Judiths Ausrede, das hätte ihr ein geheimnisvoller Unbekannter untergejubelt, klingt recht unglaubwürdig. Gibt es den Unbekannten oder will Judith von ihrer eigenen Schuld ablenken? Rachel übernimmt trotz Bedenken den Fall.


Mit dieser Rechtsanwältin hat Andreas Föhr eine starke, selbstbewusste Frauenfigur erschaffen, die durch ihre Arbeit dem Leser Einblicke in das Justizwesen ermöglicht. Föhr ist selbst Jurist, weiß, wovon er schreibt und das macht den Krimi auch so besonders authentisch. Was ist Wahrheit, was Lüge? Bei diesem Thriller weiß man es nicht immer so genau.


Rachel kann die Verteidigung Judiths nur Mithilfe eines Detektivs mit den nötigen Beweisen und Hintergründen untermauern. Dadurch entspinnt sich eine fesselnde Ermittlung, die den Leser mehrfach auf falsche Fährten führt.

Auch das Privatleben von Rachel kommt in einigen Rückblenden zur Sprache, darin geht es um einen tragischen Vorfall mit ihrer Schwester, der ihr heute noch zu schaffen macht. Ihre Tochter Sarah spielt in diesem Bereich mit und geht diesem Rätsel auf den Grund.
Wahrscheinlich spielt dieses dramatische Ereignis aus der Familie für Rachels Berufswahl eine entscheidene Rolle.

Zur Aufklärung sind etliche Befragungen und Dialoge nötig, die teilweise trocken, teilweise aber auch sehr unterhaltsam sind. Die Juristerei wird hier sehr realistisch dargestellt und man kann ermessen, wie Aktenberge zu bestimmten Fällen entstehen und welche Probleme sich aus falschen Tatableitungen ergeben können. Mir hat besonders Richter Kronbichler mit seiner Gradlinigkeit im Prozeß gefallen.

Die Charaktere sind allgemein gut gewählt, nicht alle sind auf den ersten Blick eindeutig zu durchschauen und der etwas spezielle Fall nimmt einen fesselnden Verlauf, dem man sich nicht entziehen kann. Anfangs war ich noch skeptisch, doch dann konnte ich mir dieses Verbrechen genauso vorstellen.


Es geht hier ohne großes Blutvergießen eher um die reine Ermittlungstätigkeit als um Effekthascherei einiger aktionsgeladener Verfolgungen und trotzdem gibt es eine Spannungskurve auf höchstem Niveau.



Dieser Justizthriller ist fesselnd und absolut authentisch, ich kann ihn nur empfehlen. Den ersten Band "Eisenberg" werde ich noch lesen.


Veröffentlicht am 22.06.2018

Ein Mutmach-Buch mit liebenswert gezeichneten Figuren

Die Pinguine finden ihr Glück
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Die Pinguine am Südpol langweilen sich, dort ist nichts los außer Eis und Schnee. Also versuchen sie ihr Glück in der Ferne und ziehen los, um endlich mal etwas zu erleben.

Dieses Bilderbuch zeigt auf ...

Die Pinguine am Südpol langweilen sich, dort ist nichts los außer Eis und Schnee. Also versuchen sie ihr Glück in der Ferne und ziehen los, um endlich mal etwas zu erleben.

Dieses Bilderbuch zeigt auf amüsante Weise, wie die Pinguine auf Unternehmungssuche losziehen. Erst einmal fällt auf, wie sie sich fast wie ein Ei dem anderen gleichen, doch auf den zweiten Blick entdeckt man kleine Unterschiede, genau wie in ihren Charakteren. Für Kinder bedeutet das Betrachten der Bilder auch das Entdecken der Individualität, die nicht immer im Äußeren offensichtlich wird. Die Charakterzüge sind es, die eine Persönlichkeit ausmachen.

Ich habe das Buch mit einer kleinen Nachbarin angeschaut und wir waren beide von den liebenswürdigen Pinguinen ganz angetan. Die Zeichnungen von Lucie Göpfert sind etwas abstrakt, farblich schön und richtig gelungen, es gibt bei jedem Betrachten neue Kleinigkeiten zu entdecken.

Die Aussage des Buches ist die Frage nach Mut, Persönlichkeit und Zufriedenheit.

Es gehört immer Mut dazu, Neues zu entdecken und seine eigenen Ziele zu verfolgen. Und so folgen die Pinguine ihren Vorlieben und landen in Paris, Hollywood oder auch London und verwirklichen ihre Träume und Fähigkeiten. Es läuft nicht für alle erfolgreich, was für den Betrachter durchaus amüsant zu entdecken ist.

Doch irgendwann bekommen die Pinguine Heimweh und wollen nur noch zurück an den Südpol.


Für Kinder ist das ein ausgesprochenes Mutmach-Buch, das ihnen klar macht, wie wichtig das Zuhause ist, auch wenn man sich zwischendurch mal zu einem kleinen Abenteuer in die Ferne aufmacht.

Veröffentlicht am 15.06.2018

Ein Syltkrimi der tierischen Art, auf jeden Fall ein Mordsspaß!

Mordsmöwen
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Die Autorin Sina Beerwald hat eine Krimireihe geschrieben, bei der Möwen auf Sylt ermitteln. Den Auftakt der Reihe macht das Buch "Mordsmöwen". Die Reihe erscheint im Emons Verlag.


Ahoi ist nicht nur ...

Die Autorin Sina Beerwald hat eine Krimireihe geschrieben, bei der Möwen auf Sylt ermitteln. Den Auftakt der Reihe macht das Buch "Mordsmöwen". Die Reihe erscheint im Emons Verlag.


Ahoi ist nicht nur irgendeine Möwe, er ist die Spähermöwe der Gurkentruppe auf Sylt. Ihre Nahrung sucht die Truppe nicht wie es Möwen von Natur aus auf dem Meer tun. Die räuberische Möwenbande versorgt sich, indem sie am Crêpesstand von Knut den menschlichen Käufern gewitzt die leckeren Crêpes abgreift. Kinder verschonen sie dabei, ist sicher eine Art von Welpenschutz. Doch eines Tages bleibt der Stand von Knut geschlossen, die Möwentruppe hat ein Nahrungsproblem, sie beginnen auf ihre spezielle Möwenweise zu ermitteln.


Dieser Möwenkrimi ist äußerst gelungen! Die Möwencharaktere tragen sehr menschliche Züge, denn ihre Probleme erscheinen sehr echt und ihre Sorgen werden sehr liebevoll beschrieben. Man sieht beim Lesen die Figuren bildhaft genau vor sich und erlebt die Insel Sylt aus Sicht dieser Vögel. Dabei wird mit Humor nicht gespart.

Die Möwentruppe ist gut organisiert, die Insel ist in verschiedene Reviere aufgeteilt und da gönnt keine Möwe der anderen Truppe auch nur einen Fitzel. Ahoi ist verliebt in Suzette, eine süße Möwendame, doch auch andere Möwen haben ein Auge auf die Zuckermöwe geworfen. So gibt es den etwas zwielichtigen, aber stinkreichen Mogulis, der Suzette mit Kostbarkeiten nur so überhäuft. Dagegen ist Ahoi ein armer Schlucker, der nur seine reine Liebe anzubieten hat.

Es ist ein humorvoller Genuss, wie man hier die Gurkentruppe und ihre Ermittlungsergebnisse miterleben kann. Gerade die tierische Sichtweise macht das Buch so außergewöhnlich. Nach und nach finden die Freunde Informationen um das Verschwinden ihres Freundes Knut heraus und spielen diese der örtlichen Polizei zu. Im Grunde läuft der Krimi logisch und spannend wie einer in der Menschenwelt ab, das macht die Sache so reizvoll und zu einem echten Lesevergnügen. Es liest sich total lustig, weil gerade menschliche Sprüche nach Möwenart abgewandelt werden. Statt der Soko gibt es hier die Schoko, klar, dass der Crêpesstand hier der Mittelpunkt der Möwenwelt ist.

Wussten sie zum Beispiel, dass Kampen als "die teuerste Nistmeile Deutschlands" gilt? Hier gibt es viele auf die Möwen zugeschnittenen Begriffe über die man echt lachen kann. Auch ist es witzig, dass die Möwen der Insel inzwischen kaum noch in der Lage sind, sich selbst zu versorgen. Wie man Fische fängt, müssen sie erst wieder lernen. Dafür lernt der Leser tolle Wortspiele aus Möwensicht. Wenn man statt Schmerzensgeld Schmerzensheringe zahlt oder wenn die Post per Taube und Eilfeder übermittelt wird, ist man in der Möwenwelt angekommen. Die garstigste Waffe der Möwen wird übrigens auch in diesem Buch auf Bösewichte abgeschossen, die Möwenschiete.


Sina Beerwald bringt mit ihrem flüssigen Schreibstil und den wortwitzigen Besonderheiten aus tierischer Sicht den Leser auf die Seite der Möwen. Irgendwann verwischen die Unterschiede zwischen Mensch und Tier regelrecht und es gibt reichlich lustige Szenen zu entdecken. Sogar die Inselprominenz mit Kegelrobbe Willi oder die Möwenprominenz mit Möwe Jonathan geben hier Gastauftritte.

Der Krimi an sich ist interessant aufgebaut, die Auflösung wirklich eine Überraschung.


Einfach ein tierisch lustiger Lesespaß mit Krimispannung und Lokalkolorit von Sylt. Wer die Urlaubsinsel kennt, sollte sich diesen spasshaften Krimi beim nächsten Urlaub gönnen und wird danach auf die Möwen eine völlig andere Sichtweise haben.