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Veröffentlicht am 27.06.2018

72 Stunden

Die rote Frau
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„Er konnte nicht fassen, dass er sich hier um diesen Scheißdreck kümmern musste.“
Rayonsinspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter haben es geschafft. Nach der erfolgreichen Lösung ihres ...

„Er konnte nicht fassen, dass er sich hier um diesen Scheißdreck kümmern musste.“
Rayonsinspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter haben es geschafft. Nach der erfolgreichen Lösung ihres ersten Falls „Der zweite Reiter“ gehören sie endlich zur Abteilung „Leib und Leben“. Allerdings nehmen ihre Kollegen sie nicht für voll. Emmerich hat immer noch Probleme mit dem Granatsplitter im Knie und Winter kann seinen Arm noch nicht wieder benutzen, seit er im Dienst verletzt wurde. Die Vorurteile gegen Behinderte sind groß in der Vorzeigeabteilung. Ihre Kollegen verachten sie und teilen ihnen nur Schreibarbeiten zu. Doch Emmerich lässt sich davon nicht unterkriegen. Als er in kürzester Zeit den Fall um den neuen „verhexten“ Film der berühmten Schauspielerin Rita Heidrich lösen kann, ringt er dem Leiter der Abteilung eine Chance ab. Er bekommt 72 Stunden, um parallel zu seinem direkten Vorgesetzten Brühl im Mordfall des beliebten Stadtrates Richard Fürst zu ermitteln. Brühl hat nämlich den schwerstverwundeten Kriegsheimkehrer Beppi als dringend tatverdächtig verhaften lassen. Aber Emmerich kennt Beppi. Dieser hatte Richard Fürst viel zu verdanken. Fürst wollte ein Heim für die Kriegsversehrten bauen. Hat er dafür wirklich Gelder veruntreut und musste darum sterben, wie seine Konkurrenten behaupten?

Die Versorgungslage 1920 in Wien ist schlimmer als im Krieg, das öffentliche Leben stark eingeschränkt, die Stadt kaum wieder aufgebaut. Dementsprechend wächst auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Zudem flackert die Angst vor dem nächsten Krieg immer wieder auf. Wer wird das Land dann verteidigen? Die meisten Soldaten sind auf den Schlachtfeldern geblieben.

Emmerich und Winter ermitteln in den verschiedensten Bevölkerungsschichten und ihre Zeit wird immer knapper. Nicht nur ihre Vorgesetzten sitzen ihnen im Nacken, auch ein Mann im braunen Anzug verfolgt sie angeblich – trachtet er ihnen nach dem Leben? Die Uhr tickt, 72 Stunden sind schnell vorbei. Eine atemlose Jagd durch das zerstörte Wien und vor allem wieder die Unterwelt bringt Emmerich und Winter in Gefahr: „Wenn es darum geht, uns in richtig schlimme Situation zu bringen, sind sie wirklich ein Weltmeister!“

Emmerich ist sehr geradlinig und nutzt wieder illegale Mittel und Methoden, um den Fall zu lösen. Er ist nicht nur intelligenter als sein Vorgesetzter, sondern auch weniger voreingenommen. Außerdem treibt ihn nach wie vor die Sorge um seine große Liebe Luise und deren Kinder um – kann er sie vor ihrem Mann bzw. Vater retten?
Winter verehrt die Schauspielerin Rita Heidrich und genießt es, ihren Personenschützer zu spielen. Außerdem nutzt er seine Verletzung, um mit den Sekretärinnen des Kommissariats zu schäkern und sich die Arbeit zu erleichtern. Seine gute Bildung und Erziehung helfen Emmerich auch dieses Mal beim Umgang mit der oberen Gesellschaft. Die beiden Ermittler ergänzen sich hervorragend.

Es sind die Schilderungen der Katakomben und unterirdischen Schlachthäuser, der Gegensätze zwischen den Armen und Reichen, der Filmwelt und den Logierhäusern, welche das Wien der 20er in meinem Kopf lebendig werden lassen und die damaligen Stimmungen vermitteln.
Alex Beer versteht es meisterlich, den Leser nach und nach mit Informationen zu füttern und die extreme Spannung trotzdem bis zur letzten Sekunde zu halten. Das i-Tüpfelchen ist der tolle Sprecher Cornelius Obonya, der dem Hörbuch mit seinem Wiener Dialekt und der Interpretation der Texte Leben einhaucht.

Veröffentlicht am 23.06.2018

Alte Wunden

Vergessene Seelen
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„Das Laub raschelte sommerlich leise im Wind, was aber nicht darüber hin wegtäuschen konnte, dass tausendfach das Klingen von Hämmern auf Ziegelsteinen wie ein hartnäckiger Tinnitus über der Stadt lag.“ ...

„Das Laub raschelte sommerlich leise im Wind, was aber nicht darüber hin wegtäuschen konnte, dass tausendfach das Klingen von Hämmern auf Ziegelsteinen wie ein hartnäckiger Tinnitus über der Stadt lag.“ (S. 6)

Sommer 1948 in Dresden. Es ist unerträglich heiß. Der Krieg ist seit 3 Jahren vorbei aber die Stadt liegt noch immer weitgehend in Trümmern. Auch Karin, die Frau von Oberkommissar Max Heller, gehört zu den Trümmerfrauen, welche die alten Wunden ihrer Heimat beseitigen, damit sie neu aufgebaut werden kann.

Heller wird zu einer Baustelle gerufen, auf der ein toter Junge gefunden wurde. Ist der vielleicht vom Kran gestürzt? Aber äußere Verletzungen fehlen. Als Heller ihn sich genauer anschaut, ist er entsetzt. Der Junge hat unzählige blaue Flecken in verschiedenen Stadien, ist eindeutig über längere Zeit misshandelt worden! Doch seine Eltern und Brüder sind seltsam ungerührt, als sie von seinem Tod erfahren. Auch die Mitschüler und der Lehrer wussten angeblich von nichts. „Es gibt keine Menschlichkeit mehr.“ (S. 312).

Der Fall, die Kindesmisshandlung, reißt bei Heller alte Wunden auf. Sein Gewissen quält ihn – wegen damals. Was genau „damals“ war, erfährt man nur Stück für Stück und andeutungsweise. Verwunden hat er es nie.
Schnell wird klar, dass der Junge zu einer Bande gehörte, die in illegale Geschäfte verwickelt ist. Aber wer steckt dahinter? Verdächtig sind eigentlich alle in den Fall Involvierten. Aber niemand redet.
Außerdem muss sich Heller mit seinem Sohn Klaus auseinandersetzen. Der gehört zur politischen Polizei und will seinem Vater den Fall entziehen. Vater und Sohn entfernen sich nicht nur politisch immer mehr voneinander. Klaus ist ein sogenannter 100%iger, heißt alles gut, was die sowjetischen Besatzer machen. Schließlich haben die Deutschen ihnen im Krieg Unsägliches angetan. Dass sein „Verein“ immer mehr an die Nazis erinnert, will er nicht einsehen.

Immer mehr Menschen verschwinden nach „Drüben“. Die Gerüchte mehren sich, dass die westlichen Besatzungsmächte ihre Zonen abriegeln. Die D-Mark wird eingeführt und die Angst vorm nächsten Krieg wächst.

Und dann ist da noch die Angst um Annie, das Pflegekind, das Max und Karin aus dem Kinderheim aufgenommen haben. Sie spricht kaum und hat jede Nacht Albträume – was hat sie erleben müssen?

Frank Goldammer webt auch in „Vergessenen Seelen“ wieder eine sehr dichte Atmosphäre, aufgeladen wie das Wetter. Menschliche Abgründe tun sich auf und Wut entlädt sich wie die kräftigen Gewitter. Heller hetzt über Trümmerberge und durch Ruinen, scheint immer einen Schritt hinterherzuhinken. Weitere Beteiligte sterben, er gerät selbst in Lebensgefahr. „Noch immer tötet dieser Krieg, obwohl er längst vorbei ist.“ (S.138)
Der Fall ist mir extrem zu Herzen gegangen und hat mich bis zuletzt in Atem gehalten. Immer wieder bringt er neue Verdächtige und Tatmotive und am Ende ist klar – wohl niemand war damals ohne Schuld. Auch Max Heller nicht.

Als Dresdnerin kenne ich die Straßen und Plätze sehr genau und bin immer wieder fasziniert, wie umfassend der Autor für seine Bücher recherchiert und was er alles einfließen lässt.
Diese Woche, genau 70 Jahre nach dem Handlungszeitpunkt des Buches, erheben sich wieder rote Ziegelnebelschwaden und Hämmern über das heiße Dresden. Alte Ziegelbauten müssen für die Hafencity weichen und die Stimmung des Krimis wird sofort greifbar.

Mein Fazit: Unbedingt Lesen und dem nächsten Band im Dezember entgegenfiebern!

Veröffentlicht am 14.06.2018

Guter Bulle - böser Bulle?

Der zweite Reiter
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... diese Einschätzung fällt seinen Vorgesetzen bei Polizeiagent August Emmerich nicht immer leicht. Zweifelsohne ist er ein guter Polizist, manchmal vielleicht etwas übermotiviert und dickköpfig, aber ...

... diese Einschätzung fällt seinen Vorgesetzen bei Polizeiagent August Emmerich nicht immer leicht. Zweifelsohne ist er ein guter Polizist, manchmal vielleicht etwas übermotiviert und dickköpfig, aber er geht bei den Ermittlungen auch im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen und seine Methoden sind nicht immer korrekt. Außerdem ist Emmerichs Knie nach dem ersten WK genau so kaputt wie Wien. Ohne Herointabletten hält er die Schmerzen nicht aus, aber das darf niemand wissen, sonst wird er in den Innendienst versetzt. Auch privat läuft es nicht gut. Nachdem der für tot erklärte Mann seiner Lebensgefährtin plötzlich wieder vor der Tür steht, muss Emmerich gehen. Kurzentschlossen nistet er sich bei seinem Assistent Ferdinand Winter ein.

Eigentlich sollen Emmerich und Winter die Schmugglerbande um Veit Kolja jagen, aber bei den Ermittlungen stolpern sie über die Leiche des Kriegszitterers Dietrich Jost. Ausgerechnet Jost soll sich selber erschossen haben, dabei konnte er seine Hände keine Sekunde ruhig halten! Emmerich ermittelt auf eigene Faust in Wiens Unterwelt (räumlich und sprichwörtlich) und stolpert dabei über zwei weiter „Selbstmorde“. Die Männer wurden kurz zuvor mit Dietrich Jost gesehen. Warum mussten sie sterben? Was verbindet sie? Sind sie den Schmugglern in die Quere gekommen? Oder einer der windigen Auswandereragenturen, die den Verzweifelten für ein neues Leben in Brasilien noch das letzte Hemd abnimmt und sie zu illegalen Jobs und Prostitution zwingt? Oder hängen die Morde mit dem Krieg zusammen?
Die Ermittlungen führen sie in die Kanalisation, miese Spelunken, versteckte Bordelle und die fast leere Menagerie von Schloss Schönbrunn.

Der Fall ist extrem spannend. Ich hatte keine Idee, wer hinter den Morden steckt und habe bis zuletzt mitgefiebert und um Emmerich und Winter gebangt, die sich mit ihren Nachforschungen selbst in Lebensgefahr gebracht haben.

Alex Beer hat mit Emmerich einen Protagonisten geschaffen, der es dem Zuhörer / Leser nicht immer leicht macht, ihn zu mögen. Er säuft bis zur Besinnungslosigkeit, nimmt Drogen, schüchtert seine Verdächtigen oder Gegner bei Bedarf mit brutaler Gewalt ein und bewegt sich immer hart an der Grenze zur Illegalität. Aber er ist auch sehr menschlich, wenn es um die Ausgegrenzten und Schwachen geht. Die Grenzen zwischen gut und böse sind eben fliesend.
Sein Assistent Ferdinand Winter hingegen ist ein echter Sympathieträger. Er hat einen ziemlich trockenen Humor, ist aber leider total nervös und ängstlich, oft noch kindlich naiv, wenn es um das echte Leben geht. Ich hätte ihn in einigen Situationen gern mal in den Arm genommen und beruhigt. Allerdings gab es auch ein paar Stellen, an denen er Emmerich (und mich) extrem überrascht hat. Er hat auf jeden Fall viel Potential.

Die Autorin lässt das Wien der 1920er vor dem inneren Auge des Hörers / Lesers lebendig werden. Die Stadt ist zu großen Teilen zerstört, die Bewohner frieren, sind hungrig und oft hoffnungslos.

Cornelius Obonya ist in meinen Ohren die perfekte Stimme für diese Geschichte und ich freue mich schon auf Emmerichs nächste Fälle.

Veröffentlicht am 12.06.2018

Jetzt singt er auch noch ;-)

Gruppentherapie
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Ich bin Benny Bieber. Die Frauen lieben mich, die Männer wollen so sein wie ich.“ (S. 91) ist das Credo des Stars im Partytempel Universum auf Malle. Im wirklichen Leben heißt er Ben Valdern und ist Architekt ...

Ich bin Benny Bieber. Die Frauen lieben mich, die Männer wollen so sein wie ich.“ (S. 91) ist das Credo des Stars im Partytempel Universum auf Malle. Im wirklichen Leben heißt er Ben Valdern und ist Architekt in München. Nachdem sein eigenes Architekturbüro vor 2 Jahren Pleite ging, hielt sich Ben als Schlagersänger auf Mallorca über Wasser und auch, wenn er jetzt endlich wieder als Architekt arbeitet, will er sich nicht von seiner zweiten, geheimen Identität trennen. Welchem Mann würde es nicht gefallen, wenn ihn regelmäßig diverse leichtbekleidete angetrunkene Frauen anhimmeln ?! Allerdings wird es immer schwieriger, das Doppelleben vor seinem Münchner Chef und dessen Tochter Clarissa, mit der Ben liiert ist, zu verheimlichen. Und dann ist da noch Bardame Eva, die im Universum auf ihn wartet. So langsam muss er sich entscheiden. Wenn er ehrlich ist, schlägt sein Herz für Benny Bieber und Eva. Aber kann er sich ein Leben als Partysänger und Schlagerstar vorstellen? Wie lange wird der Ruhm wohl halten und was kommt danach? Der große Absturz und Mitleid-Gigs, wie sie Mark Tomate bestreitet, der von seiner Gage nur gerade so leben kann?

Mit „Gruppentherapie“ ist Friedrich Kalpenstein wieder zu absoluter Hochform aufgelaufen. Ich habe beim Lesen mehrfach so laut gelacht, dass ich meinem Mann die entsprechenden Stellen vorlesen musste.
Ben muss bei seinem Spagat zwischen München und Mallorca so manche Klippe umschiffen und sich zu Hause auch noch gegen seine – nennen wir sie mal freundlich – „resolute“ Freundin Clarissa („Selbst einem ertrinkenden Welpen würde sie im besten Fall die Daumen drücken und viel Glück wünschen. Aber nur dann, wenn Sie an diesem Tag ein ganz großes Herz hatte.“ (S. 24)) und deren Vater durchsetzen, der die beiden am liebsten sofort verheiraten würde. Ben ist aber auch wirklich ein Frauenschwarm, nicht nur Clarissa, Eva und die feierwilligen Clubbesucherinnen auf Malle stehen auf ihn, auch Sekretärin Doris ist immer überaus nett zu ihm und hat mindestens einen Blusenknopf zu viel geöffnet. Zudem stimmt irgendwas nicht mit dem neuen Projekt, welches ihm sein Schwiegervater in spe gegeben hat.
Genial finde ich auch Bens besten Kumpel Sascha, der nicht nur für die musikalische Umsetzung der Texte zuständig ist, sondern ihm auch immer wieder als Alibi dient. Sascha ist ganz froh, dass er Ben groß rausgebracht hat, denn so kann er die Leute abwimmeln, die sonst so an die Tür seines Tonstudios klopfen und sich für den nächsten Superstar halten: „... in Wahrheit hört es sich so an, als ob du brennende Katzen über den Asphalt schleifst.“ (S. 30)

„Ich war noch niemals in ...“ – nein nicht in New York (obwohl, da auch noch nicht), sondern auf Mallorca, geschweige denn auf einem Schlagerkonzert. Schlager liebt oder man hasst man, ich schäme mich bei den Texten und Melodien meist eher fremd. Obwohl die von Friedrich Kalpenstein alias Ben Valden alias Benny Bieber ja schon sehr lustig sind. Genau, jetzt singt er auch noch! Die im Buch vorkommenden Titel hat der Autor unter dem Künstlernamen Ben Valdern wirklich eingesungen und veröffentlicht. Fakt ist: ich werde wahrscheinlich nie ein Schlager-Fan, aber ich liebe Friedrich Kalpensteins neuen „Helden“ Ben Valdern!

Veröffentlicht am 23.05.2018

Nur mal reingeschaut und sofort festgelesen

Die Frauen von Long Island
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... so ging es mir mit „Die Frauen von Long Island“.
Maggie ist 38 und alleinerziehende Mutter der 2jährigen Lucy. Sie arbeitet als Putzfrau für die Schönen und Reichen von New York und verdient damit ...

... so ging es mir mit „Die Frauen von Long Island“.
Maggie ist 38 und alleinerziehende Mutter der 2jährigen Lucy. Sie arbeitet als Putzfrau für die Schönen und Reichen von New York und verdient damit ganz gutes Geld, aber seit Maggie da ist, reicht es nicht mehr. Da erscheint es ihr wie ein Wink des Schicksals, dass ihr ihre ehemals beste Freundin Liza ein Haus auf Long Island vererbt. Der einzige Makel: Maggie muss sich um Lizas 82jährige Mutter Edith kümmern, die ebenfalls in dem Haus lebt und beginnenden Alzheimer hat. Weder Maggie noch Edith sind von diesem Arrangement begeistert, doch während Maggie versucht, das beste aus der Situation zu machen, trotzt Edith ... „Wenn das das große Los ist, dann würde ich es gern zurückgeben. Sie, Edith, sind kein Hauptgewinn.“ (S. 113)

Edith war Broadwaytänzerin, hat Stil und Klasse und führt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben. Nur ihre extrovertierte Freundin Esther holt sie manchmal aus ihrem Schneckenhaus. Und nun platzten Maggie und Lucy in ihr Leben. Lucy ist sehr laut und setzt ihren Willen immer wieder mit Wutausbrüchen durch. Maggie nimmt sich extrem zurück, trägt alte abgeschnittene Jeans und ausgeleierte T-Shirts, isst nur Lucys Rester und ist viel zu dünn. Natürlich versucht sie sofort, sich neben Lucy auch um Edith zu kümmern, aber die will keine Hilfe annehmen. Sie reagiert ziemlich zickig, was ich gut verstehen konnte. Außerdem steht Lizas Tod zwischen ihnen. Liza litt an Depressionen und hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Was hat sie sich nur dabei gedacht, die Leben der beiden Frauen zu verbinden? Erst als Ediths Freundin Esther die Idee hat, dass diese Maggie ihre Erinnerungen diktiert, so lange sie noch vorhanden sind, bessert sich die Situation zwischen ihnen. „Du bist nicht allein, Edith.“ (S. 203)

Auch Maggie verändert sich. Sie muss immer öfter an ihre eigene Kindheit und Jugend denken. An Dinge, die sie lange erfolgreich verdrängt hat. „Sag Harbor kam ihr langsam wie ein riesiger Löffel vor, der alles tief in ihrer Seele vergrabenen wieder aufrührte und hochholte.“ (S. 127)

Die gemeinsame Zeit, das miteinander statt nur nebeneinander Leben, die Trauer um Liza und die Erkenntnis, dass sie sich gegenseitig eine Stütze sind, bringt die beiden Frauen letztendlich zusammen. „Aber das Leben hat Dir nun mal diese Karten ausgeteilt, ob das nun fair ist oder nicht, und ich finde, du hast ein ganz gutes Blatt bekommen. Bring dieser Maggie ein paar Dinge bei ... Sie braucht dich genau so wie du sie.“ (S. 74)

Zoe Fishman schreibt sehr berührend und trotzdem amüsant über das Älterwerden, Erinnern und Vergessen, über das Knüpfen von Freundschaften und dass man angebotene Hilfe ruhig annehmen sollte. „Das Leben geht eben eigene Wege, Maggie, und manchmal muss man mit dem Strom schwimmen, sonst geht man unter.“ (S. 288)