Astrid Lindgren ganz Privat?
Der Klappentext:
Säckeweise bringt der Postbote über die Jahre Briefe von Kindern in Astrid Lindgrens Stockholmer Wohnung. Astrid Lindgren bemüht sich nach Kräften, alle Post zu beantworten, aber meist ...
Der Klappentext:
Säckeweise bringt der Postbote über die Jahre Briefe von Kindern in Astrid Lindgrens Stockholmer Wohnung. Astrid Lindgren bemüht sich nach Kräften, alle Post zu beantworten, aber meist bekommen die Kinder nur eine kurze Antwort. Umso erstaunlicher ist es, dass die große Schriftstellerin über Jahrzehnte einen Briefwechsel mit der jungen Sara Schwardt unterhält. Doch ein Gefühl der Verbundenheit lässt sie Anteil nehmen am Leben des einsamen, temperamentvollen Mädchens. So erzählt Sara davon, dass sie sich häßlich fühlt, von ihren Problemen in der Schule und den ständigen Streitereien mit ihren Eltern, von kleinen Kümmernissen und großem Schmerz. Und Astrid Lindgren hört zu, gibt Rat und öffnet sich ihrerseits: Sie schreibt ihre Ferienerlebnisse mit ihren Enkeln, über die Trauer nach dem Tod ihres Bruders und darüber, welch Kopfzerbrechen ihr die schwierigen zwei letzten Kapitel der „Brüder Löwenherz“ machen. Auch wenn die Briefe im Laufe der Zeit spärlicher werden, hört der Kontakt doch nie auf, und so ist dieser Briefwechsel das Zeugnis einer großen Freundschaft zwischen zwei außergewöhnlichen Menschen.
Meine Meinung:
Die kleine Sara schreibt einen Brief an Astrid Lindgren. Wie es scheint, ist das vollkommen normal, denn täglich schreiben hunderte Kinder Briefe an die Autorin. Doch Sara hat eine forsche Bitte: Sie möchte eine Rolle in einem Film – und Astrid Lindgren soll ihr dabei helfen! Sie würde doch bestimmt jemanden kennen, der ihr eine Rolle in dem Film besorgen könnte, sie sei ja schließlich berühmt. Und außerdem wäre Sara sowieso die beste für diese Rolle sie die Rolle nicht bekommen würde, würde sie ihres Lebens nicht mehr froh. Die Autorin antwortet, aber nicht mit ein paar Zeilen, in denen sie Sara vertröstet. Nein, sie liest ihr richtig die Leviten. Das lässt Saras nächster Brief jedenfalls vermuten, denn Sara war so wütend über Astrids Antwort, dass sie ihn einer späteren Aussage nach zerriss und das Klo hinunter spülte. Sara entschuldigt sich und so nimmt eine tiefe, über mehrere Jahrzehnte währende Freundschaft ihren Lauf.
Schon aus ihrem ersten Brief lässt sich herauslesen, dass mit dem kleinen Mädchen Sara etwas nicht stimmt. Sie schreibt keine gewöhnliche Fanpost frei nach dem Motto: „Liebe Astrid, deine Bücher finde ich toll. Bitte schreib mir zurück. XY“. Nein, dieses Mädchen aus dem ersten Brief ist forsch, frech, eingebildet und laut. Doch schon bald wird klar, was für ein falsches Bild man von Sara bekommen hat. Hinter der Fassade kommt schnell das einsame und verletzliche Mädchen mit einer gewissen Tendenz zur Depression zum Vorschein. Jeder Brief kommt einem Hilferuf gleich. Trotz der Hilfe durch ihre lebenserfahrene Freundin Astrid findet Sara sich in der normalen Welt nicht zurecht. Erst in ihrem letzten Brief, den sie extra für dieses Buch verfasst hat, sieht man endlich die selbstbewusste Frau, die sie mit Astrid Lindgrens Hilfe geworden ist.
Zu Beginn des Buches fragt man sich wie dieser Briefwechsel entstehen konnte, denn jeden Tag versuchte Astrid Lindgren mehrere Hundert Briefe von Kinder zu beantworten. Woher rührt das Interesse an der kleinen Sara, an ihren wirren Ideen und ihrer erfolglos versteckten Unsicherheit? Vielleicht hat sich die erfolgreiche Autorin und alte Frau Astrid Lindgren in der kleinen Sara wiedererkannt. Die Autorin geht auf alles was Sara schreibt ein und versucht das Mädchen immer wieder in die richtige Richtung zu lenken. Sie bestärkt sie bei vielen Entscheidungen und macht ihr immer wieder auf neue Mut.
Das Buch gibt einen tollen, leider aber recht kurzen Einblick in die Personen Astrid Lindgren und Sara Schwardt. Trotz den wenigen Briefen die sich beide in den vielen Jahren geschrieben habe, merkt man wie lieb sich beide hatten und welch große Vertrauensbasis zwischen den beiden herrschte.
Im Vorwort erzählt Lena Törnqvist, die nach dem Tod Astrid Lindgrens, beim Sortieren ihres Archivs auf die Briefe gestoßen war, von der Arbeit an dem Buch und den Besonderheiten der Briefe. So schrieb Sara meistens per Hand und mit Bleistift, während Astrid Lindgren als gelernte Sekretärin alles mit ihrer Schreibmaschine tippte. Im Verlauf des Buches finden sich neben den Texten auch einige Fotos von Sara und Astrid, sowie drei Abdrucke der Briefe der beiden. Leider muss ich das zum Anlass nehmen um einen kleinen Wermutstropfen einzubringen. Die Briefe zeigen deutlich wie emotional der Austausch zwischen den beiden war. Saras noch stärker als Astrids, aber dieser Eindruck entsteht wohl auch dadurch, dass Sara in ihrer Handschrift erscheint. Vieles wird hervorgehoben, vieles gar mehrfach unterstrichen oder durchgestrichen und neu verfasst. Es finden sich auch Notizen und Anmerkungen der beiden in den Briefumschlägen, falls ihnen nicht genug Platz auf dem Papier blieb. Hier hätte ich mir gewünscht, dass man mehr oder sogar alle Briefe passend zu der Übersetzung abgedruckt hätte. Denn leider geht in der Übersetzung und im Druck einiges von der Intensität und Authentizität der Briefe verloren. Ja, ja, ich weiß. Jammern auf hohem Niveau. Aber schön wäre es doch gewesen. Gerade bei Saras Briefen.
Ansonsten war das Buch für mich das pure Vergnügen und mit seinen 204 Seiten eine großartige Lektüre für zwischendurch. Wer Astrid Lindgren mag (oder liebt ) kommt an diesem Buch nicht vorbei! Es gibt einem einen tollen und intimen Einblick in die Frau, Freundin und Mutter Astrid Lindgren.