Darüber sollte man nachdenken
Der digitale Tod„...Seit Juni 2017 hat Facebook über zwei Milliarden User.
Und alle werden sterben...“
Mit diesen zwei Sätzen beginnt das Buch von Tobias Schrödel. Es war die Anfrage einer Mutter, die ihn zum Schreiben ...
„...Seit Juni 2017 hat Facebook über zwei Milliarden User.
Und alle werden sterben...“
Mit diesen zwei Sätzen beginnt das Buch von Tobias Schrödel. Es war die Anfrage einer Mutter, die ihn zum Schreiben dieses Buches veranlasste.Die Mutter wendete sich an ihn und bat darum, dass er das gesperrte Handy ihrer Tochter für sie freischaltet. Die Tochter war im Mai unerwartet an Diabetes verstorben und erst 19 Jahre alt.
Tobias Schrödel will im ersten Moment zusagen. Doch dem Stehen unter Umständen technische Hindernisse im Weg. Die rechtlichen Fragen werden es später zum Tragen kommen..
Drei Dinge findet der Leser in dem Sachbuch. Zum einen beschreibt der Autor, wie er den Code des Handys geknackt hat. Schon das ist nicht bei allen Handys in vertretbarer Zeit möglich.
Zum zweiten lässt mich der Autor an all den Gedanken teilhaben, die ihn bei der Beschäftigung mit dem Thema Tod und digitales Erbe gekommen sind. Hier hat mir unter anderem das folgende Zitat zu denken gegeben:
„...Wirklich private Nachrichten in Chats sind keine gute Idee. Ich muss immer damit rechnen, dass meine Nachrichten von Dritten gelesen werden. Wir wissen doch alle, dass der Tod im Leben vorkommt...“
Und nicht zuletzt sucht er sich Gesprächspartner, mit denen er sich über den Umgang mit zurückgebliebenen Daten austauscht. Das sind ein Jurist, ein evangelischer Pfarrer, ein Theologe, eine Trauerrednerin und ein Professor, der einen Lehrstuhl für Computervermittelte Kommunikation inne hat. Auch hier möchte ich eine Aussage zitieren:
„...Ich rate dazu, regelmäßig seine eigenen Daten durchzusehen. Markieren, was einem wichtig ist. Und den Rest: Löschen. Löschen. Löschen...“
Das Buch lässt sich gut lesen. Für die technischen Raffinessen beim Ermitteln der PIN sind Kenntnisse der Informatik vom Vorteil. Das aber ist eigentlich nicht der Kern des Buches. Letztendlich läuft alles auf die Frage hinaus: Wie will ich persönlich, dass nach meinem Ableben mit meinen Daten umgegangen wird? Und: Wer hat welche Rechte an welchen Daten?
Dabei nimmt der Autor auch Bezug auf ein Facebook-Urteil, das den Eltern die Rechte an den Daten des minderjährigen Kindes abspricht.
Die Interviews zeigen eines ganz deutlich. Mit zunehmender Digitalisierung ändert sich unser Umgang mit Tod und Trauer. Es gibt neue Formen des Trauerns. Ob sie positiv oder negativ zu bewerten sind, sehen die Gesprächspartner unterschiedlich, begründen aber in jedem Fall ihre Meinung.
Das Buch gibt keine fertige Antworten. Es sorgt für Denkanstöße. Eines aber macht der Autor ganz klar. Es bedarf dringend gesetzliche Regelungen, denn die sozialen Netzwerke gehen völlig unterschiedlich mit der Problematik um. Wie formuliert der Autor so treffend?
„...Aber ich bleibe dabei, soziale Netzwerke sind keine Dienstleister, denen ein zufriedener Kunde am Herzen liegt. Sie wollen, dass wir ihre Plattform nutzen und ihnen Informationen zukommen lassen, mit denen sie zu guter Letzt Geld machen können...“
Gut gefallen hat mir, dass der Autor im Buch auch die Kommunikation mit der Mutter mit abdruckt. Diese Teile sind grau unterlegt. Gleiches gilt für die wörtlich zitierten Aussagen aller Gesprächspartner.
Ich werde mit Sicherheit das Buch in meinem Bekanntenkreis weiter reichen und weiter empfehlen. Ein letzter Satz zum Nachdenken soll meine Rezension abschließen:
„...wenn du dich um nichts kümmerst, ist der Tod das größte Problem beim Datenschutz...“