Die Story: Julia Forrester, eine bekannte Pianistin, kommt nach einem schweren Schicksalsschlag (was das ist, erfahren wir im Laufe der Geschichte) ins heimatliche England (Norfolk) zurück, um sich dort ihrer Trauer und ihren Erinnerungen hinzugeben. Sie trifft auf ihre Schwester Alice, die ganz eingebunden in ihre Familie ist und ihren Vater, einen anerkannten Naturforscher. Man erfährt dass "Wharton Park", das Herrenhaus, auf dessen Grund sie aufgewachsen ist (ihre Großeltern waren Angestellte des Anwesens), verkauft werden soll. Es wird schnell klar dass Julias Mutter, die auch einst dort lebte, vor vielen Jahren verstorben ist. Lord Christopher "Kit" Crawford, der Erbe, kann es sich finanziell nicht leisten das Haus wieder auf Vordermann zu bringen. Die Wiederbegegnung von Julia und Kit, die zusammen aufgewachsen sind, ist spannungsgeladen und lässt den Leser hoffen, dass Julia aus ihrer Depression erwacht...Ihre Großmutter Elsie erzählt Julia schließlich die Geschichte ihrer Familie.
„Das Orchideenhaus“ war in Deutschland ein Bestseller und weil ich diese immer erst ein wenig distanziert betrachte, bevor ich mich letztlich doch auf sie stürze (natürlich nur, wenn mich Genre und Story ansprechen), habe ich das Buch zunächst ignoriert.
Letztes Jahr hat mir eine sehr gute Freundin, die einen ausgezeichneten Lesegeschmack hat und obendrein Journalistin ist, dieses Buch geschenkt und gemeint, dass es mir gefallen würde.
Was soll ich sagen: „Das Orchideenhaus“ ist ein netter, stark psychologisierender Schmöker, der von seinem Handlungsverlauf aber ziemlich vorhersehbar ist. Man fühlt sich an einen Roman von Rosamunde Pilcher erinnert, in dem sich Charaktere, die früher gut waren, als „böse“ entpuppen und vice versa. Manchmal trieft die Sprache vor Pathos und Gesteltztheit. Trotz allem kann man aber sagen dass das Buch gut unterhält, obwohl viele Wendungen unglaubwürdig und wie in einer schlechten Fernsehsendung anmuten.
Was mir grundsätzlich gefallen hat: es geht um ein englisches Herrenhaus im Wandel der Zeit und das entspricht tatsächlich genau meinen Schauplatz-Vorlieben. Ich liebe Bücher, denen dieses Setting zugrundeliegt - einige meiner absoluten Lieblingsbücher (wie „The Shooting Party/Gosford Park“ oder „Was vom Tage übrigblieb“ sowie natürlich viele Agatha Christie-Romane) spielen wie dieses in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (in diesem Fall gesplittet mit der Gegenwart im 21. Jahrhundert) in einem Herrenhaus in England. „Wharton Park“ hat es mir als Schauplatz also angetan. Dass es dann auch noch mit Floristik zu korrespondieren schien hat mich zusätzlich eingenommen für das Buch.
Die Geschichte von Henry Crawford ist voll von typisch kolonialen Motiven: die Reise ins Exotisch-Ungewisse und tief in das eigene Selbst hinein weiß den Leser in den Bann zu ziehen.
Die ineinander verwobenen Liebesgeschichten der Charaktere sind auch Herzschmerz wie man ihn sich – zwar in geringen Dosen – aber dennoch gelegentlich zu Gemüte führen sollte, um nicht abzustumpfen als Leser, der stets mit einem ironisch-kritischen Blick auf alles schaut, was irgendwie konstruiert wirkt und überhaupt lächerlich ist.
Alles in allem also für alle empfehlenswert, die ein wenig der Realität entfliehen möchten, aber trotzdem gerne von Menschen lesen, deren Schicksal einer Achterbahn gleicht. Und natürlich für Blumen-, England- und Thailandfans bestens geeignet!