Kurzmeinung:
Ich fand dieses Buch toll, hätte es aber gern noch mehr gemocht! Ein gutes Buch mit einem sehr wichtigen Thema, interessanten Charakteren und einer vielschichtigen Handlung. Auf jeden Fall lesenswert!
Ich persönlich war aber leider auch ein bisschen enttäuscht, weil ich mir einfach noch mehr von dem Roman erhofft hatte.
Meine Meinung:
Dieses Buch war irgendwie ganz anders, als ich es erwartet hatte, aber es hat mir dennoch gefallen. Ich hatte mir einen stärkeren Schwerpunkt auf das Thema Feminismus gewünscht, etwas mehr auch inhaltlich dazu. Doch das Thema wird weniger explizit im Roman behandelt, schwingt aber dennoch die ganze Zeit mit.
Im Kern dieses Romans stehen Beziehungen. Die Beziehung zu unseren Eltern, Freunden, unserem Partner oder unserer Partnerin. Zu unseren Freundinnen, Kolleginnen. Zu unseren Idolen. Beziehungen werden hier in all ihrer Bandbreite eingefangen und mit allen schönen und schwierigen Seiten dargestellt. Neben den feministischen Themen hat das einen Großteil des Reizes an diesem Buch ausgemacht.
Der Anfang des Romans hat mir sehr gut gefallen und mich gleich sehr in die Geschichte gesogen. Dort wird sehr gut beschrieben, wie es sich für Frauen anfühlt, Sexismus ausgesetzt zu sein und Übergriffe zu erleben. Die Ohnmacht, die Scham. Das in der Gesellschaft (leider!) noch weit verbreitete Victim Blaming, wenn Frauen mutig sind und die Täter anzeigen. Das alles hat sehr gut die Erfahrungen widergespiegelt, die ich als Frau schon selbst erlebt habe und von vielen anderen Frauen gehört habe.
>> Jungs und Männer hatten sie natürlich oft mit groben oder anzüglichen Bemerkungen bedacht, das passierte allen Mädchen, das geschah überall.<< (aus "Das weibliche Prinzip", S. 24)
Es ist so traurig, dass dieser Satz so geschrieben werden muss und wahr ist.
Außerdem geht es um die Themen "Frauen und Macht", dass Frauen sich eigentlich gegenseitig unterstützen müssten und gerade Frauen in Führungspositionen, die es "geschafft haben", ihren Einfluss nutzen sollten, sich für andere Frauen stark zu machen. Doch weil ihnen ständig das Gefühl der Bedrohung vermittelt wird, haben sie Angst und denken, sie können es sich nicht leisten, mit anderen Frauen freundlich umzugehen. Das ist zumindest die Erklärung, die das Buch gibt.
Auch die unbezahlte Care Arbeit, die zumeist Frauen überall auf der Welt leisten, wird thematisiert, und wie dies seinen Beitrag zur bestehenden Ungerechtigkeit leistet.
Und auch die unterschiedlichen Ansprüche, die an Männer und Frauen gestellt werden, kommen in dem Buch sehr gut rüber.
Das alles hat mir gut gefallen. Diese Analyse der Position der Frau in der heutigen Zeit, die Beschreibung der Entwicklung, die es von den 60ern bis heute gegeben hat. Die Schilderungen, was Frauen (auch heute noch) erleben und ertragen müssen. Ein kleiner Kritikpunkt daran ist, dass es sich hier hauptsächlich um recht privilegierte, weiße Frauen handelt. Das ist allerdings ein Punkt, der auch im Buch selbst angesprochen und diskutiert wird. Der Umgang damit hat mir gut gefallen und schwächt die Aussage des Buches in meinen Augen nicht.
Ein weiterer Aspekt, der mit mir persönlich sehr resoniert hat, ist Greers Situation nach dem College. Sie ist von Faith Frank begeistert, möchte unbedingt etwas bedeutsames tun, sich für den Feminismus und für Frauen engagieren. Gleichzeitig ist sie aber auch noch unsicher, hat sich selbst noch nicht so richtig als Person gefunden.
Ich selbst habe bald meinen Abschluss in der Tasche und stehe vor einer ähnlichen Situation. Ich weiß noch nicht genau, wo es mich hin verschlagen wird, was ich tun werde. Die Zukunft ist noch so ungewiss und das macht mir etwas Angst. Auch ich möchte gern etwas "wichtiges" tun, mich engagieren, den Menschen helfen. Und genau wie Greer fällt es mir schwer, es ruhig angehen zu lassen, sondern stürze mich lieber Hals über Kopf und mit vollem Engagement in ein Projekt.
In diesen Schilderungen habe ich also ziemlich viel von mir selbst entdeckt und hatte deswegen einen sehr persönlichen Bezug zum Buch.
Umso komischer erscheint es mir, dass trotzdem nicht so richtig eine Verbindung entstehen wollte. Ich habe das Buch gern und auch interessiert gelesen, allerdings war es für mich weniger bereichernd, als ich es mir gewünscht hätte. Es hat mich nicht sehr bewegt, konnte mich nicht überraschen, mich provozieren oder mir etwas Neues beibringen. Ich hätte mir irgendwie mehr "Erleuchtung" von dem Buch erhofft. Mehr Aha- Momente, mehr Innovation und mehr Inspiration für meine eigenen Position im Feminismus. Das war zwar alles in Ansätzen gegeben, aber ich hatte mir eben einfach mehr –vielleicht auch zu viel– erhofft.
Fazit:
Das weibliche Prinzip von Meg Wolitzer ist auf jeden Fall ein gutes Buch und auch ein Buch, das ich jeder und jedem empfehlen möchte. Es hat viele interessante Charaktere, deren Entwicklung gut geschildert und spannend zu verfolgen ist. Der Roman hat eine vielschichtige und abwechslungsreiche Geschichte und ist gut geschrieben. Meg Wolitzer ist eine gute Autorin und sie hat tolle Charaktere geschaffen und eine komplexe, aktuelle und relevante Geschichte konstruiert. Außerdem dreht sich viel um das Thema Feminismus und das ist einfach so wichtig und schon allein deswegen sollten möglichst viele Menschen dieses Buch lesen.
Nur mir persönlich hat etwas gefehlt, weil ich mir einfach noch viel mehr von diesem Roman erhofft hatte.