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Veröffentlicht am 20.07.2018

Jugend einer Schriftstellerin

Weit weg von Verona
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Die britische Schriftstellerin Jane Gardam hat mit ihren Old Filth-Romanen zweifellos Weitliteratur geschaffen. Ihr erster Roman „Weit weg von Verona“ hatte diesen Status vielleicht noch nicht so ganz, ...

Die britische Schriftstellerin Jane Gardam hat mit ihren Old Filth-Romanen zweifellos Weitliteratur geschaffen. Ihr erster Roman „Weit weg von Verona“ hatte diesen Status vielleicht noch nicht so ganz, aber es ist dennoch ein beeindruckendes Portrait eines intelligenten und lebhaften 12jährigen Mädchens während der Kriegsjahre in England.
Inwieweit die Hauptfigur Jessica Vye eventuell autobiographische Züge der Autorin trägt, ist schwer zu sagen, aber Jahresdaten ähneln sich und Jane Gardam kannte die Zeit, daher wirkt ihr Roman in Sprache und Verhalten der Protagonisten sehr authentisch.

Die 1928 geborene Jane Gardam wurde schon ganz zutreffend mit der kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munroe verglichen.
Aber Jessica als emotional aufgeladene Erzählerin nimmt der Sprache diesmal das Nüchterne, das man sonst von Jane Gardam kennt. Jessica ist noch jung und doch ist es ihr wichtig, um ihre Identität und Eigenständigkeit zu kämpfen. Sie sagt sich: “Ich werde nicht sein wie sie, nur weil es für sie einfacher ist.”
Jessica ist für ihr Alter ein reifes, intelligentes Mädchen, doch dann gibt es auch die für Jugendliche so typische wie auch verblüffende Rückfälle ins Kindliche. Deswegen fällt ihr es schwer, ihr Selbstbewusstsein durchgehend aufrechtzuerhalten.
Zudem ist ihr Leben vom Krieg beeinflusst und einmal gerät sie mitten in einen Luftangriff. Das verarbeite sie in einem Geicht. Literatur ist ihr wichtig!

Ich mag an dem Roman sehr, wie sorgfältig er gearbeitet ist und wie erfrischend die Erzählerin spricht.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Familienglück

Kampfsterne
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Die Handlung ist 1985 angesiedelt, aber die Autorin nutzt das nicht zum Selbstzweck und erspart dem Leser weitgehend ein übertriebenes Namedropping der achtziger Jahre, einige Symbole dieser Zeit werden ...

Die Handlung ist 1985 angesiedelt, aber die Autorin nutzt das nicht zum Selbstzweck und erspart dem Leser weitgehend ein übertriebenes Namedropping der achtziger Jahre, einige Symbole dieser Zeit werden aber geschickt eingebracht.

Die Perspektiven wechseln schnell und da die Figuren sehr unterschiedlich sind, wird der Roman abwechslungsreich erzählt und es entsteht eine hohe dichte.
Die Gedanken der jeweiligen Erzähler dominieren den Text, der frisch und gediegen wirkt.

Alexa Hennig von Lange fängt gut die Abgründe ein, die in den Beziehungen ihrer Figuren zueinander lauern. Man merkt schnell, dass Kampfsterne alles andere als ein harmloses Buch über Familien ist.
Man spürt, wie die Ereignisse langsam aber sicher auf eine Eskalation zulaufen.

Alexa Hennig von lange habe ich schon oft gelesen. Einst war sie die erste Ikone der Popliteratur. Inzwischen schreibt sie souverän über Familien, ist aber doch noch kein Mainstream.
Ich denke, Kampfsterne ist tatsächlich ihr bisher bestes Buch!

Veröffentlicht am 06.07.2018

geschmeidiger Stil

Als die Tage nach Zimt schmeckten
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Als die Tage nach Zimt schmeckten ist ein Buch der amerikanischen Autorin Donia Bijan, die im Iran geboren wurde. Nach 32 Jahren Exil kehrte sie für einen kurzen Besuch nach Iran zurück. Das inspirierte ...

Als die Tage nach Zimt schmeckten ist ein Buch der amerikanischen Autorin Donia Bijan, die im Iran geboren wurde. Nach 32 Jahren Exil kehrte sie für einen kurzen Besuch nach Iran zurück. Das inspirierte sie zu diesem Roman, bei dem von Anfang an ein geschmeidiger Stil zu genießen und ein warmherziger Ton zu spüren ist.

Der 75jährige Iraner Zod leitet sein Cafe in Teheran, seine Kinder leben in den USA. Als seine Tochter Noor sich von ihrem untreuen Ehemann trennt, kommt sie auf Besuch mit ihrer Teenagertochter Lily zurück in den Iran.

Dann werden in Teil 2 mehr Hintergründe erzählt und es gibt einen Rückblick in Zods Jugend, sein Beginn als Student 1964 in Paris, aber er kehrt schnell zurück und ist glücklich verheiratet, bis politische Wechsel und Gewalt das Leben verdüstern.
Dieser Abschnitt zeigt Leid und Unglück, aber auch Liebe.

Teil 3 ist auch Rückblick und zeigt Noors Zeit, als sie von ihrem Vater aus Sicherheitsgründen in die USA geschickt wurde und wie sie da nach langer Eingewöhnungszeit schließlich Krankenschwester wurde und heiratete.

Dann sind wir wieder in der Gegenwart im Iran und es geht weiter mit vielen Emotionen, auch dramatischen Passagen und der Entwicklung der Figuren zu neuer Stärke.

“The last Days of Cafe Leila” wurde geschmeidig ins Deutsch übersetzt, wie man es von Übersetzerin Susanne Goga-Klingenberg gewohnt ist. So überzeugt der emotionale Roman, dessen Leitmotiv raffiniertes Kochen und leckeres Essen ist.

Veröffentlicht am 05.07.2018

Ruhig und atmosphärisch dicht erzählt

Der Sprengmeister
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Es fasziniert mich sehr, dass schon Henning Mankells erster Roman von 1973 so interessant und gelungen war. Aufgrund des geringen Umfangs kann man noch nicht von Meisterwerk sprechen, da hat Mankell später ...

Es fasziniert mich sehr, dass schon Henning Mankells erster Roman von 1973 so interessant und gelungen war. Aufgrund des geringen Umfangs kann man noch nicht von Meisterwerk sprechen, da hat Mankell später noch komplexere Romane geschrieben, dennoch überzeugt der Sprengmeister durch Ausgewogenheit und Ausbalanciertheit. Auffälliges Merkmal ist das Herantasten an die Geschichte und seine Figur. Die Geschichte wird praktisch von einem Bekannten im Rückblick erzählt und auch nur so weit, wie aus dem Gesprächen zu schließen ist, wobei auch das Unausgesprochene wohl eine Rolle spielt.
Als der 23jährige Oskar 1911 einen schweren Unfall hatte, der ihn nur schwer verletzt überleben lässt, geht es auch darum, wie weitermachen. Seine Verlobte hat ihn verlassen, geheiratet hat er dann deren Schwester, was ja immerhin überraschend ist.
Henning Mankell schildert seine Hauptfigur als einen einfachen Menschen, der mit einem Schicksalsschlag fertig werden muss. Er ist kein Held, aber er besitzt innere Stärke. Das Mankell erkannt hat, dass ganz normale Menschen interessant genug sind, macht ihn von Anfang an zu einem guten Autor.

Veröffentlicht am 28.06.2018

Die Vergangenheit betrachten, wie sie war

Wenn wir wieder leben
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Ein anspruchsvoller Unterhaltungsroman mit interessanten Thema, mit gelungener Figurenentwicklung und in zwei Zeitebenen erzählt.
1968 mit der Studentin Wanda, die plötzlich nach ihrer Herkunft fragt.
Und ...

Ein anspruchsvoller Unterhaltungsroman mit interessanten Thema, mit gelungener Figurenentwicklung und in zwei Zeitebenen erzählt.
1968 mit der Studentin Wanda, die plötzlich nach ihrer Herkunft fragt.
Und dann geht es in die Vergangenheit mit Gundi, Wandas Mutter.
Schauplatz dieses Handlungsstrang in Ostpreußen ist das Seebad Zoppot bei Danzig. Es wird geschildert, wie viel den Bewohnern dieser Ort bedeutete, wie paradiesisch er für Gundi war.

Charlotte Roth ist eine erfahrene Autorin, bei ihr stimmt einfach alles, die Struktur ist sinnvoll und auch Nebenfiguren wird ausreichend Profil verliehen.

Die Fragen der 68ziger Generation rührte bei den Betroffenen alles wieder auf. Das konnte tragische Züge tragen, hatte aber natürlich auch ihre Berechtigung, um das kollektive Schweigen zu brechen.
Manche Passagen sind nicht einfach zu verdauen.

“Wenn wir wieder leben” ist ein lebendiger, hochemotionaler Roman, der den Leser nicht kalt lässt.