Schöner Roman
Ein Start ins LebenIn der Mitte ihres Lebens angekommen, sinniert Dr. Ruth Weiss über ihr bisheriges Leben nach. Einen Großteil dessen hat sie der Literatur gewidmet, schon als Kind die Nase ständig in ein Buch gesteckt. ...
In der Mitte ihres Lebens angekommen, sinniert Dr. Ruth Weiss über ihr bisheriges Leben nach. Einen Großteil dessen hat sie der Literatur gewidmet, schon als Kind die Nase ständig in ein Buch gesteckt. Hat sie deswegen etwas verpasst?
Brookners Debüt hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel und ist trotzdem aktuell. Ruth wirkt einerseits etwas altbacken bzw. klassisch (ihre Figur hätte sicher auch einen Platz im 18. Jahrhundert gefunden), andererseits sind ihre Probleme zeitlos modern: sie ist intelligent und will doch ein Heim und einen Herd. Unabhängig sein und gleichzeitig ein intaktes Familienleben führen. Letzteres scheitert schon an ihren Eltern, die Mutter eine aus dem Beruf gealterte Schauspielerin, der Vater verschleißt beim Versuch eine „brave“ Frau zu finden zahlreiche Geliebte. Nach dem Tod der Großmutter zieht sich Ruth quasi selbst groß und findet großen Trost in der Literatur. Diese nimmt einen nicht ganz so großen Raum in der Geschichte ein wie ich es mir erwartet hatte. Zwar wird Ruths Begeisterung für Balzac deutlich, aber ansonsten tritt ihre bibliophile Neigung oft hinter den zwischenmenschlichen Konflikten zurück. Diese sind nachvollziehbar dargestellt, auch wenn gerade die Figur der Mutter mir doch oft unfreiwillig komisch vorkam. Sprachlich ist Brookners Roman mehr als ansprechend, eine sehr starke Sprache, die trotzdem leise Töne trifft. Mir hat er gefallen.