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Veröffentlicht am 04.07.2018

Ein wunderschöner Schreibstil nimmt gefangen und enthüllt eine tragische Vergangenheit!

Der Sommer der Schmetterlinge
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Die vielfach ausgezeichnete brasilianische Schriftstellerin "Adriana Lisboa" schrieb den Roman "Der Sommer der Schmetterlinge". Für ihr Debüt "Sinfonia em branco" erhielt sie den José Saramago-Preis. ...

Die vielfach ausgezeichnete brasilianische Schriftstellerin "Adriana Lisboa" schrieb den Roman "Der Sommer der Schmetterlinge". Für ihr Debüt "Sinfonia em branco" erhielt sie den José Saramago-Preis.


Die Schwestern Clarice und Maria Inês wachsen in den 50er Jahren auf einer Fazenda im Hinterland Rio de Janeiros auf. Ihre Kindheit inmitten ländlicher Idylle und üppiger Natur erscheint harmonisch und behütet. Doch in Wahrheit teilen die Mädchen ein dunkles Geheimnis miteinander, das sie für ihr späteres Leben prägt. Mehr als 20 Jahre nach den geheimnisvollen Vorfällen treffen sich die Schwestern auf der Fazenda und ein schreckliches Geheimnis wird enthüllt.


"Der Sommer der Schmetterlinge" ist ein wunderbar poetisch geschriebener Roman, der mit leisen Tönen fasziniert und schicksalsbezogene Emotionen freigibt.

Aus verschiedenen Perspektiven zeichnet die Autorin mit einer beeindruckenden Sprache eine tragische Geschichte, die im Leben der Protagonisten tiefe Spuren hinterlassen hat. Als Leser wird man unweigerlich in einen Sog gezogen, sieht die verhängnisvollen Folgen in der Familie und erkennt die Ursachen erst zum Ende vollständig, wenn sich alle Puzzlesteinchen zu einem ganzen Bild zusammengefüht haben. Vorher erkennt man nur die augenscheinlichen Entwicklungen der beiden Schwestern, die sich in Suizidversuchen und Drogenkonsum von Clarice und in gedankenlosen Seitensprüngen, Misstrauen und schockierendem Verhalten Maria Inês zeigt.

"An allem, was missfallen schockieren, erschrecken, Abscheu erregen konnte, fand Maria eine morbide Freude." Zitat S. 39

Dabei habe ich früh schon einen Verdacht geahnt, verdrängte ihn aber genau wie die Figuren im Buch inmitten des Zaubers der geschilderten Jugend und wunderschönen Naturschönheiten. Es ist fast so als wenn die Autorin den Leser ablenken möchte von den tragischen Geschehnissen. Sie baut Zeitsprünge ein, fügt Bilder und Musik hinzu und lässt über allem die Schmetterlinge flattern, die sich gerade am Steinbruch todesmutig in den Abgrund stürzen. Das gibt dem Roman einen leicht mystische Note und lässt alles in einem fröhlicheren Licht erscheinen, als es in Wirklichkeit der Fall ist.

Gerade die Naturschilderungen haben eine geradezu faszinierende Wirkung. Man erlebt die Natur hautnah mit, wenn es heißt:

Die Sansevierien und Monsterae überwucherten den Hang hinter dem Haus, und im Obstgarten spendeten die Jabuticabas Schatten, während die schlanken Papayamäume von Früchten überquollen. Zitat Seite 116
Die Figuren erleben nicht geklärte Konflikte mit Auswirkungen auf ihre Seele, jede scheint die andere verletzen zu wollen. Erst mit einer Aussprache scheint ein annehmbares Weiterleben für beide Schwester möglich zu werden. Es kommt die Hoffnung auf, das Vergangene ruhen zu lassen.

Dieser Roman hat mich mit der stilvollen Sprache angenehm unterhalten, aber auch Fragen aufgeworfen, mich an die Charaktere herangeführt, sie mir aber nicht genug nahe gebracht. Die Schwestern erscheinen mir selbst nach der Lektüre wie flatterhafte Schmetterlinge. Denn ihre Geschichte zeigt nicht die innere Zerrissenheit, sondern nur die äußerlich gezeigten Reaktionen.

Die Naturbeschreibungen muss ich besonders lobend erwähnen, hier war man als Leser gefangen inmitten der unglaublichen Natur Brasiliens.

Ein tiefgründiger Roman, der ein schwieriges Thema aufgreift und die fürs Leben entstellenden Folgen beschreibt. Kein einfach zu lesender Roman, aber einer, der in einer poetischen Sprache Tragik enthüllt.

Veröffentlicht am 03.07.2018

Ein dramatischer Liebesroman vor den Wirren des 2. Weltkriegs

Das Leuchten des Meeres
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Im Goldmann Verlag erscheint der Roman "Das Leuchten des Meeres" von Liz Fenwick.

Cornwall 1943: Die Schwestern Amelia und Adele Seaton erleben die Zeit des 2. Weltkrieges mit und treten ihren Dienst ...

Im Goldmann Verlag erscheint der Roman "Das Leuchten des Meeres" von Liz Fenwick.

Cornwall 1943: Die Schwestern Amelia und Adele Seaton erleben die Zeit des 2. Weltkrieges mit und treten ihren Dienst als Telegraphistin und Fahrerin bei der Royal Navy an. Dadurch trennen sich ihre Wege, die eine geht nach Massachusetts, die andere bleibt in Cornwall. Doch sie bleiben in ständigem Briefkontakt, bis sie ein besonderes Ereignis voneinander entfernt.

Cape Cod 2015: Lara ist eine junge Starköchin und als ihr Urgroßvater verstirbt, macht sie sich auf nach Cornwall, in die Heimat ihrer Urgroßmutter Amelia. Dort stößt sie auf ein tragisches Geheimnis, das die Geschicke der Familie über Generationen geprägt hat.


Dieser Roman zeigt anhand einer fiktiven Liebesgeschichte die Hintergründe des tatsächlich stattgefundenen Militärmanövers Operation Tiger im April 1944 auf. Dort kam es während einer gemeinsamen Übung von Amerikanern und Engländern für die geplante Invasion Europas zu einem Angriff von deutschen Truppen, in deren Folge es viele Opfer auf beiden Seiten gab.

Durch die Zwillingsschwestern nimmt man hautnah an ihrem Alltag in dieser Kriegszeit teil. Sie treffen junge Soldaten beim Tanz, verlieben sich und hören gleichzeitig von Kriegsopfern. Unter diesen Umständen können sie nicht einfach heiraten und eine Familie gründen. Der Krieg fordert viele Opfer von der Bevölkerung: Angst vor dem Tod, Entbehrung von Nahrungsmitteln und eine Zeit ohne Glück und Freiheit.

Mit Adele und Amelia erscheinen in diesem Buch zwei Figuren, die sich als Zwillinge sehr eng und liebevoll verbunden fühlen. Als ihr Dienst bei den WRENS sie zu einer örtlichen Trennung zwingt, bleiben sie in ständigem Briefkontakt weiterhin miteinander verbunden. Beide Schwestern verlieben sich, doch beide gehen damit unterschiedlich um.
Der zweite Handlungsstrang zeigt Lara, die 2015 durch die Briefe ihrer Urgroßmutter Amelia in Cornwall auf deren Geheimnis stösst.


Diesem Roman liegt eine gründliche Recherche der Autorin der Zeit zugrunde, die sie durch Informationen von lebenden Zeitzeugen aus der eigenen Familie erhalten und zu einer Geschichte verwoben hat. Es geht um Kriegsopfer, Entbehrung und um die Liebe. Hier wird eine Generation gezeigt, die wenig Glück kannten und Stärke und Tapferkeit leben mussten.


Daneben erscheinen durch Laras aktuell gehaltenen Cornwall Besuch auch wunderschöne Küstenbeschreibungen und die Verarbeitung ihrer eigenen Krise. Sie ist diejenige, die den Bezug der Zwillingsschwestern herstellt und ihrem tragischen Geheimnis auf die Schliche kommt.

Mir gefällt der unterhaltsame Plauderton der Erzählung und die Schreibweise der etwas altmodischen Briefe, die dem damaligen Zeigeist der 40er Jahre entsprechen. Man erfährt neben dem Austausch von schwesterlicher Verbundenheit auch romantische Versprechungen von jung Verliebten, doch mehr noch bedrücken die Briefe über und von den Soldaten. Von Schwarzmarkt, Bombenhagel und Kriegseneinsätzen ist hier die Rede und machen den Krieg allgegenwärtig.

Die Autorin kann sehr gut schreiben, gar keine Frage. Doch die Ausführlichkeit, mit der sich hier dem Geheimnis der Familie genähert wird, ist sehr umfangreich und weitschweifig und darunter leidet die Spannung. Längst ahnt man die Zusammenhänge und ich musste mich sehr zusammenreißen, das Buch auch angemessen zu beenden.

Dieser Roman öffnet die Augen gegenüber einer Generation, deren Glück nicht so gelebt werden konnte, wie wir es heute kennen.


Dieser dramatische Liebesroman lebt von den bewegenden Zeitbeschreibungen in den letzten Kriegsjahren, der sich auf wahre Tatsachen stützt. Ein emotionsauslösendes Buch für Zeitinteressierte.

Veröffentlicht am 27.06.2018

Ein frischer Frauenroman

Weitewelt
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Die alleinerziehende Vertriebsassistentin Annabel Wiesengrund steht vor dem Höhepunkt ihrer Karriere, ihre alles entscheidende Präsentation ist perfekt durchgeplant und sie ist total aufgeregt. Doch ein ...

Die alleinerziehende Vertriebsassistentin Annabel Wiesengrund steht vor dem Höhepunkt ihrer Karriere, ihre alles entscheidende Präsentation ist perfekt durchgeplant und sie ist total aufgeregt. Doch ein Missgeschick jagt das nächste und die Präsentation findet gar nicht erst statt.
Annabels Chef rät ihr gut gemeint zu einem zweiwöchigen Urlaub.
Sie besucht in dem kleinen Dorf Weitewelt Tante Grete, die Lebensretterin ihrer Mutter.

Weil ihr das alte Haus so gut gefällt, zieht sie mit Tochter Romy nach Weitewelt und startet einen Neuanfang. Doch das ist nicht so einfach, es gibt einige Hindernisse und auch ihr Liebesleben gerät durcheinander.
Dieser Roman ist eine spritzig erzählte Geschichte um eine junge Frau, die versucht, Karriere und Erziehung allein unter einen Hut zu bringen. Annabel ist ein etwas chaotischer Charakter, zupackend, etwas tollpatschig und voller Liebe für ihre Tochter Romy. Das macht sie sehr sympathisch, sodass man ihr jegliches Verhalten sofort entschuldigt.

Annabels Leben ist trubelig, sie verliebt sich in die alte Villa und die Gegend, packt auch ohne Kenntnis von Statik und bautechnischen Fragen die Renovierung des alten Hauses an, hat natürlich auch mit einem skurrilen Handwerkerduo Glück auf männliche Hilfe und trifft den gut aussehenden Amerikaner David. Manche Dinge sind übertrieben zufällig, aber das macht auch den unterhaltsamen Reiz der Story aus.

Als ihr Ex-Mann einen Sorgerechtstreit vom Zaun bricht, gibt es weitere Schwierigkeiten, die Annabel vor Probleme stellen. Doch sie wäre nicht Annabel, wenn sich auch hier nicht eine Lösung finden würde. Man folgt Annabel auf ihrem Weg und wird immer wieder überrascht von weiteren Erlebnissen und Personen, die in ihr Leben platzen. Man kann ihr einfach nur gespannt folgen.


Der frische, humorvolle Erzählstil hat einen großen Anteil am Interesse für die Entwicklung in Annabels Leben. Claudia Wuttke trifft hier mit witzigen Erlebnissen und dem auflockernden Einmischungen durch die kleine Romy den Nerv der Leserin und man fühlt gleichzeitig stets mit Annabel mit. Ob Ärger, Wut, romantische Gefühle oder einfach nur die Zusammengehörigkeit mit ihrer Tochter, man kann Annabel nur gern haben.

Flott, spritzig und locker erzählte Wohlfühlstory.

Veröffentlicht am 26.06.2018

Ein Entwicklungsroman, den man gelesen haben muss.

Löcher
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Der Junge Stanley Yelnats kommt wegen eines (nicht begangenen) Diebstahls in ein amerikanisches Besserungscamp in der Wüste, das Camp Green Lake. Er trifft dort Zero, buddelt mit ihm Löcher und flieht ...

Der Junge Stanley Yelnats kommt wegen eines (nicht begangenen) Diebstahls in ein amerikanisches Besserungscamp in der Wüste, das Camp Green Lake. Er trifft dort Zero, buddelt mit ihm Löcher und flieht mit aus dem Lager.

Dieser Abenteuerroman für die Altersklasse 12 - 15 Jahre ist durchaus auch für Erwachsene eine interessante Lektüre.
"Stanley Yelnats", schon allein der Name als Palindrom ist toll gewählt, ist ein echter Pechvogel, ein dicklicher Typ, der von allen gehänselt wird und einen Vater hat, der Turnschuhe recycelt. Auf seiner Familie liegt ein Fluch.

Stanley wird ein schlimmer Diebstahl zur Last gelegt und kommt zur Besserung ins Boot-Camp Green-Lake. In der sengenden Hitze der Wüstensonne muss jeder Teilnehmer täglich ein Loch in den harten Sandstein graben, angeblich soll dass Stanley und seine Leidensgenossen zu brauchbaren Mitglieder der Gesellschaft erziehen. Es geschieht etwas ganz anderes, denn zum ersten Mal in seinem Leben findet Stanley einen Freund.


Der Autor baut auf dieser Grundlage eine Geschichte auf, die mit skurrilen Figuren, einigen Schicksalsschlägen und Emotionen in einer unbeschreiblichen Freundschaft endet.

Ganz nebenbei geht es um die wahren Werte der Gesellschaft: Mut, Liebe und Freundschaft, Hoffnung und Toleranz.

Louis Sachar ist eine durchweg unterhaltsame, spannende und durch überraschende Wendungen sehr frische Geschichte gelungen, bei am Ende die Schicksale der verschiedenen Generationen der Yelnats zusammengefügt werden.

Es ist ein Buch, das fesselt, weil man wissen will, wie Stanley den Fluch bannen kann.


Komisch, traurig, faszinierend und gleichzeitig völlig verrückt sind die Einblicke in Figuren und das Milieu des Romans.

Veröffentlicht am 24.06.2018

Ein Urlaubskrimi mit Küstenflair

Mordsrevanche
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Die frisch verheirateten Ermittler Fenna Stern und Tammo Anders haben einen neuen Fall, der ihnen schneller als gedacht wegen Befangenheit entzogen wird. Denn das betreffende Mordopfer ist Franziska Hinrichs, ...

Die frisch verheirateten Ermittler Fenna Stern und Tammo Anders haben einen neuen Fall, der ihnen schneller als gedacht wegen Befangenheit entzogen wird. Denn das betreffende Mordopfer ist Franziska Hinrichs, das Patenkind von Tammos Onkel Frido. Besonders tragisch an dem Fall ist die Tatsache, dass die 40-jährige Franziska nach langer Zeit endlich schwanger war. Ihr Mann Bodo ist völlig aufgelöst und Fenna und Tammo ermitteln undercover.

Fenna und Tammo machen aus der Dienstbefreiung das Beste und starten einen vermeintlichen Urlaub in Husum. Doch die Nachforschungen im Fall Franzi stellen sie natürlich nicht ein. Schon bald stellt sich heraus, dass Franziska doch nicht ganz so vorbildlich war wie bisher angenommen. Die Geschäftsführerin einer Ferienhausvermietung verbarg geschickt einige ungeahnte Geheimnisse. Jetzt ist es an Fenna und Tammo, aus den Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen, denn sie erfahren noch von einem ähnlichen Fall, der auffällige Parallelen zu dem Mordfall Franziska aufweist.

Mit "Mordsrevanche" zeigt Ulrike Busch einen weiteren Krimi ihres beliebten Ermittlerpaars von der Kripo Greetsiel und es ist auch ein sehr persönlicher Fall, der einige Dinge aus dem privaten Umfeld der beiden aufdeckt. Das Ehepaar harmoniert nicht nur privat, auch ihr berufliches Zusammenspiel bei Befragungen ist klappt wie am Schnürchen gelungen und sorgt besonders durch Fennas Feingefühl für Besonnenheit und die richtigen Fragen zur rechten Zeit.

Neben dem Mordfall gibt es berufliche Veränderungen, die das Privatleben des Paares in eine Fernbeziehung verändern soll. Die Kripo Greetsiel soll anderen Bereichen unterstellt werden und das bedeutet für Fenna und Tammo neue und weit entfernt liegende Arbeitseinsatzorte. Wollen sie sich darauf einlassen oder gibt es Alternativen?

In diesem Band werden einige Verdächtige präsentiert, die ein Motiv für den Mord hätten und so kann man bis zum Ende miträtseln und sich gemeinsam mit den Ermittlern auf spannende Tätersuche begeben.

Insgesamt ist der Krimi eher als unterhaltsam einzustufen, die Autorin zeigt das Vorgehen der Ermittler bis ins kleinste Detail akribisch genau. Das lässt jedoch die Spannungskurve etwas absacken. Der Fall ist recht heikel, führt ins Private der Ermittler hinein und Ulrike Busch hat die menschliche Entwicklung ihrer Charaktere in den Vordergrund gerückt.


Der Krimi spielt in diesem Band hauptsächlich an der Nordsee und man erlebt die Gegend authentisch und stimmungsvoll wiedergegeben. Wer Husum und die Halbinsel Nordstrand schon einmal besucht hat, erkennt hier einige markante Punkte wieder. Es gibt ein wenig Leuchtturmromantik zu entdecken, ländliche Idylle mit Schafen auf den Deichen und Einblicke in die Schafzucht sowie die Käserei. Und es wird wieder viel Tee getrunken und auch die Fischgerichte machen Appetit beim Lesen.

Für diese gelungene Krimiunterhaltung mit reichlich Nordseeflair vergeben ich 4 Sterne.