Die Reihe "Der freie Vogel fliegt" basiert auf dem gleichnamigen Roman der Autorin Jidi und hat starke autobiographische Züge. Die Reihe ist durchgehend farbig illustriert und beinhaltet sowohl die deutsche, als auch die chinesische Version. Wer mehr über das chinesische Schulsystem erfahren möchte, sollte sich diese Reihe einmal näher anschauen.
Jidi, die eigentlich Yale Zu heißt, ist eine bekannte chinesische Künstlerin und Autorin. 2004 debütierte sie mit ihrem ersten Buch "Mein Weg". Bisher sind bereits 32 Bücher von ihr veröffentlich worden, einige von ihnen wurden ins französische übersetzt. Jidi ist als Bilderbuch- und Graphic-Novel Künstlerin tätig, schreibt aber auch Romane und ist Designerin und Redakteurin.
Ageng (auch hier handelt es sich um einen Künsternamen) ist ebenfalls in China sehr bekannt. Sie arbeitet als Illustratorin und Zeichnerin im Bilderbuch- und Comicbereich. Außerdem unterrichtet sie an einer Kunstschule. Sie erhielt sowohl in China als auch im Ausland diverse Auszeichnungen. An der 6-teiligen Comic-Reihe "Der freie Vogel fliegt" arbeitete Ageng über zehn Jahre lang.
Die Comic-Reihe "Der freie Vogel fliegt" erschien in China unter dem Titel "Standing on your tiptoe" und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jidi. Die Reihe behandelt die Mittelschuljahre in China und die typischen Probleme Jugendlicher während dieser Zeit.
Band 1 konzentriert sich dabei stark auf das chinesische Schulsystem, den Leistungsdruck, unter dem die Schüler leiden und den gesellschaftlichen Ansichten beispielsweise bezüglich Scheidungskindern. Die Hauptprotagonistin Lin Xiaolu ist ein sehr phantasievolles Mädchen. Wenn ihr das Leben über den Kopf wächst, flieht sie in ihre Gedankenwelt. Während ihrer Mittelschulzeit entdeckt sie den Jungen Han Che, den sie beginnt zu stalken, ohne dass dieser sie je wahr nimmt.
Lin Xiaolu hat sich wirklich witzige Überlebensstrategien für die zwischenmenschlichen Interaktionen angeeignet. Diese werden bildlich und farbenfroh dargestellt und erscheinen uns manchmal sogar eher als ungewöhnlich und peinlicher, als die eigentliche Situation, aus welche Lin Xiaolu gerade fliehen möchte.
Der enorme schulische Leistungsdruck in China war mir zwar bekannt, die Ausmaße aber dennoch nicht bewusst. Die ständige abendliche Stillarbeit, die Sitzordnung nach Leistung (gut vorne, schlecht hinten), die und die allgemein sehr öffentliche Behandlung der Klausurergebnisse sowie die Zurschaustellung von Erfolg und Versagen setzen sie Kinder unter einen enormen Druck, dem einige nicht gewachsen sind. Auch die Eltern erwarten immer nur gute Ergebnisse und gleichzeitig honorieren sie gute Noten nicht, sondern weisen immer wieder daraufhin, was noch besser wäre. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern scheint größtenteils stark gestört zu sein und von Misstrauen und Lügen dominiert.
Die Schriftgröße ist in der deutschen Übersetzung leider recht klein geraten, was bei mir, neben dem starken Eigengeruch der bunt bedruckten Seiten, leider für Kopfschmerzen gesorgt hat. Deswegen gibt es für das Lesevergnügen einen Stern Abzug.
Die Buchreihe gibt auf eine behutsame aber auch sehr offene Weise Aufschluss über das chinesische Schulsystem und verschiedene gesellschaftliche Konventionen. Der autobiographische Charakter lässt darauf schließen, dass die Ereignisse nicht aus der Luft gegriffen sind und zumindest zum Teil das Schulsystem in China erbarmungslos und wahrheitsgetreu geschildert wird.