Eine Kindheit in den 60er Jahren
Inhalt: Anfang der 60er Jahre zieht die kleine Annemarie mit ihren Eltern auf den dunklen und baufälligen Hof der Familie Pfaff in einen kleinen Ort am Niederrhein. Die Eltern haben sich nicht mehr viel ...
Inhalt: Anfang der 60er Jahre zieht die kleine Annemarie mit ihren Eltern auf den dunklen und baufälligen Hof der Familie Pfaff in einen kleinen Ort am Niederrhein. Die Eltern haben sich nicht mehr viel zu sagen und die Stimmung ist meistens ziemlich gedrückt. Der älteste Sohn Peter (1944 geboren) ist schon ausgezogen, weil er sich mit dem Vater überworfen hat. Die Mutter hat ständig andere Männer zu Hause, wenn der Vater nicht da.
Annemarie flüchtet sich in die Welt der Bücher und träumt davon Studentin zu werden. Ihr großes Vorbild ist Astrid Lindgren.
Meine Meinung: Die ganze Geschichte, die in den späten Nachkriegsjahren spielt, wird aus der Sicht von Annemarie erzählt. Ich schätze ihr Alter auf etwa 6 oder 7 Jahre zu Beginn und auf 10 oder 11 Jahre am Ende des Buches. Die Menschen sind noch von der schweren Last und Schuld des Krieges geprägt und vor allem die ehemaligen Soldaten möchten diese schlimmen Jahre möglichst schnell vergessen und nicht mehr darüber sprechen. Annemaries Vater wird noch viele Jahre nach dem Krieg von Alpträumen gequält. Das Mädchen bekommt alles mit, denn es schläft zwischen den Eltern. Die Mutter macht vor Annemarie kein Geheimnis daraus, wie sie zu dem Vater steht (dem „Satan“) und Annemarie sieht sie häufiger mit anderen Männern, die sie sich scheinbar wahllos aussucht. Der Vater scheut sich, Annemarie seine Zuneigung zu zeigen, die aber trotzdem ganz deutlich erkennbar ist. Mit Gefühlen war man zu der Zeit eher zurückhaltend.
Durch die Sichtweise eines Kindes und der typischen Sprache der 60er wirkt dieser Roman äußerst lebhaft und authentisch. Die Kapitel sind sehr kurz und flüssig zu lesen. Allerdings springen die Kapitel manchmal ohne genaue Angaben in den Zeiten, was etwas verwirrend ist. Hiltrud Leenders benutzt Redewendungen, Ausdrücke, Lieder und Gebete, die ich persönlich (geboren 1964) auch noch sehr gut kenne und für mich war es wie eine Reise in die Vergangenheit. Auch kenne ich noch Steghosen, Wasserwellen, die Besucherritze, Eisblumen am Fenster und auch das Lied: "Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen und macht Hacke-, Hacke-, Hackemus aus dir.“ (Heute unvorstellbar, so etwas Kindern vorzusingen!).
Annemarie hat einen starken Willen, sie wird immer selbstbewusster und hat ein klares Ziel vor Augen: Sie möchte studieren!
Das Ende, eine Provokation von Annemarie, fand ich sehr gut.
Fazit: Mir hat das Buch, das eine Zeitreise in die 60er Jahre ist und Annemaries Alltag schildert, sehr gut gefallen.