Ich habe seit neustem einen Ausweis für die örtliche Bücherei. Ich lese für mein Leben gern und ich schmöker auch gerne in Kochbüchern. Ich bin zwar nicht unbedingt der Nach-Rezept-Kocher, aber ich hole mir gerne neue Anregungen aus Kochbüchern und probiere doch gerne das ein oder andere aus. Und in unserer Bücherei habe ich doch tatsächlich eines dieser veganen Kochbücher von Attila Hildmann bekommen, um den es derzeit ja so einen großen Hype gibt. Und weil mein Freund und ich uns fleischarm ernähren wollen (und auch schon recht erfolgreich tun), hab ich das Buch natürlich gerne eingepackt und rein geguckt.
Meine Erwartungshaltung
Von einem veganen Kochbuch erhoffte ich mir vor allem neue, vegane Rezepte, die mehr sind, als bloß bekannte Rezepte, wo etwas weg gelassen oder Fleisch gegen Tofu ausgetauscht wird. Vegan und vegetarisch ist für mich eben mehr, als nur ohne Tierprodukte zu kochen - es ist meiner Meinung nach eine andere Art des Kochens. Ich wollte weg von diesem einfach nur Austauschen und eine minderwertige Kopie eines Küchenklassikers herstellen.Bei einem Schaschlikspieß einfach nur das Fleisch gegen Gemüse und Tofu austauschen kann schließlich jeder. Und bei einer Bolognese das Hack gegen Sojagranulat tauschen oder auf eine Gemüsepizza Sojakäse legen statt "richtigem" - auch das kann jeder. Ich wollte mehr! Weg vom Verzicht, weg vom Austauschen - hin zum Kochen!
Dazu erwartete ich auch ein paar Grundlagen. Worauf muss ich etwa achten beim veganen Essen? Wo sind die Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe drin, die ich nun nicht mehr bekomme? Schließlich nehmen wir das meiste Eiweiß und die B-Vitamine über tierische Produkte auf. Welche Alternativen gibt es da? Ich bin zum Beispiel ein absoluter Tofu-Gegner, weil er mir zumindest in Reinform nicht schmeckt. Beim Nuss-Tofu haben mein Freund und ich Probleme mit den Haselnüssen (Allergie!) und Räucher-Tofu haben wir letzt probiert und der hat uns auch nicht vom Hocker gehauen. Seitan ist für uns auch keine Alternative, weil mein Freund nicht so viel Gluten verträgt und Seitan Gluten in Reinform ist. Was gibt es da also und wie bereitet man es zu?
meine Meinung zum Inhalt
Bezüglich der veganen Grundlagen habe ich leider bemerkenswert wenig gefunden. Auf Seite 14 gibt es den kurzen Hinweis, was einem als Veganer fehlen kann und dass man eben aufpassen muss, sie irgendwie zu sich zu nehmen. Vieles könne man aber über angereicherte Produkte wie Cornflakes, Sojamilch oder Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen. Das würden Fleischesser ohnehin tun und er fände es besser, eine Vitamintablette zu nehmen als später Schlaganfall oder Herzinfarkt zu bekommen. Wenn ich ehrlich bin, dann ist diese Einstellung zwar einfach und im Endeffekt wird man es dann so machen - aber das ist dann für mich keine ausgewogene Ernährung, die alles enthält. Das ist meiner Meinung nach dann eine genauso schlechte Ernährung wie die vieler Fleischesser: Erst einen Hamburger, fettige Pommes mit viel Majo - und anschließend erst mal die Vitamintablette reinpfeifen.
Dass Doktrinen out sind, unterschreibe ich gerne. Nichts habe ich mehr gehasst, als diese militanten Vegetariere oder eben Veganer, die einem ständig nur einredeten, dass ich die armen Lämmchen oder Kälbchen töte und ganz genau ich verantwortlich bin für die vielen toten Hühner in der Legebatterie. Aber ich frage mich, was dieses Thema in einem Kochbuch zu suchen hat. Dafür kaufe ich mir kein Buch und gebe fast 25 € für aus! Genauso ist es mit dem Hildmanns persönlichem Fittnesskonzept, wo er sich über die Männer in den Muckibuden lustig macht und mir dann erzählt, welchen Sport er wie oft macht. Dann kommt noch ein kurzer Abstecher, wie toll das Internet ist - und dann soll es auf Seite 32 endlich mit den Rezepten los gehen!
Seite 32 ist überschrieben mit "Kitchen backstage". Hier habe ich endlich auf die Grundlagen gehofft - und wurde wieder enttäuscht. Stattdessen kommen solche Aussagen, dass Tofu unverzichtbar sei! Mit Ausrufezeichen! Tut mir Leid, Herr Hildmann: ICH bin anderer Meinung! Und auch das ist für mich eine Doktrin, die eben doch noch verteufelt wurde. Nur, weil ich öfter vegan essen möchte, werde ich keinen Tofu essen! Es gibt inzwischen genug Alternativen. Ich MAG KEINEN Tofu! Dazu kommen dann solche "Grundlagen" wie ein Hoch auf sein Cashew-Vanille-Eis und seinen kräftigen Mixer mit Stößel (?). Ein ganz klein wenig Grundlagen bekomme ich dann doch noch, indem er auf Guarkern- und Johannisbrotkernmehl hin weist. Allerdings steht immer noch nicht dabei, wie ich die beiden Sachen verarbeite, welche Kocheigenschaften sie haben usw.
62 Rezepte findet man dann doch auf den folgenden Seiten. Einige sind ganz nett (z.B. Tagliatelle in Safran-Orangen-Creme), aber viele Rezepte sind meiner Meinung nach einfach nur ... ja, mir fehlen die Worte. Bei den Rezepten bin ich wirklich nur sprachlos, wie man die in ein veganes Kochbuch aufnehmen kann: Rote Bratkartoffeln (stinknormale Bratkartoffeln mit getrockneten Tomaten und Tomatenmark), Gemüsepizza (Hefeteig, Tomatensoße, Gemüse - kein Käse!), gefüllte Tomaten (Tomaten gefüllt mit einem gewürzten Sojajoghurt), Oliven-Tomaten-Focaccia - und dann mein Alptraum: Veggie-Schaschlik-Spieße, wo das Fleisch eben nur gegen Gemüse und Tofu ausgetauscht wurde (naja, die Dips dazu sind ganz nett). Weiter finden wir dann einen Müsliriegelrezept oder lernen, wie man ein Ciabatta, ein Sandwich oder ein Baguette vegan belegen (dies sind drei der Rezepte!). Es sind auch drei Getränke dabei (dies sind wieder drei Rezepte!).
Viele dieser Rezepte sind einfach nur einfaltslos. Dort wird eben einfach nur Fleisch gegen Gemüse oder Tofu ausgetauscht. Genau das sind die Rezepte/Gerichte, wieso die vegane Küche so in Verruf geraten ist in ihrer Anfangszeit: einfaltslos, ideenlos und einfach nur Fleisch und Milch gegen Tofu und Sojamilch austauschen, was meinem Freund und mir einfach nicht schmeckt.
Klar, es sind auch einige nette Ideen drin. Ich habe bisher etwa noch nie mit Nussmus gekocht. Wir haben es hier zwar schon stehen, aber ich habe mich bisher nie ran getraut. Das werde ich nun vielleicht einmal probieren. Aber ansonsten finde ich es sehr enttäuschend. Vielleicht habe ich auch einfach nur zu viel erwartet. Aber ich denke, ich kann auch kein vegetarisches Kochbuch schreiben und da einfach nur Milchreis, Grießbrei, Pfannkuchen, drei belegte Brote, drei Getränke und jede Menge Kuchen rein nehmen (mein Freund sagt gerade, ich kann - und er würde 25 € dafür zahlen!).
Ganz hinten im Buch finde ich dann wenigstens noch ein paar Hinweise zu veganen Lebensmitteln bzw. wo man aufpassen sollte. Mich stören allerdings die ganzen Markennamen dabei. Die hinterlassen bei mir gleich so einen faden Nachgeschmack von "Produktplatzierungen" bzw. Schleichwerbung. Hat Herr Hildmann dafür evtl. sogar ein Gehalt bezogen? Es gibt immerhin noch sehr, sehr viel mehr Anbieter und auch billigere Anbieter.
Fazit
Ich habe mich auf ein tolles veganes Kochbuch gefreut, aus dem ich noch etwas lernen kann. Leider gab es kaum wirklich innovative Rezepte, dafür viele 08/15-Rezepte von Gerichten, die ohnehin vegan sind bzw. mit einem einfachen Handgriff vegan werden. Und auf Ausgewogenheit wurde auch nicht geachtet.